#223 Die drei Schmetterlinge
Shownotes
Triggerwarnung: In dieser Folge geht es unter anderem um Rassismus
Minerva Mirabal wächst in der Dominikanischen Republik auf, zu einer Zeit, in der Machthaber Trujillo keine Widerworte duldet und absolute Loyalität einfordert. Doch die junge Frau macht aus ihren Gedanken zu Politik und Gerechtigkeit keinen Hehl. Als die Mirabals 1949 zu einem Ball des Diktators eingeladen werden, bei dem er ihr Avancen macht, wird dieser Abend ihr Leben ein für alle Mal verändern. In ihr wächst ein Widerstand gegen das Regime, der sich nicht mehr aufhalten lässt und bald weit über ihre eigene Familie hinausgeht.
In dieser Folge von „Mordlust – Verbrechen und ihre Hintergründe“ sprechen wir darüber, was es bedeutet, Mut zu beweisen in einem System, das jede Abweichung bestraft. Es geht um weiblichen Widerstand, die Mechanismen einer Diktatur, Macht, Machismo und darum, wie drei Frauen zu Symbolfiguren eines ganzen Landes wurden und wie ihr Vermächtnis bis heute international nachhallt. Denn der Fall der Schmetterlinge ist der Grund, warum der 25. November heute als Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen gilt.
Expert:innen in dieser Folge: Politikwissenschaftler Prof. Dr. Nikolaus Werz, ehemaliger Lehrstuhlinhaber für Vergleichende Regierungslehre an der Universität Rostock mit Forschungsschwerpunkt Politik in Lateinamerika, Prof. Dr. Barbara Potthast, Professorin für Iberische und Lateinamerikanische Geschichte an der Universität zu Köln mit Schwerpunkt Genderbeziehungen, und Dr. Carolin Weyand, Rechtsanwältin und Vorständin der UN Women Deutschland
Besonderer Dank an Minou Tavárez Mirabal, die Tochter von Minerva, mit der wir eng an dieser Folge zusammengearbeitet haben
Credit
Produzentinnen/ Hosts: Paulina Krasa, Laura Wohlers Redaktion: Paulina Krasa, Laura Wohlers, Marysol Mercado Schnitt: Pauline Korb Rechtliche Abnahme: Abel und Kollegen
Quellen (Auswahl)
Buch: “Alive in Their Garden: The True Story of the Mirabal Sisters and Their Fight for Freedom” von Dedé Mirabal
Rede von Minou zum 60. Todestag der Mirabal Schwestern und die Grabrede an ihre Tante Dedé taz.blogs: 25. November – „Internationaler Protesttag gegen Gewalt an Frauen“ Dominikanische Republik: „Die Ermordung meiner Schwestern hat mein Leben geprägt
Publikation von Nikolaus Werz über Rafael Leónidas Trujillo
BKA - Lagebilder: Bundeslagebilder - Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2024
Weiterführende Infos zu UN Women Deutschland:
UN Women Deutschland www.unwomen.de
Kampagnenseite www.gewalt-stoppen.org
Transkript anzeigen
00:00:11: Willkommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.
00:00:13: Hier geht es um Wareverbrechen und ihre Hintergründe.
00:00:15: Mein Name ist Paulina Krasar und normalerweise sitzt hier mit mir meine Kollegen und Freundin Laura Wohlas, mit der ich immer einen bedeutsamen Warenkriminalschein nach erzähle.
00:00:25: Gemeinsam ordnen wir den immer ein, erörtern und diskutieren die juristischen, psychologischen oder gesellschaftlichen Aspekte.
00:00:31: Und wir sprechen mit Menschen, mit Expertise.
00:00:33: Heute aber für euch alleine durch diese Folge.
00:00:35: Hier geht es um True Crime, also auch um die Fixale von echten Menschen.
00:00:39: Bitte behaltet das immer.
00:00:40: hinter Kopf.
00:00:40: Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch mal etwas abschweifen.
00:00:44: Das ist für uns so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.
00:00:49: Bevor ich mit der heutigen Folge starte, in der es um drei Schwestern geht, die einer Schreckensdiktatur, die Stirn bieten, will ich erst mal sagen, dass diese Woche unser Ugly Christmas Retter online geht.
00:01:02: Am Sonntag, den dreißigsten November, um elf Uhr ist das so weit, also wenn ihr noch keinen Weihnachtsgeschenk habt, das wäre eine Idee, die sind wieder limitiert, also schnell sein lohnt sich, solltet ihr aber zu langsam sein, wir haben auch noch anderen Merch, den ihr euch krallen könnt, unter partnerincrime.shop.
00:01:18: Mehr Infos findet ihr auch noch mal auf unserem Instagram-Kanal Modus der Podcast.
00:01:23: Soviel dazu.
00:01:24: Und dann will ich jetzt mit euch über ein Thema sprechen, das uns alle betrifft, und dem wir mehr Aufmerksamkeit schenken sollten.
00:01:31: Und das ist Gewalt gegen Frauen.
00:01:34: Und weil wir diesen Thema mehr Aufmerksamkeit schenken möchten, veröffentlichen wir diesmal einen Tag eher als sonst.
00:01:39: Heute am Veröffentlichungstag ist nämlich der twenty-fünfste November, also der internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, auch bekannt als der Orange Day.
00:01:49: Die Vereinten Nationen haben in Orange entschieden, weil Gewalt gegen Frauen und Mädchen meist im Verborgenen im sogenannten Dunkelfeld passiert.
00:01:59: Und diese knallige Farbe soll sichtbar machen, was sonst übersehen wird.
00:02:03: Also sie soll eine Art Spotlight setzen.
00:02:06: In Deutschland wird jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und oder sexualisierter Gewalt.
00:02:13: Etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder einen Ex-Partner.
00:02:21: Wir alle kennen diese Frauen oder sind sie selbst.
00:02:24: Das Bundeskriminalamt hat erst vergangene Woche einen Bericht zur Gewalt an Frauen veröffentlicht, mit den Zahlen für das Jahr im Jahr und die zeigen in fast allen Bereichen einen Anstieg.
00:02:35: hat einen neuen Höchststand erreicht und auch sexual Straftaten, Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und digitale Gewalt gegen Frauen haben weiter zugenommen.
00:02:43: Insgesamt hat die Polizei dreihundert acht Tötungsdelikte an Frauen im Zusammenhang mit Partnerschaftsgewalt registriert.
00:02:51: Weltweit stirbt laut UN Women alle zehn Minuten eine Frau oder ein Mädchen durch die Hand ihrer Familie oder des Partners.
00:02:59: Alle zehn Minuten, da krampft sich bei mir alles zusammen.
00:03:03: Also wir sehen, der Orange Day ist wichtig, damit uns allen mindestens einmal im Jahr bewusst wird, welche Ausmaßergewalt gegen weiblich gelesene Personen noch immer hat.
00:03:13: Aber den Grund, wieso der Orange Day heute am XXV.
00:03:17: November stattfindet, den kennen die meisten gar nicht, was ein Problem ist, denn dieser Tag geht auf eine ganz bestimmte Geschichte zurück, deren Hintergründe ihr heute erfahrt und für die reisen wir gleich gedanklich zurück in die Karibik.
00:03:30: Die Triggerwarnung zu dem Fall findet ihr in der Folgenbeschreibung.
00:03:34: Es ist nineteenhundertneunundvierzig in Ocho de Agua, einem kleinen Dorf unweit des Städtchen Cicero im Herzen der Dominikanischen Republik.
00:03:43: Ein Klopfen an der Tür unterbricht das Rehgetreiben im Hause der sechsköpfigen Familie Mirabal.
00:03:48: Vor der Dreiundzwanzigjährigen Minerva steht ein Uniformierter.
00:03:52: In seiner Hand hält er einen Brief mit dem Wappen des Regimes.
00:03:55: Der mächtigste Mann des Landes lädt einige Familien aus der Region zum Ball ein.
00:03:59: Das ist nichts Ungewöhnliches für eine Familie aus der guten Mittelschicht, aber auch nichts, worüber man sich freut.
00:04:06: Solche feste, organisierte Ergriffe, also der Chef, wie Präsident Trujillo von allen genannt werden will, regelmäßig in verschiedenen Ortschaften, um seine Macht zur Schau zu stellen.
00:04:16: Rauschende Abende, die mehr Einschüchterung als Feier sind.
00:04:19: Für die Mira Balz, also Minerva, ihre drei Schwestern und ihre Eltern ist es bereits die dritte Einladung.
00:04:25: Zur letzten sind sie nicht gegangen, unter dem Vorwand krank zu sein.
00:04:29: Die Abwesenheit blieb aber offenbar nicht unbemerkt, denn der Mann an der Tür macht nun mit Nachdruck klar, dass das diesmal keine Option sei.
00:04:37: Minerva weiß, der Diktator erwartet sie.
00:04:40: Und das kann nichts Gutes bedeuten.
00:04:43: Raphael Leonidas Trujillo ist zu dem Zeitpunkt, siebenundfünfzig Jahre alt und gilt als einer der brutalsten Diktatoren Lateinamerikas und ist Machthaber der Dominikanischen Republik.
00:04:55: Seit knapp zwanzig Jahren thront sein Porträt in Klassenzimmern, Büros und Wohnzimmern.
00:05:00: Den Spruch Dios y Trujillo Also Gott und Trujillo findet man auf Plakaten und an Gebäuden im ganzen Land und sein Name tauscht auch nicht selten im Gottesdiensten auf.
00:05:11: Der Weg zu dieser gottgleichen Verehrung begann Jahrzehnte zuvor, mit einem Mann, der aus einfachen Verhältnissen stammt und dessen Ärgze keine Grenzen kennt.
00:05:20: Er macht Karriere im Militär und kommt schließlich durch eine manipulierte Präsidentschaftswahl neunzehnhundertdreißig erstmals an die Macht.
00:05:27: Und seitdem er sein Amt innehat, wenn auch mit einer Unterbrechung, in der er einen Marionettenpreis Präsidenten eingesetzt hatte, hat er aus dem ehemals armen und politisch instabilen Land einen modernen und allem anscheinend stabilen Staat geformt.
00:05:41: Er hat Schulen aufgebaut und Straßen erneuert, die Wirtschaft wieder angekobelt und für Strom und Wasser in den Städten gesorgt, was ihm ziemlich viele Sympathien in der Bevölkerung eingebracht hat und wofür er verlangt gefeiert zu werden und Unterwerfung und Dankbarkeit fordert.
00:05:55: Was nach außen wie die Rettung vor Armut aussieht, ist in Wahrheit aber nur Fassade, denn Trujillo und seine Familie bringen große Teile der dominikanischen Wirtschaft unter ihre Kontrolle und häufen damit ein immenses Privatvermögen an.
00:06:08: Er kontrolliert rund sechzig Prozent aller Arbeitsplätze und seventy-fünf Prozent der Industrieproduktion.
00:06:14: Das bedeutet, fast alles, was im Land hergestellt oder gearbeitet wird, ist in der Hand seiner Familie, von der viele Männer hohe Regierungs- und Militärposten besetzen.
00:06:23: Doch Kontrolle über Wirtschaft allein reicht ihm nicht.
00:06:26: Er will auch seine Ideologie durchsetzen und damit das Land nach seiner eigenen Vorstellung formen.
00:06:32: Ein Land, das patriarchal und streng hierarchisch sein soll.
00:06:35: Und vor allem eins.
00:06:37: Weiß.
00:06:38: In der dominikanischen Republik haben die meisten Menschen aufgrund der Kolonialvergangenheit sowohl afrikanische als auch europäische Wurzeln.
00:06:46: Weiße Dominikanerinnen machen nur eine sehr kleine Minderheit aus.
00:06:50: Die Familie Mirabal hat zum Beispiel europäische Vorfahren und eine hellere Haut.
00:06:54: Heißt jetzt nicht, dass sie weiß sind, aber dass sie in diesem System, in dem die Hautfarbe und Herkunft über Privilegien entscheiden, zur oberen Mittelschicht gehören.
00:07:04: Zur weißen Elite gehört Trujillo selbst aber auch nicht.
00:07:08: Seine Familie hat nämlich heitianische Wurzeln und seine vergleichsweise dunkle Haut ist aus seiner Sicht ein Markel, den er zu Verbergen versucht, indem er sie überpudert.
00:07:18: Auf Porträts lässt er seine Hautfarbe auffällen und instimiert sich offiziell als europäisch.
00:07:23: Er eifert einem ideal nach, dass er selbst nie verkörpern kann.
00:07:27: Es ist Rassismus, der sich hier quasi auch ein bisschen gegen sich selbst richtet, was es überhaupt nicht besser macht.
00:07:33: Wir haben dazu mit Politikwissenschaftler Prof.
00:07:35: Nikolaus Werz gesprochen, der sich intensiv mit Trujillos Person und Politik auseinandergesetzt hat und was es mit diesem Wunsch nach der weißen Hautfarbe auf sich hat.
00:07:44: Die weiße Hautfarbe galt Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts noch als Symbol für die Zugerigkeit zur Oberschicht und als Ausweis von Herrschaft.
00:07:56: Bei Trujillo mag ein nicht eingestandener Minderwertigkeitskomplex hinzugekommen sein.
00:08:05: Er stammte ja selber nicht aus dieser Oberschicht, die ihn auch misstrauisch betrachtete.
00:08:12: Die Uniformen, die er sich gerne anzog und die für die klimatischen Verhältnisse in der Dominikanische Republik ungeeignet waren, sollten möglicherweise auch Disziplin und Ordnungen symbolisieren, die er von den vermeintlich entwickelten europäischen Ländern bzw.
00:08:32: den USA übernehmen wollte.
00:08:35: Seine Vorliebe für Uniformen, die große Zahl seiner Krawatten und Orden war ebenfalls ein Zeichen dieser Aufweisung.
00:08:46: Verschärft wird das nochmal durch die geografische Lage des Landes.
00:08:49: Die Dominikanische Republik grenzt ja an Haiti, wo überwiegend schwarze Menschen leben.
00:08:54: Seit der Kolonialzeit gilt Haiti in vielen Augen vieler Dominikaner in, als das andere das ärmere, schwarze und politisch instabil ernannt.
00:09:04: Trujillo nutzt diese Spaltung, um ein Gefühl nationaler Überlegenheit zu schaffen.
00:09:10: Das Ding ist nur, viele H-Ithianerinnen kommen zum Arbeiten in die Dominikanische Republik und wandern meist illegal ins größere Nachbarland ein.
00:09:18: Und das ist Trujillo, der dem Ideal des Weißenstaats entgegenstrebt, ein Dorn im Auge.
00:09:23: Um seine Ideologie durchzusetzen, sind ihm alle Mittel recht.
00:09:27: Im siebten Jahr seiner Amtszeit, neunzehntunhundertdreißig, lässt er Zehntausende Ha-Ithianerinnen töten.
00:09:33: Seine Truppen durch Cam bewaffnet mit Macheten die Felder an der Grenze, auf denen viele Ha-Ithianerinnen arbeiten.
00:09:39: Wer nicht eindeutig anhand seiner Hautfarbe zu erkennen ist, muss ein Wort sagen, nämlich perihil.
00:09:45: Ich kann es nicht richtig aussprechen, jedenfalls heißt es Petersilie.
00:09:48: Und wer das spanische R nicht rollen kann, gar noch einen französischen Akzent hat, gilt als Haïtiana oder Haïtianerin und wird getötet.
00:09:57: Es gilt als eines der schlimmsten Verbrechen in der Geschichte der Karibik.
00:10:00: Und es zeigt, wie gnadenlos Trujillo mit jenen umgeht, die nicht in sein Weltbild passen.
00:10:06: Selbst mit jenen, die nur schweigen, Zweifel hegen.
00:10:08: Dazu kann auch schon zählen, kein Porträt von ihm im Wohnzimmer aufzustellen.
00:10:13: Überwachen lässt Trujillo das durch seine staatlichen Sicherheitsorgane, aus denen später seine Geheimpolizei der SIM, also der Servicio de Inteligencia Militar hervorgeht.
00:10:24: Oder so ähnlich.
00:10:24: Ich habe schon lange kein Bubble mehr gemacht.
00:10:26: Offiziell ist das der Militärischen Nachrichtendienst in Wahrheit aber ein Apparat aus Kontrolle, Einschüchterung und Folter, der mit den Jahren immer brutaler wird.
00:10:35: Seine Mitglieder streifen dabei durch das ganze Land.
00:10:38: Hinzu kommt ein dichtes Netz von Spitzeln.
00:10:40: Viele arbeiten in Zivil und niemand weiß so recht, wer dazu gehört.
00:10:44: Das können Menschen sein, die einen in der Stadt beobachten, aber genauso der Nachbar oder der eigene Bruder.
00:10:50: Wer in Ungnade fällt, landet möglicherweise in den gefürchteten Foltergefängnissen des Landes.
00:10:56: von denen man sich erzählt, dass Inhaftierte dort auf dem elektrischen Stuhl gequält in tanksvoller Urin- und Fekalien gesperrt oder von dressierten Hunden angegriffen werden.
00:11:06: So baut Trujillo auf ein System, das auf Dankbarkeit, Angst und Kontrolle setzt, während Politik, Militär, Justiz, Wirtschaft und Medien fest in seiner Hand liegen.
00:11:18: Doch seine Schreckensherrschaft beginnt schon bald zu bröckeln.
00:11:21: Denn es wächst Widerstand heran, vor allem in einer jungen Frau, die jetzt noch gar nicht ahnt, was sie für dieses Land mal für eine Bedeutung haben wird.
00:11:30: Normalerweise sind Bälle und Schickeria nicht das, wonach Minerva sich sehnt.
00:11:35: Am liebsten kniet die dreinzwanzigjährige große schlanke Frau zwischen den bunten Blumenbeten im Garten ihres Elternhauses und griebt dort tief in der Erde.
00:11:43: Zwischen Oleander und Hibiscus und den Schmetterlingen, die um sie herumfliegen, blüht auch sie auf.
00:11:49: Diese hübschen Hände sind nicht für sowas gemacht, hört sie ihre Mutter, Donja Chea, manchmal rufen.
00:11:54: Aber Minerva winkt jedes Mal lechend ab.
00:11:56: Immerhin könnten die Eltern froh sein, dass sie im Garten der Familie hilft.
00:12:00: Gleich hinter dem Garten steht das Haus der Mirabals.
00:12:03: Hier lebt Minerva mit ihren Eltern und ihrer Schwester Maria Teresa.
00:12:07: Die älteste Schwester Patria ist schon ausgezogen.
00:12:10: Sie lebt mit ihrem Mann und ihren Kindern ganz in der Nähe, kommt aber oft zu Besuch vorbei.
00:12:15: Vorne im Haus führt Vater Enrique den Laden der Familie.
00:12:17: Er ist ein angesehener Händler im Ort, bei dem jeden Tag Kundschaft ein- und ausgeht, die mit ihm über Reißzucker- und Stoffballen verhandeln.
00:12:25: Gleich nebenan im kleinen Büro des Ladens sitzt in der Regel Dede, die vierte Schwester im Bunde, sie ist ein Jahr älter als Minerva.
00:12:33: Die vierundzwanzigjährige hat ein Felbe für Listen und Zahlen und kümmert sich deshalb um die Buchhaltung.
00:12:38: Auch sie ist frisch verheiratet und wohnt nicht mehr im Elternhaus, ist aber eben trotzdem oft da, weil sie ihrem Vater mit dem Laden hilft.
00:12:46: Und dann ist dann noch die zierliche Maria Teresa, die mit dreizehn Jahren das Küppen der Familie ist.
00:12:51: Minerva beobachtet oft, wie Dede ihr am Morgen die langen schwarzen Haare zu zwei ordentlichen Zöpfen flechtet.
00:12:57: Währenddessen kann Maria Teresa kaum still sitzen und löchert Minerva mit neugierigen Fragen.
00:13:04: Sie ist ihr kleiner Schatten.
00:13:05: An Minerva hat Maria Teresa einen Nachem gefressen, denn sie tanzt im Gegensatz zu den älteren Schwestern Patria und Dede aus der Reihe.
00:13:14: Minerva ist wissbegieriger, sie liebt Bücher, Gedichte, aber ganz besonders interessiert sie sich für die Politik in ihrem Land.
00:13:21: Vor allem, als sie mitbekommt, was mit dem Vater einer Mitschülerin passiert.
00:13:25: Er soll systemkritisch gewesen sein.
00:13:27: Kurz darauf erzählte die Mitschülerin, habe er Blut gespuckt und sei einfach tot gewesen.
00:13:33: Viele Menschen verschwinden in dieser Zeit, gerüchten zufolge, weil sie sich gegen das Regime gestellt haben.
00:13:38: Aber jedes Mal, wenn Minerva nach den Gründen fragt, fährt man ihr über den Mund.
00:13:43: Minervas Eltern wollen dazu nicht gelöchert werden und auch in der Schule wurde sie wegen ihrer Nachfragen schon streng zurechtgewiesen.
00:13:50: Der Einzige, mit dem Minerva offen sprechen kann, ist Onkel Rossé, der Bruder ihrer Mutter.
00:13:55: Er macht kein Geheimnis daraus, wie wenig er vom Trujillo-Regime hält.
00:13:59: Gemeinsam diskutieren sie über Gerechtigkeit und ein Leben in Freiheit.
00:14:03: Durch die Gespräche entfacht er etwas in ihr, dass sie zu dem Zeitpunkt noch nicht richtig greifen kann.
00:14:09: Sie liest Bücher von ausländischen Philosophinnen, die im Land kaum jemand kennt, und noch weniger trauen sich, die offen zu lesen.
00:14:16: Minerva aber macht keinen Hehl daraus.
00:14:18: Zwar wird sie deshalb innerhalb ihrer Familie bewundert, aber gleichzeitig sorgt sie auch für Verunsicherung.
00:14:24: Vor allem ihre große Schwester Dede bittet sie immer wieder, sich etwas zurückhalten dazu fassen.
00:14:29: Aber Minerva kann und will nicht.
00:14:31: Sie trägt das Herz auf der Zunge.
00:14:33: Und genau das ist es auch, was für Nervosität in der Familie sorgt.
00:14:37: Dass Minervas Besuch bei einem Ball, der eigentlich in erster Linie dafür da ist, dass Trujillo umjubelt und ihm Loyalität gezeigt wird, Risiken birgt, ist allen bewusst.
00:14:49: Deswegen ist Minervas Mutter Donja Chea von Anfang an dagegen.
00:14:53: Bei solchen Wellen, das weiß sie, wird geschaut, wer sich Regimtreu verhält und sie will ihre Familie nicht sehenden Auges und Unglück laufen lassen.
00:15:01: Noch größer aber ist ihre Angst vor Trujillo selbst.
00:15:05: Denn damals ist sein Verlangen nach jungen Frauen im ganzen Land bekannt, hat uns Prof.
00:15:09: Nikolaus Werze erklärt.
00:15:11: Trujillo hatte glaube ich insgesamt drei Ehen, aber darüber hinaus sehr viele Beziehungen.
00:15:17: Man spricht von zwanzig Kindern, die er anerkannt hat, die er zum Teil auch finanziert hat.
00:15:23: Nach außen propagierte er ein sehr traditionelles Frauenbild.
00:15:26: Also das Bild von ihm ist widersprüchlich, denn wir wissen andererseits, dass er eben eine besondere Nähe und ja Sucht nach jungen Mädchen hatte und im Grunde genommen alle jungen Dominikanerinnen als seinen privaten Besitz betrachtete, so wie wir das teilweise aus dem europäischen.
00:15:46: Mittelalter vom Adel auch schon mal gehört haben.
00:15:50: Und diese pompösen Bälle, die er immer wieder veranstaltet, sind eben auch ein Ort, an dem sich Trujillo neue junge Frauen vor allem mit hellerer Haut und manchmal auch minderjährig aussucht.
00:16:02: Manche Familien sehen sich gezwungen, ihm die jungen Frauen selbst anzubieten, also quasi im Austausch für Schutz, Gefälligkeiten oder Begnadigungen.
00:16:11: Aber wagt es eine Frau, ihn zurückzuweisen, drohen ihr und ihrer Familie harte Konsequenzen.
00:16:16: Viele Familien versuchen deshalb, ihre Töchter vor ihm zu verstecken, denn eben jene Zurückweisungen gelten als Beleidigungen des Diktators.
00:16:25: Für Vater Enrique ist deswegen klar, noch einmal können sie sich der Einladung nicht entziehen.
00:16:30: Diesmal müssen sie gehen, auch wenn Mutter Donja Chea protestiert.
00:16:34: Minerva und ihren Schwestern bleibt nichts anderes übrig, als sich in Schale zu schmeißen und der Einladung ihres Gastgebers zu folgen.
00:16:41: Minerva sitzt mit ihren Schwestern im Auto, während draußen die Stadt San Cristobal in die Trujillo heute geladen hat, an ihr vorbeizieht.
00:16:49: So blitzauber und herausgeputzt, fast wie eine Kulisse.
00:16:53: Das Ziel der Familie ist eine riesige hell erleuchtete Villa.
00:16:56: Als sie dort ankommen, dröhnt Minerva die laute Musik schon entgegen.
00:17:00: Vor der Villa ist ein Pavillon aufgestellt, unter dem eine Band spielt.
00:17:04: Drum herum tanzen die Menschen ausgelassen miteinander.
00:17:07: Minerva wird mit ihrer Familie an ihnen vorbei, an einen Tisch ins Haus, in den Saal geführt.
00:17:12: Ihr Blick bleibt bei einem Mann hängen, der in einer Uniform steckt, an der unzählige Orden auf der Brust hängen.
00:17:19: Es ist Trujillo.
00:17:20: Der um die einen Meter siebzig große Mann mit den zurückgekämmten Haaren scheint bester Laune.
00:17:25: Minerva beobachtet das bunte Treiben aus sicherer Entfernung, bis sie von jemandem zum Tanz aufgefordert wird.
00:17:31: Eigentlich liebt sie es zu tanzen, aber nicht hier und nicht mit dem Mann, der vorgesteht.
00:17:37: Sie erkennt schon von Weitem, dass das Trujillos Frauenvermittler ist.
00:17:41: Sie lehnt ab, aber der Mann lässt sich nicht abwimmeln.
00:17:45: Wiederwillig steht sie auf, verlässt den Tisch ihrer Familie, an dem man Unheil ahnt und schwingt mit ihm im Takt, bis sie plötzlich an eine andere Hand weiter gereicht wird.
00:17:54: Sie blickt in ein Gesicht, das ihr vertraut ist und das sie zugleich verachtet.
00:17:58: Es ist Trujillo, der sie näher zu sich zieht.
00:18:02: Und von nun an führt sie der gefürchtetste Mann der Republik.
00:18:05: Trujillo will wissen, ob sie einen Freund hat und ob sie an der Politik des fifty-seven-Jährigen interessiert sei.
00:18:12: Minerva weiß, was er hören will.
00:18:14: dass sie ihm bewundert, dass er das Land in Ordnung gebracht hat, dass er sie beeindruckt.
00:18:19: Er erwartet nichts anderes als völlige Hingabe.
00:18:22: Nein, sagt sie schließlich, ich habe keinen Freund und nein, ich mag ihre Politik nicht.
00:18:27: Trujillo sagt, er könne ja seine Leute schicken, um sie zu überzeugen.
00:18:32: Minerva weiß, dass sie in diesem Moment ihr Leben und das ihrer Familie auf Spiel setzt.
00:18:37: Im Rhythmus der Musik tanzen Minervas Abscheu und Ruhijos Wut, bis sie ihn schließlich darum bittet, an ihren Tisch zurückzukönnen.
00:18:45: Dort blickt sie in die angespannten Gesichter ihrer Familie, die das unheilvolle Duett beobachtet hat.
00:18:51: Das Gefühl, den Ball sofort verlassen zu wollen, macht sich in Minerva breit.
00:18:55: Aber die Mirabals tun weiterhin, was von ihnen erwartet wird.
00:18:59: Dann, als hätte sich die Spannung zwischen dem Mirabals und Trujillo in den Himmel entladen, bricht plötzlich ein Unwetter auf die Tanzfläche herab.
00:19:07: Draußen im offenen Tanzbereich unter dem großen Pavillon bricht Chaos aus.
00:19:12: Während alle ins Haus stürmen und sich die Stimmen überschlagen, sieht Minerva den Blick ihres Vaters.
00:19:17: Jetzt.
00:19:19: Minerva und ihre Schwestern folgen ihm unbemerkt Richtung Ausgang.
00:19:22: Die Tropfen peitschen ihr ins Gesicht und kaum schlagen die Autotüren zu, saust die Familie mit durchgedrücktem Gaspedal davon.
00:19:29: Und hinter ihr versinkt die von innen hell erleuchtete Villa im Regen.
00:19:34: Ohne in diesem Moment daran zu denken, dass es verboten ist, eine Feier zu verlassen, solange Trujillo noch anwesend ist.
00:19:41: Als am nächsten Morgen der Tag hereinbricht, hofft die Familie Mirabal, dass der Vorabend keine Konsequenzen nach sich ziehen wird.
00:19:48: Doch diese Hoffnung soll nur zwei Tage später zerplatzen, als ein auffälliger Wagen den Weg zum Haus der Familie entlangrollt.
00:19:55: Ein Mann in Uniform steigt aus und verlangt Minervas Vater zu sprechen.
00:19:59: Er zwingt Enrique dazu, eine Entschuldigung an Trujillo zu schreiben, dafür, dass seine Familie den Ball vorzeitig verlassen hat.
00:20:06: Enrique schreibt, wie von ihm verlangt.
00:20:09: Doch trotz dieser Entschuldigung rollt nächsten Tag wieder ein Auto vor.
00:20:13: Zwei Männer steigen aus.
00:20:15: Diesmal allerdings um Enrique mitzunehmen.
00:20:17: Minerva sieht, wie sie ihren Vater abführen.
00:20:20: Sie weiß nicht wohin sie ihn bringen und ob er wieder kommen wird.
00:20:23: Minuten ziehen sich wie Stunden und Gedanken malen die schlimmsten Bilder.
00:20:29: Am Nachmittag des nächsten Tages tauchen die Männer erneut auf.
00:20:33: Ihren Vater haben sie nicht dabei, doch diesmal bringen sie den Befehl Minerva mitzunehmen.
00:20:38: Meine Tochter geht nicht allein, sagt Donja Chea und stellt sich schützend neben sie.
00:20:42: Das Menschen plötzlich verschwinden gehört zum grausamen Alltag in der Dominikanischen Republik.
00:20:47: Doch, dass es die Mira Balz nun auch trifft, hätten sie nie für möglich gehalten.
00:20:52: Minerva und ihre Mutter werden in ein Auto gesetzt, das sie zu einem Hotel bringt, das die Behörden zu einer Art bewachten Unterkunft umfunktioniert und für ihre Zwecke unter Kontrolle haben.
00:21:02: Dort erfahren sie, dass auch Enrique hier festgehalten wird.
00:21:05: Man bringt die beiden Frauen in ein Zimmer.
00:21:08: Der Tag vergeht, die Nacht auch.
00:21:10: Im Morgengrauen erscheinen Offiziere und holen Minerva ab.
00:21:14: In einem gefangenen Transporter wird sie zu einer Festung gebracht, wo regelmäßig Verhöre beginnen.
00:21:19: Warum sie Trujillo beleidigt habe, ob sie gegen ihn arbeiten und ob sie Kontakt zur Regime gegnern haben, wollen sie wissen.
00:21:28: Ob Trujillo wirklich glaubt, die Familie sei politisch aktiv und arbeite gegen ihn oder ob er sie einfach nur schikanieren will, weiß Minerva in dem Moment nicht.
00:21:37: Sie bleibt ruhig und antwortet überlegt.
00:21:39: Sie lässt sich nicht aus der Reserve locken.
00:21:42: Aber gerade diese gelassene Haltung scheint Ruchios Handlanger vor ihr noch mehr zu provozieren.
00:21:47: Am Abend bringt man sie zurück zu ihrer Mutter, am nächsten Morgen holen sie sie wieder.
00:21:52: Tag für Tag wiederholt sich derselbe Ablauf.
00:21:55: Das Hotel wird zum Käfig die Stunden verschwimmen.
00:21:59: Nach fast einer Woche werden Minerva und ihre Eltern schließlich gemeinsam abgeholt.
00:22:03: Ein Wagen bringt sie zum Nationalpalast, dem Zentrum der Macht.
00:22:07: Hier, in den prunkvollen Hallen, sollen sie vorsprechen.
00:22:11: vor dem Mann, der die Macht hätte, sie alle sofort ins Gefängnis zu stecken oder noch schlimmer.
00:22:16: Trujillo.
00:22:17: Auch er stellt Fragen nach der politischen Gesinnung der Familie, wie nervös Eltern beteuern, nichts mit Politik zu tun zu haben.
00:22:25: Sie schweigt währenddessen.
00:22:27: Dass sie den Mund aufgemacht hat, hat die Familie schließlich erst hierher geführt.
00:22:31: Was soll ich mit ihrer Tochter tun?
00:22:33: fragt Trujillo schließlich und sieht Donja Chea an, als gehöre Minerva ihm.
00:22:38: Ich bin verantwortlich für sie, ich nehme sie mit nach Hause, antwortet die Mutter ruhig, ennigt.
00:22:44: Danach dürfen die drei nach einer Woche Ungewissheit, ob Minerva jemals wieder freigelassen wird, endlich wieder nach Hause.
00:22:51: Doch ganz frei ist Minerva noch immer nicht, denn sie steht ab sofort unter einer Art Hausarrest.
00:22:57: Das ist keine richterliche Maßnahme, sondern eine persönliche Anordnung von Trujillo, die auch dafür sorgt, dass die Familie weiterhin überwacht wird.
00:23:06: Zurück zu Hause berichtet Vater Enrique von den Fragen, die man ihm gestellt hat.
00:23:11: Wenn er kein Gegner des Regimes sei, warum hingen in seinem Haus keine Schilder mit Aufschriften wie, in diesem Haus ist Trujillo der Chef, oder Gott und Trujillo, so wie es von seiner treuen Gefolgschaft zu erwarten wäre.
00:23:26: Minerva sieht ihrem Vater an, wie sehr ihn die Verhöre zugesetzt haben.
00:23:30: Und damit ist die Schikane noch nicht vorbei.
00:23:33: Ein paar Monate herrscht Ruhe, bis draußen plötzlich regelmäßig schwarze Autos der Regierung vorrollen und die Blicke der Mitarbeiter wachsam auf dem Grundstück der Mirabalsruhen.
00:23:43: In der nächsten Zeit werden Minerva und Enrique immer wieder zu verhören geladen, bei denen ihnen vermeintliche politische Aktivitäten vorgeworfen werden.
00:23:51: Minerva darf in der Regel nach Hause zurückkehren, während Vater Enrique immer wieder auf unbestimmte Zeit ins Gefängnis gebracht wird.
00:23:59: Die Einschüchterung zeigt Wirkung, vielleicht nicht bei Minerva, aber im Dorf.
00:24:04: Der Laden ihres Vaters bleibt leer, Nachbarn in Meiden, die Familie aus Angst selbst ins Visier zugeraten.
00:24:10: Schließlich muss Enrique das Geschäft zu machen.
00:24:13: Aus dem offenen Haus, das einst voller Leben war, wird ein stiller Ort hinter zugezogenen Gardinen.
00:24:19: Auch wenn ihre Familie Minerva keinen Vorwurf macht und hinter ihr steht, leidet sie unter dem, was ihre Äußerungen ausgelöst haben, besonders darunter, dass ihr Vater die Folgen tragen muss und es der Familie finanziell nun schlechter geht.
00:24:33: In Minerva wächst mit jeder weiteren Vorladung die Entschlossenheit.
00:24:37: Sie will nicht mehr in einem Land leben, in dem der Alltag von Angst bestimmt ist, in dem Menschen verschwinden, weil sie eine andere Meinung haben und Familien schweigen müssen, um zu überleben.
00:24:47: Und so wird aus dem Wunsch nach Gerechtigkeit langsam ein Entschluss sich zur Wehr zu setzen.
00:24:52: Sie will Jura studieren.
00:24:53: Schon seit Kindertagen spricht sie davon.
00:24:56: Ihre Familie ist nicht bereit, diesen Wunsch zu unterstützen.
00:25:00: Wer weiß, was ihnen dann blüht.
00:25:02: Aber Minerva ist längst klar, dass Schweigen und Stillhalten keine Option mehr sind.
00:25:08: Drei Jahre nach dem Ball, in der Hauptstadt, die Trujillo von Santo Domingo in Trujillo-Stadt umbelandt hat.
00:25:18: Zwischengesetzes Texten und Vorlesungen verfolgt sie ihr Ziel.
00:25:22: Wenn sie das Recht kennen, kann sie es eines Tages gegen jene verwenden, die es missbrauchen.
00:25:27: An der Uni ist sie mit diesem Wunsch nach Freiheit und Demokratie nicht allein.
00:25:31: Auch einige ihrer Kommilitoninnen glauben, dass Bildung der Schlüsse ist, um das System von innen heraus zu verändern.
00:25:37: Unter ihnen ist auch der zwanzigjährige Manolo.
00:25:41: Der junge Mann hat seine Schule mit Schwerpunktphilosophie und Literatur abgeschlossen und studiert nun Jura.
00:25:46: Er möchte Anwalt werden.
00:25:48: Minerva hat eigentlich keinen Kopf für Männer.
00:25:51: Donja Chea sagt immer, dass ihre Tochter einfach nicht interessiert ist an Männern, nur an Politik.
00:25:56: Aber bei Manolo ist es anders.
00:25:58: Bei ihm muss sie sich nicht entscheiden.
00:26:00: Aus gemeinsamen Gesprächen entsteht eine Nähe, die bald mehr ist als geteilte Überzeugung.
00:26:05: Doch schon bald soll sie sich hier an der Uni nicht mehr austauschen können.
00:26:10: Nach nur einem Jahr wird ihr die Fortsetzung des Studiums verweigert, ohne Begründung und das, obwohl sie zu den besten ihres Jahrgangs gehört.
00:26:18: Niemand außer ihr erhält so eine Nachricht.
00:26:20: Minerva ist klar, wer dahinter steckt.
00:26:22: Wochen lang kämpft sie gegen die Lehre, die dieser Schlag hinterlässt und sucht nach einem Weg ihr Studium fortzusetzen, bis ihr Folgendes von Kommiliton-Innen vorgeschlagen wird.
00:26:32: Ihre Heimatregion Umzaicedo wird zur Provinz erklärt und im Veranstaltungshaus der Stadt findet zu diesem Anlass eine Feier statt.
00:26:39: Wenn sie dort eine Rede zu ihren Tuchillos hält, könnte sie ihre Loyalität demonstrieren und den Diktator besänftigen.
00:26:47: Tatsächlich hat Trujillo gerade erst sein Präsidentschaftsamt abgegeben, diesmal an seinen Bruder.
00:26:54: Als Oberbefehlshaber des Militärs und Parteiführer hat Trujillo aber weiterhin die tatsächliche Macht.
00:27:00: Sein Bruder ist lediglich ein Marionettenpräsident, dessen Fäden Trujillo in der Hand hält.
00:27:05: Trujillo macht das, um international den Schein einer Demokratie zu warnen, denn im Ausland misstraut man ihn zunehmend.
00:27:12: Für die Dominikanerinnen ändert sich aber nichts.
00:27:14: Treue und Loyalität verlangt Trujillo nach wie vor von seinem Volk und reden über ihn, schmeicheln ihn besonders.
00:27:21: Aber allein der Gedanke diesen Mann öffentlich zu preisen, schnürt Minerva die Kehle zu.
00:27:27: Doch schließlich entscheidet sie sich dafür, wegen des Studiums aber auch, weil ihr Vater noch immer zu Verhörern gerufen und verhaftet wird.
00:27:35: Und so steht sie kurz darauf im Veranstaltungssaal ihres Heimatorts, von Nachbarinnen und Parteifunktionären und hält eine Lobeshymne auf Trujillo.
00:27:44: Manche unter ihnen mögen glauben, die letzten Jahre hätten sie endlich auf Spur gebracht.
00:27:48: Minerva aber schämt sich für jedes Wort, das sie ausspricht.
00:27:52: Tatsächlich erreicht sie kurz darauf ein Brief, in dem ihre Wiederaufnahme an der Uni bestätigt wird.
00:27:58: Für Trujillo scheint es ein Handel zu sein.
00:28:00: Gehorsamkeit gegen Gnade.
00:28:02: Doch auch wenn sie wieder studieren darf, ihr Vater muss weiterhin eine ODC über sich ergehen lassen.
00:28:09: Bei jedem Wiedersehen wirkt er kleiner und erschöpft auf Minerva.
00:28:13: Mehrfach erleidet er Schlaganfälle, bis er an einem Tag vier Jahre nach dem Ball nicht mehr aufwacht.
00:28:19: Offiziell heißt es, er sei krank gewesen.
00:28:21: Für Minerva aber steht fest, es waren die Schikanen und Demütigung des Regimes, die ihn gebrochen haben.
00:28:28: Nach dem Tod ihres Vaters zieht ihre Mutter Donja Chea in die ländliche Gegen Kunuku und Dede kehrt mit ihrer kleinen Familie ins Elternhaus zurück.
00:28:36: Minerva hilft ihrer Mutter, wo sie kann.
00:28:38: Sie richtet mit ein und kümmert sich um den Garten.
00:28:41: Minervas-Freund Manolo ist oft mit dabei.
00:28:44: Er ist der Mensch, der sie versteht, mit dem sie offen sprechen kann über das, was sie bewegt, über das, was in ihrem Land passiert und wie hilflos sie sich oft fühlt.
00:28:53: Er bestärkt sie darin weiterzumachen, auch dann, wenn sie spürt, wie nah Trujillos Macht ihr kommt.
00:28:59: Zwei Jahre nach dem Tod ihres Vaters heiraten die beiden und bekommen eine Tochter, die sie Minou nennen.
00:29:04: Das kleine Mädchen erweitert die Familie, doch bei jedem Treffen der Mirabals bleibt ein Platz leer, der ihres Vaters Die mahende Lücke lässt.
00:29:12: Minervas Forderungen nach Veränderungen immer lauter werden.
00:29:16: Sie erzählt ihren Schwestern von heimlichen Treffen mit Gleichgesunden an der Uni von Menschen, die sich im Untergrund gegen Trujillo stellen.
00:29:23: In ihren Blicken sieht sie Zweifel, aber auch Neugier.
00:29:26: Patria hatte bisher immer versucht, in ihrem Glauben Trost zu finden, doch das wird immer schwieriger.
00:29:31: Maria Teresa hat schon immer zu ihrer großen Schwester aufgeschaut und sie für ihre klare Haltung bewundert.
00:29:37: Nur Dede bleibt vorsichtig.
00:29:39: Die Familie hat ja bereits am eigenen Leib erfahren, was Trujillo alles tut, um Gegnerinnen kleinzukriegen.
00:29:46: Doch Minerva lässt sich nicht bremsen.
00:29:48: Sie weiß, dass Schweigen-Trochios stärkster verbündeter ist und sie will nicht länger Teil dieses Schweigens sein.
00:29:54: Erst recht nicht, nachdem sie in einer regimenahen Zeitung liest, dass man sie, Minerva, der Korruption beschuldigt.
00:30:01: Eine absurde Anschuldigung, die für Minerva vor allem eines heißt.
00:30:06: Trujillo wird sie womöglich nie entfrieden lassen.
00:30:09: Weil eine junge Frau vom Dorf ihn vor mittlerweile sechs Jahren zurückgewiesen hat, beschäftigt er sich noch immer damit, wie er sie diskreditieren kann.
00:30:18: Und ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich finde es ziemlich unverhältnismäßig.
00:30:22: Also da ist ein Diktator, der das ganze Land beherrscht und in Angst und Schrecken versetzt und dann kommt da eine junge Frau daher und das macht offenbar so viel mit seinem Ego, dass er nicht von ihr ablassen kann.
00:30:34: Und deswegen haben wir Politikwissenschaftler Prof.
00:30:37: Werz gefragt, wie es sein kann, dass so ein mächtiger Mann es so sehr auf eine Frau abgesehen hat.
00:30:43: Denken Sie, damals hatte die demokratische Politik wahrscheinlich drei Millionen Einwohner, vielleicht sogar weniger.
00:30:48: Heute hat sie zehn oder elf Millionen.
00:30:50: Und ich glaube, Druchio war so von sich selber eingenommen, dass er jemanden, der, wie es vor allen Dingen wohl, Minerte war, getan hat, ganz offensichtlich eine andere selbstständige Meinung hat als er.
00:31:03: Das erschien ihm zum einen unerträglich, aber auch wahrscheinlich für sich schwer erklärbar.
00:31:09: Denn er betrachtete ja dieses Land als seinen Privatbesitz und fuhr da auch herum in dieser Attitude.
00:31:16: Alles, was da war, gehörte ihn.
00:31:18: Und das erklärt vielleicht vor allen Dingen, nachdem sie dann gegenüber ihm, man kann jetzt was sagen, widerständiges Verhalten an den Tag legt.
00:31:27: Also seine Erwachsen abwert.
00:31:29: Das hat ihn möglicherweise noch stärker befügelt.
00:31:33: fühlte er sich in seiner männlichen Ehre, ich spekuliere jetzt, gekränkt und geht dieser Sache immer weiter nach.
00:31:41: Im Jahr nineteenhundert siebenundfünfzig, Minerva ist zwischen einunddreißig Jahre alt, erreicht sie einen besonderen Meinstein.
00:31:48: Nach Jahren des Studiums legt sie ihre Abschlussarbeit über das Prinzip der Nichtrückwirkung von Gesetzen in der dominikanischen Rechtsprechung vor.
00:31:56: Ein klares Bekenntnis zum Rechtsstaat.
00:31:59: Minerva gehörte den ersten Frauen des Landes, die ein Jurastudium abschließen.
00:32:03: Ein Erfolg, auf den sie stolz sein könnte, doch es gibt ein Problem.
00:32:07: Um als Anwältin zugelassen zu werden, muss sie Trujillo schriftlich ihre Treu schwören.
00:32:12: Und das lehnt sie ab.
00:32:14: Wie könnte sie das Gesetz im Namen eines Mannes verteidigen, der selbst keines achtet?
00:32:19: Trujillo erlässt Gesetze, die sein Regime stützen und bricht jene, die ihm im Weg stehen.
00:32:24: Die Verfassung, die Meinungsfreiheit, das Recht auf ein faires Verfahren.
00:32:29: Mit ihrer Unterschrift würde Minerva all das legitimieren und gegen alles handeln, woran sie glaubt.
00:32:35: Das Minerva Jura studiert ist in den Fünfzigerjahren in der Dominikanischen Republik zwar jetzt keine völlige Ausnahme mehr, aber noch immer eine seltenheit und ein direkter Bruch mit den gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen.
00:32:49: Historikerin Professorin Barbara Potthas, die zur Gendergeschichte in Lateinamerika forscht, beschreibt die Gesellschaft unter Truffillo So.
00:32:57: Jura zu studieren war da schon etwas anderes, denn sozusagen das war ein dezidiert männlicher Beruf, weil er ja auch über Gesetze erlassen politisch ist, aber auch, weil Richter ein öffentliches Amt ausüben und öffentliche Ämter stehen ja sozusagen eigentlich nur Männern zur Verfügung.
00:33:14: Die Dominikanische Republik ist dann doch eben eine sehr konservative Gesellschaft gewesen unter Thluchio.
00:33:20: Wir sehen, es geht vor allem um Geschlechterrollen und Mathismo, ein Begriff, der in ganz Lateinamerika eine große Rolle spielt.
00:33:26: Damit ist ein übersteigertes Männlichkeitsideal gemeint, also die Idee einer männlichen Überlegenheit.
00:33:32: Männer sehen sich darin als die Dominanten gegenüber den Frauen und Teil davon ist die Vorstellung, dass Männer Frauen beschützen müssen und das nur dann können, wenn sie sie vollständig kontrollieren.
00:33:44: Und genau dieses Ideal prägt auch das Leben in der dominikanischen Republik.
00:33:48: Damals aber auch noch.
00:33:50: Männer haben Macht und Öffentlichkeit und Frauen werden auf die Rolle als Mutter und Hausrau reduziert, hat uns die Expertin erklärt.
00:33:58: Das Regime hat sehr stark die alten Frauenrollen, die in dieser Zeit eigentlich schon langsam hinterfragt wurden, aufgegriffen, also die Frau als Mutter, die Frau als liebende Gattin und eben diese Vorstellung, die so ein bisschen komplementär zu dem Machismo ist, die Frau als der häusliche Engel, als eine sanftmütige Person.
00:34:20: Viele Frauen bleiben zu dieser Zeit in ihrem vorgesehenen Raum und suchen sich Berufe, die quasi als Verlängerung der Mutterrolle gelten, also beispielsweise Lehrerin.
00:34:29: Trujillo greift in seiner Regierungszeit also bewusst diese Rollenbilder auf, weil sie perfekt in sein patriarchales System passen.
00:34:37: Gleichzeitig aber, und das ist das Interessante, hat uns Professorin Barbara Potthas erklärt, gibt er sich als Modernisierer.
00:34:44: Er verleiht und Das würden manche jetzt nicht von ihm erwarten.
00:34:49: Frauen das Wahlrecht.
00:34:50: Und das hat er natürlich im Endeffekt auch gemacht, um sich so ein bisschen ein demokratisches Männzelchen umzuhängen.
00:34:58: Und auf der anderen Seite hat er erwartet natürlich, wenn ich jetzt den Frauen das Wahlrecht gebe, dann stimmen die natürlich für mich.
00:35:04: Und vor allen Dingen hat er auch sozusagen Dankbarkeit gegenüber dem Regime erwartet, dass diesen Frauen nun eine andere Position gegeben hat.
00:35:13: Und damit greift er wieder auf alte patriarchale Muster zurück.
00:35:16: Der Diktator als Beschützer und die Frau, die ihm gehorsam schuldet.
00:35:20: Und weil Minerva das nicht tut und ihm immer wieder zeigt, dass sie nicht Teil seines Systems ist, verweigert er ihr die Zulassung zur Ausübung ihres Berufs.
00:35:31: Es ist ein paar Tage nach Silvester, der sitzt Minerva mit ihrem Mann Manolo bei Freundinnen im Wohnzimmer.
00:35:38: Der Ball liegt mittlerweile zehn Jahre zurück und Minerva hat noch einen Sohn bekommen, Manolito.
00:35:43: Eigentlich wollte der Freundeskreis heute auf das neue Jahr anstoßen, doch da ist noch eine andere Nachricht, auf die es sich anstoßen lohnt.
00:35:51: Gerade erst haben die Revolutionäre auf der Nachbarin Silcuba ihren Diktator Fulhensio Batista gestürzt.
00:35:58: Minerva hat den Gesprächen zu, sieht die funkelnden Augen ihrer Freundinnen und in ihr wächst die Gewissheit, dass eine Veränderung möglich ist.
00:36:07: Wenn es dort gelungen ist, muss es doch auch hier klappen, sagt Minerva sich.
00:36:11: Sie träumen von einer unabhängigen Republik, von einem Leben, in dem Menschenrechte gelten und niemand mehr in Angst und ständiger Überwachung lebt.
00:36:19: Entschlossen fragt sie in die Runde, warum sie nicht in ihrem Land eine Bewegung gründen, die den Machthaber stürzt, wenn so viele Menschen längst gegen Trujillo sind.
00:36:29: Jeder solle sich verpflichten, sobald sie das Haus verlassen, Kontakte zu knüpfen, damit etwas Größeres entsteht.
00:36:35: Für einen Moment herrscht Stille.
00:36:37: Minerva sieht die erschrockenen Gesichter ihrer Freundinnen.
00:36:40: Zu gefährlich sei das, heißt es.
00:36:43: Minerva überhört die Warnung.
00:36:44: Ihr Wunsch, das System zu überwinden, verwandelt sich an diesem Abend in einem festen Entschluss.
00:36:50: Es ist, als würde ein Schmetterling seinen Kokon aufbrechen.
00:36:54: Eine Revolution, das weiß sie, als sie an diesem Abend mit Manolo nach Hause geht, ist unumgänglich.
00:36:59: Sie wird die Bevölkerung zum Widerstand bewegen.
00:37:03: Schon bald nutzt sie gemeinsam mit Manolo ein System, das auf absolute Diskretion setzt.
00:37:08: Informationen dürfen nur mündlich weitergegeben werden, größere Versammlungen sind verboten.
00:37:13: Jede und jeder soll sich nur mit zwei weiteren anderen zusammenschließen, kleine Zellen aus drei Personen bilden, damit niemand das gesamte Netz der Revolutionärinnen überblicken kann.
00:37:23: In den folgenden Monaten besucht Minerva ihre Schwestern, deren Ehemänner, Freundinnen und Bekannte, Menschen, denen sie vertrauen kann.
00:37:31: Wie ein Schmetterling, der nie lange an einem Ort bleibt, erscheint sie und verschwindet wieder.
00:37:36: Der Schmetterling wird zu ihrem Decknamen im Untergrund.
00:37:39: Zum Schutz ihrer Identität heißt es bald überall nur, der Schmetterling, also La Mariposa, sei zu Besuch gewesen.
00:37:46: Minerva sammelt Informationen über Vermisste und dokumentiert, was das Regime vertuschen will.
00:37:52: Sie verteilt im ganzen Land Flugblätter, klagt Trujillos Herrschaft an, berichtet über Folter, Zensur und die Gewalt der Geheimpolizei, die unschuldige schikaniert.
00:38:01: Damit legt sie den Grundstein für eine Bewegung, die bald Arbeiterinnen, Studierende, Lehrerinnen und Priester im ganzen Land vereint.
00:38:09: Bald schließen sich auch Minerva-Schwestern Patria und Maria Theresa an.
00:38:13: Aus Minerva, dem Schmetterling, werden die Schmetterlinge, Las Mariposas, ein kleiner, familiärer Schwarm.
00:38:21: Ein halbes Jahr später, im Juni, neunundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund.
00:38:37: Überall im Land spricht man über sie.
00:38:40: Unterstützt von Kubas revolutionärer Regierung wollen sie Trujillo stürzen.
00:38:45: Und einer der Landepunkte liegt nicht weit von Minervas und Manolos zu Hause entfernt.
00:38:50: Minerva betrachtet auf der Karte die Orte, an denen sie sie treffen könnte.
00:38:54: Ihr Plan ist, sich heimlich unter sie zu mischen.
00:38:57: Doch nur ein paar Tage später hört sie, wie im Radio gesagt wird, dass Trujillos Truppen sie umgebracht haben.
00:39:04: Als die Untergrundbewegung, die Minerva ins Leben gerufen hat, im Januar, ein Jahr alt wird, will sie ihr endlich eine feste Form geben.
00:39:13: Gemeinsam mit Manolo organisiert sie das erste offizielle Treffen, mit Tagesordnung und dem Ziel, ein Exekutiv-Komitee zu bilden.
00:39:21: Es entsteht das Programm der nationalen Befreiungsbewegung.
00:39:25: Entmachtung des Diktators, freie Wahlen, Agrarreform und eine neue Verfassung.
00:39:31: Auch Waffen wollen sie beschaffen, aber nur für den Fall der Fälle.
00:39:34: Manolo wird zum Präsidenten der Bewegung gewählt.
00:39:37: Minerva übernimmt kein Amt, doch alle wissen, dass sie die treibende Kraft ist.
00:39:41: Wir sind die Bewegung des vierzehnten Juni, sagt sie, in Erinnerung an jene Exildominikanerinnen, die im Vorjahr ihr Leben wiesen.
00:39:50: Und so entsteht die Bewegung des vierzehnten Juni.
00:39:53: Und was deren primäres Ziel war, hat uns Politikwissenschaftler Prof.
00:39:56: Werts erklärt.
00:39:58: Die Bewegung vom vierzehnten Juni stand unter dem Eindruck der kubanischen Revolution.
00:40:04: Deshalb ging es weniger um die Ermordung des Diktators in einer Art Kommando-Aktion, sondern um den Aufbau einer Bewegung zur Veränderung der Gesellschaft.
00:40:18: Feminär war ist der Name Schwur.
00:40:20: Was andere begonnen haben, werden sie vollenden.
00:40:24: Doch noch bevor sie ihren Plan in die Tat umsetzen können, weiß Trujillo längst Bescheid.
00:40:30: Trujillos ausgeklügeltes Netz aus Spitzeln hat sich längst unter die mehrere hundert Mitglieder von Minervas Bewegung gemischt.
00:40:38: Vor dem Mann, der schon misstrauisch wird, wenn sein Porträt in einem Wohnzimmer fehlt, kann nichts lange verborgen bleiben.
00:40:44: Und so führt die geheimen Polizei Sim einen nach dem anderen ab.
00:40:49: Ihr Ziel sind die Foltergefängnisse des Landes, auch um an noch mehr Namen zu kommen und die Bewegung komplett zu zerschlagen.
00:40:56: In verzweifelter Hoffnung, die Qual zu lindern, geben einige inhaftierte weitere Namenpreis.
00:41:01: Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis Las Mariposas entlarvt werden und die Jagd auf die Köpfe der Bewegung beginnt.
00:41:09: Drei Tage nach offizieller Gründung der nationalen Befreiungsbewegung wird Manolo von einem entfernten Familienmitglied in einen Hinterhalt gelockt.
00:41:16: Er ist der erste von Minervas Liebsten, der abgeführt wird.
00:41:20: Auf ihn folgen Maria Teresa, ihr Ehemann und genauso Patrias Ehemann.
00:41:24: Als Minerva davon erfährt, weiß sie, dass auch sie bald selbst an der Reihe ist.
00:41:28: Deswegen versteckt sie sich mit Tochter Minu im Haus ihrer Schwiegereltern und hofft, dass sie hier ein wenig Zeit gewinnt.
00:41:35: Manolito hat sie wie so oft bei ihrer älteren Schwester Dede gelassen.
00:41:39: Tage vergehen, an denen sie buchstäblich die Luft anhalten.
00:41:42: Dann durchdringen plötzlich ein festes Klopfen an der Tür die vorsichtige Stille der letzten Tage.
00:41:48: Kurz darauf stehen vor Minerva drei Männer, die nach ihr verlangen.
00:41:51: Sie spürt die kleinen Hände ihrer dreijährigen Tochter an ihren Beinen, die sich mit aller Kraft fest an sie klammert und unaufförlich weint.
00:41:59: Minerva nimmt sie auf den Arm, sagt, dass sie nur verreise und ihr ein Spielzeug mitbringen werde, wenn sie brav sei.
00:42:05: Minerva bittet ihre Schwiegermutter Minu von ihr wegzunehmen, jetzt sofort.
00:42:10: Ihr Anblick zerreißt sie und schwäche darf sie sich in diesem Moment nicht erlauben.
00:42:14: Minu ist ihre Schwachstelle.
00:42:17: Minerva wird abgeführt, während die Schreie ihrer Tochter nachhallen.
00:42:21: Schon beim Betreten der Zelle des Foltergefängnisses schlägt Minerva der Geruch von Blut und Schweiß entgegen.
00:42:27: Ob sie überhaupt jemals wieder Tageslicht sehen wird, weiß sie nicht, aber wenn, dann wird es eine lange Zeit dauern, bis es soweit ist.
00:42:34: Nachts beginnt dann der eigentliche Horror, die Befragung.
00:42:38: Immer wieder verlangen die Offiziere, die zu der engsten Gefolgschaft von Trujillo gehören, Namen, Informationen und Geständnisse.
00:42:45: Doch Minerva schweigt.
00:42:47: Sie kennt diese Prozedur noch von damals.
00:42:49: Sie weiß, obwohl sie Angst hat, dass Gelassenheit das ist, was die Männer am meisten provoziert.
00:42:55: Die Simmitarbeiter nennen sie kalt, eingebildet und unweitlich, weil sie keine Träne vergießt.
00:43:02: Die Verhöre wiederholen sich Nacht für Nacht, doch das Schlimmste beginnt erst danach, wenn die Männer die Zeltüren öffnen und die Frauen aus ihren Zellen holen.
00:43:11: Dann werden sie in einen Saal geführt, in dem schon ihre Männer und Freunde aus der Bewegung sind.
00:43:15: Aufgereicht stehen sie hilflos da.
00:43:18: Man zwingt, die Frauen zuzusehen, wie ihre Männer mit elektrischen Schlägen gefoltert werden.
00:43:22: Ihre Körper erzucken dabei unkontrolliert, ihre Muskeln verkrampfen und ihre Haut verbrennt.
00:43:28: Zim-Mitarbeiter drücken ihre Zigaretten auf den Arm der Männer aus.
00:43:32: Minerva bricht es das Herz, ihren Mann Manolo so zu sehen.
00:43:36: Bei der Sim weiß, dass er der offizielle Präsident der Bewegung ist, wird ihm noch schlimmer zugesetzt als den anderen.
00:43:43: Und natürlich, weil sie wissen, dass sie Minerva so am stärksten verletzen können.
00:43:47: Doch egal wie oft sie ihn schlagen oder mit Elektroschock foltern, Minerva bleibt still.
00:43:53: Nur in ihrem Inneren schreit alles.
00:43:55: Was sie in dem Moment nicht weiß, auch ihr Landschreit auf.
00:43:59: Die katholische Kirche, die bis dahin zu den wichtigsten Verbündeten Trujillos zählt, distanziert sich öffentlich von ihm.
00:44:07: Wenige Tage, nachdem Minerva abgeführt wurde, wird in den Kirchen des Landes ein Hirtenbrief verlesen.
00:44:12: Ein öffentlicher Aufruf der Beschöffe, direkt an die Bevölkerung gerichtet, der Misshandlungen anprangert und sich für Menschenrechte ausspricht.
00:44:20: Nach drei Wochen des Horrors dürfen Minerva und Maria Teresa das Gefängnis dann verlassen.
00:44:26: Wochen später lässt Trujillo gegen einige Mitglieder der Bewegung des vierzehnten Juni einen Prozess inszenieren, um den Anschein von Recht und Ordnung zu warnen.
00:44:35: Im Gerichtssaal sitzen Regime treue Richter, Offiziere des Geheimdienstes und Parteifunktionäre, die längst wissen, welches Urteil sie sprechen.
00:44:43: Minerva ist gemeinsam mit Familienmitgliedern, aber auch mit Unterstützerinnen der Bewegung gekommen.
00:44:48: Sie sieht Manolo, der zwischen den anderen auf der Anklagebank sitzt.
00:44:51: Sein Körper ist Bioledge vor Blut ergüssen, die Nägel ausgerissen, die Arme übersät mit Brandwunden.
00:44:58: Die Anklage lautet auf Gefährdung der Sicherheit des Staates und versuchten Umsturz.
00:45:03: einmal steht Minerva während des Prozesses auf und weist ruhig auf einen klaren Verfahrensfehler hin.
00:45:09: Ihr als Juristin ist klar, dass das hier kein fairer Prozess ist.
00:45:13: Für sie, die so lange an die Kraft des Rechts geglaubt hat, ist das hier eine bittere Fass.
00:45:18: All das, wofür sie studiert, gelernt und gekämpft hat, wird in diesem Saal mit Füßen getreten.
00:45:24: Doch der leitende Staatsanwalt befiehlt ihr, sich zu setzen.
00:45:27: Einsprüche sind nicht gestattet.
00:45:30: Das Urteil ist längst gefällt, mehrere Jahre Haft für alle Angeklagten.
00:45:34: Kurz darauf werden die Männer in ein offizielles Staatsgefängnis überstellt.
00:45:38: Ein Ort, der zwar nicht mehr das Foltergefängnis des Geheimdienstes ist, aber auch keine Freiheit bedeutet.
00:45:44: Minerva und Maria Teresa bleiben unter streng überwacht im Hausarrest.
00:45:48: Ab sofort lebt Minerva mit ihren Schwestern und Kindern im Haus von ihrer Mutter Donja Chea.
00:45:54: Der familiäre Bund wird so noch enger, bis zu dem Tag einige Wochen später, an dem Sim-Männer nicht mehr nur vor dem Haus patrouillieren, sondern mit einem erneuten Haftbefehl anklopfen.
00:46:05: Minerva und Maria Teresa werden wieder festgenommen und nun in dieselbe Haftanstalt gebracht, in der auch ihre Männer eingesperrt sind.
00:46:13: Auch ihnen blüht Trujillos Scheinprozess.
00:46:16: Von ihren Männern getrennt leben Minerva und Maria Teresa ab nun im Frauentrack des Gefängnisses.
00:46:21: Die beiden Schwestern dürfen sich eine Zelle teilen.
00:46:24: Sie haben zwar sonst nichts, aber wenigstens sich.
00:46:28: In den nächsten Monaten ist vor allem Hunger ihr ständiger Begleiter.
00:46:31: Beide hoffen, dass ihre Familie sie besuchen kommen darf, aber jeden Tag warten sie aufs Neue.
00:46:37: Minerva vermisst ihre Kinder Manolito und Minoo, aber sie weiß, dass ihre Schwestern gut auf sie acht geben.
00:46:43: Weil sie in Haft kein Papier bekommt, nimmt sie sich wann immer sie kann Dinge, auf denen Minerva schreiben kann, Zigarettenschachteln oder Essensverpackungen.
00:46:51: Dann handelt sie mit den Gefängnismitarbeitern, bietet ihnen Sachen an, die sie von ihren Schwestern ins Gefängnis geschickt bekommen hat, damit sie die beschriebenen Fetzen an Manolo nach Hause weitergeben.
00:47:02: So hat sie wenigstens etwas Kontakt zu ihrer Familie.
00:47:05: Während man ihn in Haft glauben machen will, dass die Bewegung zerschlagen wurde und der Aufstand zwecklos ist, zickert draußen langsam durch, was Trujillos Regime getan hat.
00:47:15: Nicht inhaftierte Mitglieder der Bewegung berichten der ausländischen Presse, dass viele von ihnen nur deshalb im Gefängnis sitzen und gefoltert werden, weil sie Flugblätter verteilt oder Namen von Verschwundenen gesammelt haben.
00:47:28: Diese Berichte verbreiten sich schnell und erreichen auf das Ausland.
00:47:32: Trujillo gerät so immer mehr in Erklärungsnot.
00:47:36: Im Sommer, wird außerdem bekannt, dass Trujillo hinter einem Attentatsversuch auf den venezolanischen Präsidenten Romulo Betancur steckt.
00:47:45: Der demokratisch gewählte Präsident hatte Trujillos Diktatur öffentlich verurteilt, ihn als Schande für den Kontinent bezeichnet und Exildominikaner innen unterstützt, die von Venezuela aus gegen ihn arbeiteten.
00:47:58: Trujillo ließ daraufhin in Venezuela ein Attentat auf Betancur ausüben.
00:48:03: Durch eine Autobombe wurden mehrere Menschen verletzt.
00:48:05: Betancur selbst erledt schwere Verbrennungen an Gesicht und Händen, überlebte aber.
00:48:11: Das Attentat sorgte international für Empörung.
00:48:14: Daraufhin verhängen mehrere Staaten Sanktionen.
00:48:17: Es gibt Waffenembargo, zahlreiche Länder brechen ihre diplomatischen Beziehungen zu Trujillos-Regime ab und die Dominikanische Republik wird international isoliert.
00:48:26: Trujillos-Bruder muss das Präsidentschaftsamt abtreten.
00:48:30: Nachfolger wird der aktuelle Vizepräsident, ein Mann, der seit Trujillos Machtantritt, neunzehntunhundertdreißig stets an seiner Seite rist.
00:48:38: In dieser Lage kann sich Trujillo keine weiteren Skan- Landale leisten, nach rund vier Monaten voller Demütigung in Haft, dass der die Frauen schließlich frei.
00:48:47: Es ist ein Zugeständnis an den wachsenden Druck der Weltöffentlichkeit, nicht aus Überzeugung.
00:48:52: Nach ihrer Freilassung kehren Minerva und Maria Teresa in das Haus ihrer Mutter Donja Chea in Conoco zurück, wo ihre Kinder Mino und Manolito bereits sehnsüchtig auf ihre Mama warten.
00:49:03: Sie sind auch viel zu klein, um zu verstehen, wie lange ihre Mutter weg war oder geschweige denn warum.
00:49:08: Aber jetzt haben sie sie endlich wieder.
00:49:11: Zwar ist Minerva nun wieder zu Hause, doch das Leben dort gleicht einem offenen Gefängnis.
00:49:16: Männer in schwarzen Autos fahren regelmäßig an ihrem Haus vorbei und beobachten sie.
00:49:21: Während sie selbst unter Hausarrest steht, sitzen Manolo und die Ehemänner ihrer Schwestern noch immer in Haft.
00:49:28: Immer wieder werden sie verlegt, von einem Gefängnis ins nächste, damit niemand weiß, wo sie sich befinden und ob sie überhaupt noch leben.
00:49:35: Minerva erinnert diese Zeit schmerzlich an damals, als Trujillos Männer langsam und spurlos das Leben aus ihrem Vater sogen.
00:49:44: Unter dem Aspekt wird sie fast krank vor Sorge um ihren Ehemann, denn bei ihm, das weiß sie, halten sie ja noch nicht mal offensichtliche Folter zurück.
00:49:52: Um ihre Angst zumindest etwas unter Kontrolle zu bringen, stürzt sie sich in die Gartenarbeit, griebt Bete und pflanzt neue Blumen.
00:50:00: Doch Ruhe findet sie nicht, wie auch wenn sie nicht weiß, ob die Liebe ihres Lebens überhaupt noch am Leben ist und wenn Trujillo mittlerweile nicht mal mehr einen Hehl daraus macht, das er ihre Familie als Gegner ansieht.
00:50:11: Öffentlich bekundet er nämlich, dass er nur zwei politische Probleme habe, die katholische Kirche und die Familie Mirabal.
00:50:20: Am vierentzwanzigsten November, drei Monate nach ihrer Freilassung, ist die Vorfreude bei der inzwischen thirty- vierjährigen Minerva groß.
00:50:29: Über Mundpropaganda hat Minerva mitbekommen, in welchem Gefängnis Manolo aktuell gemeinsam mit dem Ehemann von Maria Teresa untergebracht ist.
00:50:37: In Puerto Plata, einer Hafenstadt ganz im Norden der Insel.
00:50:41: Und morgen wollen die beiden Schwestern ihre Ehemänner endlich besuchen.
00:50:45: Seit mittlerweile fast einem Jahr verbringt Manolo sein Leben nur noch hinter Gefängnismauern.
00:50:49: Und obwohl sie ihn seitdem nicht das erste Mal sieht, ist Minervas Vorfreude riesig.
00:50:54: Weil auch Patria, die beiden begleiten will, haben sie sich heute bereits alle im Haus ihrer Mutter Donja Chea versammelt, damit die drei Schmetterlinge am nächsten Morgen gemeinsam aufbrechen können.
00:51:05: Ganz zum Unmut von Schwester DD.
00:51:08: Sie legt ihr immer wieder in den Ohren, dass sie nicht versteht, warum die Dreißig immer wieder der Gefahr aussetzen, ihre Männer in den Gefängnissen zu besuchen.
00:51:16: Seitdem Trujillo sogar öffentlich gesagt hat, dass ihre Familie für ihn ein Problem darstellt, klammer auf, das ist zu beseitigen gilt, klammer zu, hört sie immer wieder Warnungen von Mitgliedern der Bewegung, dass Manolo extra nach Puerto Plata verlegt wurde, weil der Geheimdienst Minerva dort eine Falle stellen will.
00:51:34: DD ist außer sich vor Sorge.
00:51:36: Doch Minerva winkt ab.
00:51:38: Sie reißt ja nicht allein.
00:51:39: Trujillo wird wohl kaum sie und alle, die mit ihr unterwegs sind, töten lassen.
00:51:44: Während DD kaum einen klaren Gedanken fassen kann, sitzt Minerva ruhig an der Nähmaschine.
00:51:49: Ihr Fuß tritt auf das Pedal.
00:51:51: Vor ihr liegen Garnet in blau, weiß und rot, den Farben der dominikanischen Flagge.
00:51:56: Sie näht Blusen für den Tag, an dem Trujillo endlich gestürzt wird.
00:52:01: Am nächsten Morgen, den XXV.
00:52:03: November, kurz nach Acht, verlassen Minerva, Patria und Maria Teresa das Haus ihrer Mutter.
00:52:09: Rufino, ein Freund der Familie, hat sich bereit erklärt, sie zu fahren.
00:52:13: Sein Schwarzer Toyota ist gut geeignet für die schmalen, holprigen Bergstraßen, die zum Gefängnis führen.
00:52:19: Vor ihnen liegt eine dreieinhalb- stündige Autofahrt in die Hafenstadt.
00:52:23: Ihr erster Halt ist wie vorgeschrieben das Büro der Sim, wo sie ihre Reise anmelden müssen.
00:52:27: Gegen vierzehn Uhr erreichen sie das Gefängnis, die Festung von Puerto Plata.
00:52:32: Ihre Männer warten bereits auf sie.
00:52:34: Minerva freut sich so, als sie Manolo sieht.
00:52:36: Doch bei jedem Besuch erkennt sie deutlich, wie Sel ihn die Haft zeichnet.
00:52:41: Sein Körper ist schmaler geworden, die Spuren der Folter nicht zu übersehen.
00:52:45: Der Gedanke, ihn eines Tages nicht mehr lebend anzutreffen, begleitet sie jedes Mal auf diesem Weg.
00:52:50: Trotzdem will sie jetzt nur eines, die kurze Zeit mit ihm auskosten.
00:52:54: Also erzählt sie von den Kindern, von den kleinen Dingen des Alltags, von dem, was Hoffnung macht.
00:52:59: Und sie sagt, dass sie ihn jetzt öfter besuchen kommen will.
00:53:02: Die beiden schmieden Pläne darüber, wie ihre Zukunft aussehen soll, wenn man nur nur endlich wieder draußen ist.
00:53:08: Es sind Momente, die sie vergessen lassen sollen, wo sie sind.
00:53:12: Doch bevor die Zeit verstrichen ist, erscheint ein Gefängnismitarbeiter und beendet das Treffen.
00:53:17: Minerva protestiert, sie hat den ganzen weiten Weg auf sich genommen, doch ihre Worte verhalten.
00:53:22: Sie gibt Manolo noch ein paar Worte der Zuversicht mit.
00:53:25: Sie weiß, dass es eine Hoffnung ist, irgendwann wieder mit seiner Familie vereint sein zu können, die Ihnen das alles hier durchstehen lässt.
00:53:33: Wieder will ich, aber dankbar, Ihre Männer gesehen zu haben, verlassen die drei Frauen die Festung.
00:53:38: Auf dem Rückweg fahren sie durch die Berge vorbei an Mangebäumen.
00:53:42: Rechts und links ziehen kleine, bundgestrichene Holzhäuser vorbei.
00:53:45: Minerva blickt hinaus, ohne zu wissen, dass sie die Pläne über die gemeinsame Zukunft nie in die Tat umsetzen können wird.
00:53:54: In dieser Nacht findet D.D.
00:53:55: keinen Schlaf.
00:53:56: Nachdem sie ihre Schwestern verabschiedet hat und wieder zu sich nach Hause ist, hat das ungute Gefühl, sie den ganzen Tag schon nicht losgelassen.
00:54:03: Als einzige Schwestern, die nicht mitgefahren ist, hat sie die ganze Zeit darüber nachgedacht, dass es sicher keine gute Idee war, ins Gefängnis zu fahren.
00:54:11: In der Dunkelheit kreisen ihre Gedanken unaufförlich.
00:54:14: Immer wieder sieht sie dasselbe Bild vor sich.
00:54:16: Die Körper ihrer Schwestern von Klippen ins Meer gestoßen, so wie es schon vielen ergangen ist, die sich Trujillo widersetzt haben.
00:54:25: Als der Morgen graut, ist Dede längst wach.
00:54:27: Dann hört sie Hufgetrappel vor der Tür, ein Bote, den ihre Mutter mit einem Esel geschickt hat.
00:54:34: Anderes Land, andere Zeit der.
00:54:36: Der Bote hat eine Nachricht für sie.
00:54:38: Ihre Schwestern sind gestern nicht zurückgekommen.
00:54:41: In Dede bricht Panik aus.
00:54:43: Er hat sie umgebracht, schreit sie auf.
00:54:45: Sie wusste es, sie hat es die ganze Zeit gewusst.
00:54:48: Sie reißt ihren Mann aus dem Schlaf, drängt ihn sofort mit ihr zum Haus der Mutter zu fahren.
00:54:52: Dort stehen schon Polizisten, reden leise auf ihre Mutter ein.
00:54:57: Ein einziger Blick von ihr genügt und D.D.
00:54:59: weiß, dass das, wovor sie sich gefüchtet hat, Wirklichkeit geworden ist.
00:55:03: Die Männer reden von einem Unfall, von einem Wagen, der von der Straße abgekommen sei und fordern D.D.
00:55:09: und Donja Chea auf zum Revier zu kommen.
00:55:11: Doch D.D.
00:55:12: weiß sofort, Das kann nicht stimmen.
00:55:14: Ihre Schwestern hatten definitiv keinen Unfall.
00:55:17: Wie betäubt steigt sie ins Auto, der Weg zur Polizei erscheint kein Ende zu nehmen.
00:55:22: Um der Stille zu entkommen, redet sie unaufförlich, als könne sie mit Worten verhindern, was längst geschehen ist.
00:55:28: Auf dem Revier wartet ein Schreiben auf sie.
00:55:30: Wissen, dass ihre Welt in den nächsten Sekunden zusammenbrechen wird, ließ Dede laut vor.
00:55:36: Patria Mirabal, Maria Theresa Mirabal, Rufinod de la Cruz und eine weitere, nicht identifizierte Frau starben bei einem Unfall.
00:55:44: Wie nervös Name fehlt.
00:55:46: Dede denkt in dem Moment, dass sie es nicht gewagt haben, ihn aufzuschreiben.
00:55:50: Sie bricht zusammen.
00:55:51: Ein Unfall, ja sicher, ein Unfall, bei dem zufällig alle drei Schmetterlinge ums Leben kam.
00:55:56: DD ist überzeugt, dass das eine Lüge ist.
00:55:58: Seit Jahren ist ihre Familie Trujillo ein Dorn im Auge.
00:56:02: Tränen brennt hinter ihren Liedern, während sie rausrennt und Mörder schreit.
00:56:06: Immer wieder, so laut sie kann.
00:56:08: Dann läuft sie weiter weg vom Polizeirevier.
00:56:11: Ihre Stimme halt durch die Straßen, an Häusern vorbei, an Menschen, die stehen bleiben.
00:56:15: Fast als würde DD's Schmerz in dem Moment das ganze Dorf erschüttern.
00:56:20: Etwa später an diesem Tag findet sich DD in einem Szenario wieder, das ihren schlimmsten Albträum entsprungen sein könnte.
00:56:27: Gemeinsam mit ihrem Mann ist sie ins Krankenhaus gefahren.
00:56:30: Hier sollen die Leichen ihrer Schwestern aufgebahnt sein.
00:56:34: Erst nach quälend langen Formalitäten und dem Ausfüllen von Formularen sind sie endlich freigegeben.
00:56:39: Drei schlaffe Körper, gehüllt in blutgetränkte Kleider.
00:56:43: Patria, ihre große Schwester, die sie früher immer mit zu Partys genommen hat, obwohl Dede das eigentlich noch gar nicht durfte und mit der sie es geliebt hat, die ganze Nacht durchzutanzen.
00:56:53: Maria Teresa, ihr Nest-Häkchen, dem sie als Kind immer zwei Zöpfe geflochten hat und die mit gerade einmal fünfzehn Jahre noch ihr ganzes Leben vor sich hatte.
00:57:01: Dede wird nie wieder sehen, wie sie neugierig umherläuft und alles, was sie erfuhre, in ihrem Tagebuch aufschreibt.
00:57:08: Und natürlich, Minerva, die angeblich nicht identifizierte Person.
00:57:13: Der Anblick lässt keine Zweifel übrig.
00:57:15: Es war kein Autorenfall.
00:57:17: Die Schäde sind zertrümmert, die Hälse gezeichnet von Würgespuren und Blutergüssen.
00:57:21: Dede weiß genau, was geschehen ist.
00:57:24: Trujillo hat sie zum Schweigen gebracht.
00:57:26: Die Schmetterlinge, deren Flügelschlag eine ganze Nation hätte aufrütteln können, hat er vernichten lassen.
00:57:32: Als sie gegen elf Uhr am Morgen mit den Leichen, die sie auf zwei Wagen verteilt haben, das Haus ihrer Mutter Donja Chea erreichen, wartet bereits eine Traube von Menschen.
00:57:41: Freundinnen, Verwandte, Nachbarinnen, Menschen aus umliegenden Dörfern, die von der Nachricht erfahren haben und auf die Ankunft der toten Schwestern warten.
00:57:50: DD steckt aus dem Auto und schreit los.
00:57:52: Zerselo, hier sind deine Töchter.
00:57:54: Sie sind für die Freiheit deines Volkes gestorben.
00:57:58: In der Menge erkennt sie einen Mann, den seine Verzweiflung fast aufzufressen droht.
00:58:02: Anke Rossé.
00:58:03: Minervas Vorbild.
00:58:04: Der Mann, der sie gelehrt hat, was Freiheit und Gerechtigkeit eigentlich ist.
00:58:08: Der Mann, der ihr auf all die Fragen, die sie als Kind hatte, Antworten gegeben hat.
00:58:13: Dede geht zu ihm, klemmert sich an ihn fest.
00:58:15: Die Särge werden ins Wohnzimmer des Hauses gebracht, mit gebrochenem Herzen, stellt Dede Portrées von Minerva, Maria Theresa und Patria auf die Särge.
00:58:24: Doch dann überkommt sie ein Impuls.
00:58:26: Sie nimmt das Bild von Maria Theresa wieder runter, öffnet den Sarg und beugt sich über sie.
00:58:31: Mit zitternden Fingern setzt sie die Schere an einen geflochtenen Zopf ihrer Schwester.
00:58:36: All die Jahre ihrer Kindheit hat sie dieses Haar geflochten, Strähne für Strähne.
00:58:40: Sie will sich wenigstens etwas von ihrer kleinen Schwester bewahren.
00:58:44: Die Tage nach der Beerdigung verschwimmen für DD.
00:58:47: Die thirty-fünf-Jährige ist kaum, findet keinen Schlaf und sitzt stundenlang im Schaugestuhl, den Blick ins Leere gerichtet.
00:58:54: Der Tod ihrer Schwestern hat ihr die Sprache genommen.
00:58:56: Vor dem Haus hat sich nichts geändert.
00:58:58: Noch immer kreisen schwarze Autos um das Grundstück.
00:59:01: Und doch ist in DD etwas anders.
00:59:03: Die Angst ist verschwunden.
00:59:05: Denn DD ist sich sicher, wenn sie sie jetzt auch noch töten, wäre das der letzte Beweis, dass es kein Unfall, sondern Vergeltung war.
00:59:12: Und das würde die Regierung wegen der eh schon angespannten Lage im Land nicht wagen.
00:59:17: Und wenn doch, dann wüsste nun wirklich jeder, was Sache ist.
00:59:22: Eines Tages klopft es an der Tür.
00:59:24: Zwei Regierungsvertreter stehen davor, sie halten ein Dokument in der Hand.
00:59:27: Donia Chea soll bestätigen, dass der Tod ihrer Töchter ein Autounfall war.
00:59:31: Und die Gerüchte, die im ganzen Land im Umlauf sind, dass die Regierung möglicherweise daran beteiligt war, falsch seien.
00:59:38: Dede kann nicht fassen, was sie da hört.
00:59:40: Inmitten ihrer Trauer wagen sie es, ihre Familie unter Druck zu setzen.
00:59:44: Sie weigert sich, protestiert lautstark, bis einer der Männer sie in einen anderen Raum führt.
00:59:49: Ihre Mutter, erschöpft von all den Verlusten, hat keine Kraft mehr, sich zu wehren.
00:59:54: Dede weiß in dem Moment, dass ihre Mutter schon zu viel erlitten hat.
00:59:57: Sie hat ihren Mann verloren, der an den Verhörern zerbrochen ist und drei ihrer Kinder.
01:00:02: Sie hat keine Kraft mehr, sich dem Regime zu widersetzen.
01:00:06: Ein paar Tage später hält DD eine Zeitung in den Händen.
01:00:09: Schwarz auf Weiß liest sie, dass die Witwe von Herrn Enrique Mirabal in guter Gesundheit sei und ihre Töchter bei einem tragischen Auto- und Firmesleben gekommen seien.
01:00:18: DD liest es immer wieder, fassungslos darüber, wie mühelos das Regime die Wahrheit auslöscht.
01:00:24: Internationale Agenturen übernehmen die Meldungen, Zeitungen auf der ganzen Welt drücken diese Lüge.
01:00:29: Und weiter heißt es, dass Donya Chea, jene verurteilen würde, die etwas anderes behaupten.
01:00:35: Jonja Chea weiß genau, wer ihre Töchter getötet hat und jedes Wort in dieser Zeitung trifft sie wie ein Stich.
01:00:40: Sie weint ununterbrochen über die Unverschämtheit, mit der Trujillosleute selbst den Tod ihrer Kinder instrumentalisieren.
01:00:48: Doch diesmal ist etwas anders im Land.
01:00:51: Der Tod der Schwestern, die für Mut, Gerechtigkeit und Hoffnung standen, hat selbst die letzten Zweifelnden aufgerüttelt.
01:00:57: Sie waren zu Symbolfiguren im ganzen Land geworden.
01:01:00: Frauen, die gezeigt hatten, dass Widerstand möglich ist.
01:01:03: Ihr Tod lässt die Angst vieler Menschen in Wut und Entschlossenheit umschlagen.
01:01:07: Im Land breitet sich eine Welle der Solidarität mit den Mirabals aus.
01:01:11: DD spürt, dass sie mit ihrer Trauer nicht mehr alleine ist.
01:01:14: In den Straßen hängen Gedichte über die Schmetterlinge, unter Türen werden kleine Zettel mit Botschaften des Protests geschoben.
01:01:21: Menschen schließen sich zu Telefonketten zusammen, um die Nachricht zu verbreiten, sich den Feiern zu verweigern, die Trujillo in jedem Viertel erzwingen will.
01:01:29: Das Land, für das Minerva, Patria und Maria Teresa gekämpft haben, erhebt sich jetzt für sie.
01:01:34: Drei Menschen erreichen diese Nachrichten nicht.
01:01:37: Die Ehemänner von Minerva, Patria und Maria Teresa.
01:01:41: Sie können nicht aufstehen für ihre Ehefrauen, konnten sich nicht verabschieden.
01:01:45: Sie wissen nicht einmal, was passiert ist.
01:01:48: Journalistinnen berichten über ein Regime, dass von der eigenen Bevölkerung beschuldigt wird, drei unbewaffnete Frauen getötet zu haben.
01:01:55: Der Grund dafür, dass es hier diesmal anders ist und die Menschen nicht mehr wegsehen, weil angebliche Autounfälle oder Suizide,
01:02:04: etc.,
01:02:05: da gab es ja schon viele in der Vergangenheit, ist nicht nur die Erkenntnis, dass Trujillo jetzt auch Frauen töten lässt, sondern auch welche, hat uns Politikwissenschaftler Professor Weitz erzählt.
01:02:15: Die Leute sagen dann, der ermordet jetzt sogar Frauen.
01:02:19: Und darüber hinaus Frauen, die damals ... Zumindest in den oberen und mittleren Schichten.
01:02:24: Sie hatten ja einen elite Gymnasium, eine katholische Schule besucht.
01:02:29: Da war das allgemein bekannt und das hat der Oppositionsbewegung starken Auftrieb gegeben.
01:02:35: Vorher hat es also vor allem Männer getroffen, Arbeiter, Bauern oder einfach Parteigänger, die sich kritisch geäußert haben.
01:02:41: Aber die Miraballschwestern kommen aus der oberen Mittelschicht.
01:02:44: Die sind gebildet, gläubig, mütter.
01:02:46: Also sie verkörpern genau das, was in der dominikanischen Gesellschaft als tugendhaft gilt.
01:02:51: Und dass selbst sie ermordet werden, obwohl die Widerstandsbewegung weder Gewalt eingesetzt hat, noch irgendwas anderes Radikales gemacht hat, zeigt jetzt allen im Land, dass unter Trujillo niemand mehr sicher ist.
01:03:04: Die dominikanische Republik und Trujillos Politik rücken weiter in den Fokus der Weltöffentlichkeit.
01:03:09: Trujillo aber meint offenbar, der Lage noch immer herwerden zu können und reagiert auf die Unruhen in seinem Land mit noch mehr Verhaftungen.
01:03:17: Davon auf die Straßen zu gehen und zu protestieren, hält das aber niemanden mehr ab.
01:03:21: DD wünscht sich so sehr, wie Nerva könnte sehen, was hier passiert.
01:03:26: Es macht sie fertig, ihre leuchtenden Augen jetzt nicht strahlen sehen zu können.
01:03:30: Sie wünscht sich Minerva könnte erleben, dass ihre Haltung weit über die eigene Bewegung hinausgewachsen ist und nun ein ganzes Land in Bewegung setzt.
01:03:40: Es ist der dreißigste Mai, nineteenhundertsechzig, kurz nach zwanzwanzig Uhr, als Trujillo auf der Rückbank seines blauen Chevrolet sitzt.
01:03:49: Ein halbes Jahr ist vergangen, seit Minerva, Maria Theresa und Patria tot sind.
01:03:53: Trujillo hat sich längst an die Ausschreitungen im Land gewöhnt.
01:03:57: Die Unruhen halten ihn nicht davon ab, weiterhin Präsenz zu zeigen.
01:04:00: In den letzten sechs Monaten hat er vor allem auffällig häufig und dann gekündigt die Region besucht, in der er auch Salcedo liegt.
01:04:06: Natürlich, um dort Kontrolle zu demonstrieren und Angst aufrechtzuerhalten.
01:04:11: Heute Abend lässt sich der neunundsechzigjährige von seinem Schuffeur aber nach Zahn-Kristobal zu seinem Anwesen fahren, wo ihn bereits seine zwanzigjährige Geliebte erwartet.
01:04:20: Sie fahren unbehellig die Landstraße entlang, als aus der Dunkelheit plötzlich Scheinwerfer aufflammen.
01:04:26: Mehrere Autos tauchen auf und nähern sich dem Chefrolet.
01:04:30: Im nächsten Moment zerreißt ein Kugelhagel die Nacht.
01:04:32: Das Autor des Diktators wird beschossen.
01:04:35: Torio wird mehrfach getroffen und sinkt in seinen Sitz.
01:04:38: Sein Schufeur versucht zu reagieren, greift nach seiner Waffe, aber wird auch getroffen.
01:04:43: Schwer verletzt bleibt er im Steuer zurück, während die Männer, die sie erwartet haben, aus der Dunkelheit treten.
01:04:48: Sie ziehen den leblosen Körper des Diktators aus dem Wagen und laden ihn in den Kofferraum.
01:04:54: Die Nachricht über Truchius Tod verbreitet sich wie ein Lauffeuer.
01:04:58: Offiziell zeigt das Land trauer, doch hinter verschlossenen Türen atmen die Menschen auf.
01:05:03: Manche würden am liebsten laut feiern, weil sie in dem Anschlag eine Vergeltung sehen für das, was den Reichmetterlingen angetan wurde.
01:05:09: Doch auch Sorge schwingt mit.
01:05:11: Denn wenn ein Regime seinen Kopf verliert, entsteht ein Vakuum und niemand weiß, womit es sich füllen wird.
01:05:17: Der Tod eines Diktators kann Befreiung bedeuten, aber auch, dass noch Schlimmeres kommt.
01:05:22: Trujillo, so ein Rampfies, übernimmt die Kontrolle im Land und will Rache an den Mördern seines Vaters nehmen.
01:05:29: Als die Familie Mirabal erfährt, dass er Käfe tot ist, kann Dede nicht anders als sich zu freuen.
01:05:34: In ihr mischen sich Erleichterung und eine bittere Genugtuung.
01:05:38: Der Mann, der ihre Schwestern hat ermorden lassen, der ihre Mutter in Trauer und sie selbst in ständige Angst gestützt hat, lebt nicht mehr.
01:05:45: Doch Dede überschattet ein Gefühl.
01:05:47: Sie erträgt nicht, dass sie diesen Moment nicht mit ihren Schwestern gemeinsam feiern kann.
01:05:52: Der Preis, den ihre Familie dafür bezahlen musste, ist viel zu hoch.
01:05:55: Und doch ist sie stolz auf das Erbe ihrer Schwestern, die für ihr Land sterben mussten.
01:06:00: DD kümmert sich um Minou und Manolito, die inzwischen vier und zwei Jahre alt sind, die vier Kinder der anderen beiden Schwestern sowie ihre eigenen drei.
01:06:08: Es bricht ihr das Herz, sie ohne Mütter und Väter aufwachsen zu sehen.
01:06:12: Weil D.D.
01:06:12: seit Monaten kein Lebenszeichen von den Ehemännern ihrer Schwestern bekommen hat, vermutet sie, dass sie sicherlich auch umgebracht wurden und womöglich nie vom Tod ihrer Frauen erfahren haben.
01:06:23: Während das Land zwischen Erleichterung und Angst schwankt, hat der Geheimdienst Zim seine Fahndung nach Trujillos Mördern längst begonnen.
01:06:30: Und es dauert nur ein paar Stunden, bis sie das Autosamt Leiche in der Garage eines hohen Militärchefs finden, einem einstigen Vertrauten von Trujillo.
01:06:41: Ja, und das hier ist ein ganz spannender Punkt, denn die Männer, die das Attentat verübt haben, waren keine Mitglieder der Bewegung des vierzehnten Juni, das war ja eh keine gewaltsame Befreiungsbewegung, sondern es waren Männer, die mal mit Trujillo in Verbindung standen, hat uns Experte Prof.
01:06:56: Nikolaus Weerz erklärt.
01:06:58: Der Aufstand gegen Trujillo basierte nicht zuletzt aus Menschen, die von ihm gedemütigt und zurückgesetzt worden waren.
01:07:09: So wie seine Herrschaft personalistisch war, so war auch der Widerstand gegen ihn sehr stark von Personen orientiert.
01:07:17: Es ging dabei also nicht primär darum, Recht, Freiheit und Demokratie durchzusetzen oder um einen Racherakt wegen der Miraballschwestern, sondern um die persönliche Racher der Männer.
01:07:26: Wenige Tage nach dem Anschlag spürt der Geheimdienst FIM alle Beteiligten auf.
01:07:31: Bis zu sechzehn Männer sollen insgesamt an der Aktion beteiligt, sieben beim Attentat selbst dabei gewesen sein.
01:07:37: Von denen gelang es nur einem, sich zu verstecken und der Hinrichtung zu entziehen.
01:07:41: Die anderen wurden entweder sofort erschossen oder erst gefangen genommen, verhört, brutal gefoltert und danach als Warnung öffentlich hingerichtet.
01:07:48: Trochios Sohn Ramfis, so heißt es, veranstaltet damals einen sadistischen Wettstreit unter den Offizieren.
01:07:55: Wer zuerst durch Gewalt ein Geständnis erpresst, bekommt Geld oder Alkohol.
01:07:59: Auch die Familien der Beteiligten lässt er festnehmen, foltern und dann verschwinden.
01:08:04: Damit setzt er ein Zeichen.
01:08:06: Es wird keinen Bruch mit dem alten System geben.
01:08:09: Zur selben Zeit trifft eine Delegation der Organisationen amerikanischer Staaten in der Dominikanischen Republik ein, die genau da einschreiten will und verlangt sofortigen Zugang zu politischen Gefangenen.
01:08:20: Und darunter sind auch Minervasman Manolo und die beiden Ehemänner von Patria und Maria Teresa, die noch am Leben sind und von all dem nichts mitbekommen haben.
01:08:29: Kurz nach dem XXV.
01:08:31: November legte man ihnen im Gefängnis eine Zeitung vor, in der stand ihre Frauensein bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
01:08:38: Bis zuletzt hofften sie, dass der Tod ihrer Frauen eine Lüge war und nur ein weiterer Versuch, sie zu brechen.
01:08:44: Als sie schließlich nur einen Monat nach Trujillo's Tod unter dem öffentlichen Druck freigelassen werden, bestätigt sich ihre schlimmste Angst.
01:08:51: Der Abschied, an jenem Nachmittag des XXV November, war für immer.
01:08:55: Dede, Donja Chea und die Kinder warten zu Hause.
01:08:58: Die Ehemänner ihrer Schwestern, und deren Schmerz zu sehen, bedeutet auch für Dede noch einmal alles zu durchleben.
01:09:04: Manolo weint unaufföllig und hält seine vierjährige Tochter ganz fest im Arm.
01:09:09: In den Tagen danach sitzt er oft mit Minou auf dem Schoß draußen auf der kleinen Veranda im Hinterhof.
01:09:15: Das kleine Mädchen streicht ihm sanft über die Brandnaben auf seinen Arm, während er ihr von ihrer Mama Minerva und seiner Zeit im Gefängnis erzählt.
01:09:23: Ramfis Plan, genau da weiterzumachen, wo sein Vater aufgehört hat, geht nicht auf, denn das alte System funktioniert nicht ohne Trujillo.
01:09:31: Er war das Zentrum, um das sich alles drehte.
01:09:33: Militär, Polizei, Wirtschaft, Außenpolitik und selbst die Kirche.
01:09:38: Niemand im Land traf eine Entscheidung, ohne dass sie über sein Tisch ging.
01:09:41: Nach seinem Tod bricht dieses ganze Gefüge zusammen.
01:09:45: Ramfis fehlt es an Autorität, Erfahrung und Rückhalt.
01:09:48: Nicht einmal ein halbes Jahr nach dem Attentat auf seinen Vater verlässt er das Land und geht ins Exil.
01:09:54: Aber jetzt übernimmt wieder der eigentliche Präsident.
01:09:57: Doch auch er hat keine Zukunft, denn sein Name ist zu eng mit dem alten Regime verknüpft und das Misstrauen der Bevölkerung zu tief.
01:10:03: Schließlich folgt eine Übergangsphase.
01:10:06: Eine zivile Regierung führt das Land langsam in Richtung freier Wahlen.
01:10:10: Und die Dominikanische Republik beginnt, über ihre Vergangenheit zu sprechen.
01:10:14: Nach mehr als dreißig Jahren Diktatur wag das Land die ersten vorsichtigen Schritte Richtung Gerechtigkeit.
01:10:19: Und einer davon saw ein Prozess gegen die Mitglieder der Geheimpolizei Simsain, die den Mord an Minerva, Maria Teresa, Patria und Rufino begangen haben.
01:10:28: Eine Untersuchungskommission hatte zuvor festgestellt, dass Trujillo selbst den Befehl zu ihrer Ermordung gegeben hatte.
01:10:34: Als im Juni twohundzehntsechzig etwa ein Jahr nach dem Tod von Trujillo, der Prozess gegen die ehemaligen Geheimdienstmänner beginnt, drängen sich im Haus der Familie Mirabal, in dem früher alle Schwestern gemeinsam mit ihren Eltern lebten und in dem heute, die inzwischen siebundreißigjährige Dede und ihre Familie wohnt, Leute dicht an dicht und starren auf einen Fernseher.
01:10:55: Dedesmann hat ihn extra für diesen Moment gekauft.
01:10:58: Die über dreißig Verhandlungstage kann sich die Bevölkerung vor dem Fernseher ansehen.
01:11:02: DD sitzt angespannt davor.
01:11:04: Sie sehen sich nicht nur nach Gerechtigkeit für ihre Schwestern, sondern will auch endlich wissen, wie ihre letzten Minuten aussahen, was ihnen genau widerfahren ist.
01:11:13: Auf der Anklagebank sitzen sieben Männer, die beschuldigt werden, Minerva, Maria Teresa, Patria und Rufino, am fünfundzwanzigsten November, nineteenhundertsechzig, überfallen und umgebracht zu haben.
01:11:24: DED sieht durch den Bildschirm, wie die angeklagten Grinsen erklären, sie hätten nur Befehle ausgeführt.
01:11:29: Eine Geschichte, an der alle festhalten ist, dass sie die Frauen nur festgenommen hätten, in das Foltergefängnis in die Hauptstadt gebracht und an andere Männer übergeben hätten.
01:11:39: Was danach passiert sei, wüssten sie nicht.
01:11:41: DD ist zugleich wütend und entsetzt über das, was sie da sieht.
01:11:45: Wie können die lachen über das, woran sie in den letzten zwei Jahren fast zerbrochen ist?
01:11:49: Über die geschundenen Körper ihrer Schwestern.
01:11:53: Es ist, als würde die Trujillo-Regierung noch einmal aufleben.
01:11:56: Diese Männer verkörpern genau das, wogegen ihre Schwestern ihr Leben lang gekämpft haben.
01:12:00: Machtmissbrauch, männlicher Arroganz und die Verachtung für Frauen, die sich nicht fügen.
01:12:06: Er stellt sich heraus, dass die letzten Minuten ihrer Schwester nicht unbeobachtet geblieben sind.
01:12:10: Mehrere Zeuginnern sagen im Laufe des Prozesses aus und berichten übereinstimmt, was sie gesehen und gehört haben.
01:12:17: Nach und nach fügen sich die Ereignisse wie Puzzleteile zusammen.
01:12:20: Und so entsteht vor Gericht das Bild einer Nacht, in der vier Menschen ihre Leben liefen, nicht durch einen Unfall, sondern durch ein gezieltes grausames Verbrechen.
01:12:30: Rückblick.
01:12:31: Nachdem Minerva, Patria und Maria Teresa vorzeitig ihren Besuch im Gefängnis in Puerto Clata abbrechen mussten, fahren sie mit Rufino gemeinsam Richtung Heimat eine kurwege Bergstraße hinauf.
01:12:43: An der Straßenseite sehen sie einen Wagenstehen.
01:12:46: Als sie sich ihm nähern, geben die Männer darin ein Zeichen zum Anhalten und Rufino tritt auf die Bremse.
01:12:52: Die Männer kommen auf sie zu, reißen die Türen auf und zwingen sie auszusteigen.
01:12:56: Inmitten des Durcheinanders aus Panik, Angst und Adrenalin sieht Minerva, wie es Patria gelingt, wegzurennen.
01:13:03: Sie rennt Richtung eines Transporters, der hinter ihnen zum Stehen gekommen ist.
01:13:06: Helft uns!
01:13:07: Sie werden uns umbringen, hört sie sich schreien, während die Angreifer an Minerva zählen und sie mit aller Kraft zusammen mit Maria Theresa in den fremden Wagen drücken.
01:13:16: sagt den Mirabals, dass sie uns töten werden, hört man Patria noch schreien, bis auch sie neben Minerva auf den Rücksitz gestoßen wird.
01:13:24: Rufino bleibt in seinem Toyota zurück, eingezwingt zwischen zwei der Angreifer.
01:13:29: Vor Gericht berichtet einer der Männer, die in dem Transporter saßen und dass er den Frauen ängstlich zugerufen habe, dass sie nichts machen können.
01:13:36: Er erzählt weiter, dass einer der Angreifer an die Fahrradtür ihres Transporters getreten ist.
01:13:41: Wenn ihr ein Wort sagt, seid ihr dran, ich hab euer Kennzeichen.
01:13:45: Fast zwei Jahre lang hatten die Männer aus Angst kein Wort über den Vorfall verloren.
01:13:49: Bis heute.
01:13:51: Die Aussagen setzen die sieben Angeklagten so sehr unter Druck, dass sie beginnen, sich gegenseitig zu belasten.
01:13:56: Und als schließlich die ersten Geständnisse fallen, bekommt das Gericht so auch ein Bild davon, was passiert ist, nachdem die Angeklagten mit den drei Frauen und Rufino aus dem Sichtfeld der Zeugen waren.
01:14:07: Nachdem die Angreifer, die viel in ihre Gewalt gebracht haben, starten sie die Wagen und fahren ein Stück zu einem abgelegenen Zuckerrohrfeld auf einem Hügel nahe einer Klippe.
01:14:17: Dort befiehlt der Kommandoführer, seinen Leuten Stöcke zu holen und sich je eines der Mädchen und Rufino zu nehmen.
01:14:23: Einer steht wache an der Straße, um sicherzugehen, dass niemand vorbeikommt.
01:14:27: Dann beginnt das Materium.
01:14:29: Die vier werden getrennt.
01:14:30: Danach prasseln immer wieder die Stöcke auf die Körper ein.
01:14:33: Jeder Schlag eine Vergeltung für ihren Widerstand, eine Strafe für ihren Mut, für ihren politischen Verrat.
01:14:40: Jeder Hieb soll sie brechen, soll die Schande tilgen, die sie über Trujillo gebracht haben.
01:14:44: Jeder Schlag ist härter und unerträglicher als der davor, bis kein Laut mehr zu hören ist.
01:14:49: Nur das Dumpfe Aufbrallen von Holz auf Fleisch und Knochen.
01:14:53: Immer wieder, bis die Männer glauben, ihr Werk sei getan.
01:14:56: Dann schleppen sie die leblosen Körper zu dem Wagen zurück, in dem die Schwestern am Morgen noch voller Vorfreude auf das Wiedersehen mit ihren Männern hingefiebert haben.
01:15:04: Doch plötzlich bemerkt der Kommandoführer, dass eine der Frauen noch atmet.
01:15:08: Es ist mir nervar.
01:15:10: Diese elende Lebt noch, schreit er Wut entbrannt.
01:15:12: Er packt sie und zählt sie wieder aus dem Wagen heraus, schleift sie über die Straße und über das Gras.
01:15:17: Dann legt er sie hin, holt mit einem Stock aus und schlägt zu.
01:15:21: Immer und immer wieder, bis jeder Widerstand im Minerva erlischt und auch das letzte Stückchen Leben aus ihr Gewichen ist.
01:15:27: Nach Luft dringend fängt der Kommandoführer an zu lachen.
01:15:30: Sie werfen die Leichen in den Wagen, schalten die Scheinwerfer ein und stoßen das Fahrzeug die Klippe herunter.
01:15:35: Ein Bauer in der Nähe, der auch im Zeugenstand aussagt, hat den dumpfen Aufbrei aus der Schlucht.
01:15:40: Am nächsten Morgen wird das Rack gefunden.
01:15:43: Als nach Tagen der Verhandlung im Gerichtsaal schließt sich durch die Aussagen klar ist, was am fünfundzwanzigsten November, neunzehntundundsechzig mit den drei Schmetterlingen passiert ist, sitzt Dede schon längst nicht mehr vor dem Fernseher im Wohnzimmer.
01:15:55: Sie hat es nicht lange ertragen, die Gesichter der Männer zu sehen, die ihr ihre geliebten Schwestern genommen haben.
01:16:01: Sie wusste, dass es kein Unfall war, aber dass es in dieser Brutalität geschah, lässt sie zerbrechen.
01:16:06: Mit jedem neuen Detail, das rauskommt, wird dedisch schmerzunerträglicher.
01:16:10: Die siebenund dreißigjährige verreist uns Ausland zu verwandten und bekommt deshalb nicht mit, als am fünfundzwanzigsten November nineteenhundertsechzeig auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Tod ihrer Schwestern das Urteil fällt und das ganze Land vor Erwartung den Atem anhält.
01:16:26: Das Gericht verurteilt drei der sieben Männer wegen Mordes an den Mirabeilschwestern und ihrem Fahrer Hufino de la Cruz zur jeweils dreißig Jahren Haft.
01:16:34: Die restlichen vier erhalten jeweils zwanzig Jahre Haft.
01:16:38: Zum ersten Mal seit mehr als dreißig Jahren Diktatur wurden Mitglieder von Trujillos gefürchteter Geheimpolizeisim tatsächlich verurteilt.
01:16:46: Bei diesem Prozess, das ist dem ganzen Land klar, ging es nicht nur um einen Strafmaß.
01:16:51: Dieses Urteil ist vor allem ein politisches Signal, dafür, dass offiziell die Ära der Schreckungsherrschaft vorbei ist.
01:16:58: Fünfzehn Jahre nach Minervas Jora Abschluss geschieht das, woran sie immer geglaubt hat, dass es eines Tages Gerechtigkeit geben wird.
01:17:05: Minerva, die selbst nie die Möglichkeit hatte, als Juristin zu arbeiten, weil sie nicht das Regime eines Meines unterstützte, der das Recht aller missachtete, erlebt das nicht mehr.
01:17:14: Trotz der symbolischen Bedeutung des Urteils bleibt die politische Situation im Land in den folgenden Jahren angespannt.
01:17:21: Zwar wird noch im selben Jahr erstmals wieder ein Präsident frei gewählt, doch der wird schon sieben Monate später durch einen Militärputsch gestürzt.
01:17:28: Die Bewegung des vierzehnten Juni existiert weiter und Manolo bleibt ihr Anführer.
01:17:33: Nach dem Putsch zieht er mit einer kleinen Gruppe in die Berge, um einen bewaffneten Widerstand aufzubauen.
01:17:39: Ihr Ziel ist es, die gestürzte demokratische Regierung wieder einzusetzen.
01:17:43: Doch dazu kommt es nicht.
01:17:44: Die Gruppe um ihn wird gefunden und Manolo fast drei Jahre nach Minervas Tod vom Militär umgebracht.
01:17:51: Minu und Manolito kommen danach zu Dede und Donya Chea, wo sie gemeinsam mit ihren Cousinen und Cousins wie Geschwister aufwachsen.
01:17:59: Viele Jahre nach dem Prozess kehrt Dede zurück nach Puerto Plata.
01:18:03: Sie steht an der Stelle, an der das Auto damals zu stehen gekommen ist.
01:18:07: Neben ihr ein einfaches Denkmal errichtet für ihre Schwestern.
01:18:11: Dede fährt den Weg, den auch sie gefahren sein müssen, circa drei Kilometer die Straße entlang, bis sie dem Ort ganz nahe kommt, wo das Blut ihrer Schwestern in die Erde sickerte.
01:18:20: Der Wind trägt den Geruch des Zuckerrohrs der benachbarten Felder herüber.
01:18:24: Sie weiß, dass dies der Ort ist, an dem ihre Schwestern zum letzten Mal den Himmel gesehen haben.
01:18:30: Dede schließt die Augen und denkt an Minerva, Patria, Maria, Theresa, an ihre Kinder, an ihre Eltern, an das Land, das sie liebten und an die Freiheit, für die die Dreischmetterlinge starben und für immer in den Himmel flogen.
01:18:44: Ja, also es ist ein echter Brocken.
01:18:46: Danke, dass ihr bis hierhin durchgehalten hat.
01:18:49: In diesem Fall hätte man natürlich noch viel Ausufahnder erzählen können, also auf diese ganzen internationalen Verflechtungen, darauf welche Rolle jetzt beispielsweise auch die USA hatte und deren Einfluss in Latein, Amerika damals.
01:19:01: Darauf sind wir in dieser Folge bewusst jetzt nicht eingegangen, weil das wäre nochmal eine ganz eigene Geschichte und hätte jetzt hier völlig den Rahmen gesprengt.
01:19:08: Ich erzähle euch jetzt aber noch ein bisschen was, also nicht abschalten.
01:19:12: Dede hat später ein Buch geschrieben, in dem sie ihre Erinnerung sorgfältig dokumentiert hat, damit das Andenken ihrer Schwestern nie in Vergessenheit gerät.
01:19:20: Und deswegen ist auch das Haus in das Donja Chea nach dem Tod von Enrique gezogen, ist heute ein Museum und eine Gedenkstätte für die drei Schmetterlinge.
01:19:28: Im Haus ist zum Beispiel auch der Zopf von Maria Teresa in einer Glasvitrine ausgestellt.
01:19:33: Und bis zu ihrem Tod, zwei Tausend vierzehn, erzählte Dede hier von ihren Schwestern und Gapturen, bevor sie im Alter von achtundachtzig Jahren starb.
01:19:41: Wir sind auf diesem Fall überhaupt erst gekommen, weil wir seit Mai eine studentische Ausrüffel bei uns haben, nämlich Marisol Mercado.
01:19:47: Und ihr Vater ist aus der dominikanischen Republik, aus dem Ort nämlich Roman Nolo, also der Mann von Minerva zuletzt im Gefängnis Saas in Puerto Plata.
01:19:55: Und Marisol hat ihre Bachelorarbeit über den Kampf dominikanischer Frauen für ihre Rechte geschrieben.
01:20:00: Und das spielen natürlich Minerva, Patria und Maria Teresa eine große Rolle bei.
01:20:05: Und sie hat uns den nicht nur vorgeschlagen, sondern den Fall auch mit uns erarbeitet und recherchiert.
01:20:09: Und vor allem hat sie das wiederum in Zusammenarbeit mit Minu Tavares Mirabal gemacht, also der Tochter von Minerva und Manolo.
01:20:17: Minou ist heute neunundsechzig Jahre alt und hat als Politikerin zwei Tausendsechzehn in der Dominikanischen Republik sogar für das Präsidentenamt kandidiert.
01:20:26: Sie führt also das Erbe ihrer Eltern weiter, indem sie sich bis heute für Menschenrechte und politische Freiheit engagiert.
01:20:32: Ihre Mutter und ihre Tanken gelten heute als nationale Heldinnen.
01:20:36: Sie sind das Symbol für Mut, Widerstand und weibliche Stärke.
01:20:40: Und sie haben nach heute sowohl politischer als auch eine sehr große kulturelle Bedeutung.
01:20:45: In dem Jahr die Provinz Heisedo offiziell in Provinz Ermanas Mirabal, also Provinz der Mirabal-Schwestern, umgenannt.
01:20:52: Es ist tatsächlich so, dass es in fast jeder Stadt Straßenplätze oder Schulen gibt, die ihren Namen tragen.
01:20:58: Und ihr Bild zieht auch den Zwei-Hundert-Pesoschein der Dominikanischen Republik.
01:21:01: Es gibt Museen, Denkmäler, unzählige Bücher und Filme über sie.
01:21:05: Also jeder Schüler und jede Schülerin lernt in der Schule von Las Mariposas, also den Schmetterlingen.
01:21:11: Also ihr erkennt, die haben eine enorme nationale Bedeutung.
01:21:14: Und ihre Degen haben die Vereinten Nationen, das ist im November, also ihren Todestag zum internationalen Gedenktag zur Beendigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen benannt, also zum sogenannten Orange Day.
01:21:26: Das ist dann der Tag, an dem ihr auf eurer Instagram-Timeline etliche Infografiken zu Zahlen von Gewalt gegen Frauen bekommt.
01:21:32: Und jetzt frage ich euch eine Sache.
01:21:34: Habt ihr vorher schon mal von dem Fall gehört?
01:21:37: Ich nämlich nicht.
01:21:38: Und das macht mich wahnsinnig wütend und auch traurig.
01:21:41: Und ich habe mich gefragt, warum das so ist.
01:21:42: Und darüber haben wir mit Dr.
01:21:43: Caroline Weijand, der Vorstinnin von UN Women Deutschland gesprochen, die sich für Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen einsetzt.
01:21:52: Und sie vermutet, dass es zum einen damit zusammenhängt, dass in unseren Geschichtspüchern Frauen immer noch stark unterrepräsentiert sind und erst recht Frauen aus dem globalen Süden, wenn man sich in Deutschland insgesamt wenig für die Geschichten dort interessiert, was ich unerhört finde.
01:22:07: Da wir hier am XXV November ja die sechzehn Tage gegen Gewalt an Frauen, also eine weltweite Aktionsphase, auch einleiten, die dann am zehnten Dezember dem Internationalen Tag der Menschenrechte endet.
01:22:18: Also das ist quasi so eine Art Bogen, der sich spannend vom Gedenktag für Frauen und Mädchen, die Gewalt erfahren haben, bis hin zum Tag der universellen Menschenrechte.
01:22:26: Und weil Gewalt gegen Frauen nach wie vor eine der weitverbreitesten Menschenrechtsverletzungen ist, sollte sich das auch in der Politik niederschlagen.
01:22:34: Gibt ja schon Fortschritte wie das Gewaltschutzgesetz, das mehr Schutzangebote vorsieht und einen neuen Gesetzesentwurf vom Bundesjustizministerium zur Prävention.
01:22:42: Das ist richtig, aber bislang nur Tropfen auf dem heißen Stein.
01:22:46: Also wir brauchen deutlich mehr schneller wirksame Maßnahmen, wie mit Dr.
01:22:49: Karolin Weijand im Gespräch erzählt hat.
01:22:51: Was wir wirklich brauchen, das ist eine grundsätzliche Lösung.
01:22:55: Das ist ein ganzheitliches Konzept.
01:22:57: Das ist zum Beispiel Präventions- und Aufklärungsarbeit vom Kindesalter an, also Präventionsarbeit in den Schulen zum Beispiel.
01:23:06: auch eine Reform des Sorge- und Umgangsrechts, das also nicht immer das Umgangsrecht vor dem Schutz der Frauen und Kinder geht und auch eine Sensibilisierung der Justiz und Polizei.
01:23:18: Das sind ganz, ganz wichtige Punkte eines Gesamtkonzepts.
01:23:23: und das alles wurzelt in der Bearbeitung des zugrunde liegenden Problems und das ist aus unserer Sicht die mangelnde Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland.
01:23:34: Wenn wir keine Gleichstellung zwischen den Geschlechtern haben, dann haben wir ungleiche Machtverhältnisse.
01:23:42: Und ungleiche Machtverhältnisse sind der Nährboden für Gewalt.
01:23:48: Daher müssen wir ganz dringend an der Gleichstellung in Deutschland arbeiten.
01:23:54: An einer Reform des Sexualstrafrechts war es teilweise immer noch sehr patriarchale Strukturen aufweist.
01:24:01: und so weiter.
01:24:03: Nur wenn wir Gleichstellungen erreicht haben, dann können wir auch einen richtig großen Schritt machen gegen Gewalt, gegen Frauen und Mädchen.
01:24:12: Wenn ihr die Folge am Stück gehört habt, dann sind nach den Zahlen der UN Women in der Zeit mindestens zwölf Frauen oder Mädchen durch ein Familienmitglied oder den Partner getötet worden.
01:24:23: Und deswegen will ich mich nochmal auf den Satz beziehen, den Dr.
01:24:26: Bayern gerade gesagt hat.
01:24:27: Ungleiche Machtverhältnisse sind der Nährboden für Gewalt.
01:24:30: Ich möchte, dass dieser Satz noch mal nachwirkt für alle, die sich wünschen, dass Frauen wieder auf bestimmte Rollen festgelegt werden sollen.
01:24:37: Denn ungleiche Machtverhältnisse gedeihen immer dann besonders gut, wenn diese alten Rollenbilder von männlicher Seite wieder als Ideale verkauft werden.
01:24:45: Meine damit, Frauen sollen sich anpassen, die Anforderungen eines Mannes erfüllen, statt selbst zu bestimmen.
01:24:51: Vielleicht nehmen wir das alle mit.
01:24:52: Und deswegen wünsche ich mir auch, wenn ihr heute oder auch die nächsten Tage über Gewalt gegen Frauen sprecht oder in den Kommentarspalten auf Instagram unterwegs seid, dann erzählt auch von den drei Schmetterlingen.
01:25:03: Denn die haben nämlich verdient, dass man ihre Geschichte kennt, denn sie fliegen noch heute überall jene Frauen, die Gewalt erleben, allein aus dem Grund, weil sie Frauen sind.
01:25:12: Und damit beende ich jetzt diese Folge.
01:25:14: Nächste Woche hören wir uns wieder am Mittwoch.
01:25:17: Bis dahin.
01:25:22: Das war ein Podcast der Partner in Crime.
01:25:24: Hosts und Produktionen Paulina Graser und Laura Wohlers.
01:25:28: Redaktion Marisol Mercado und wir.
01:25:31: Schnitt Pauline Korb.
01:25:33: Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.
Neuer Kommentar