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#221 Das Rätsel von Drage

Shownotes

Triggerwarnung: In dieser Folge geht es um Suizid und Gewalt gegen Kinder

Hilfe bei Suizidgedanken Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 / 0800 1110 222 sowie 116123, anonym, kostenlos und 24/7 erreichbar Auch per Chat: https://online.telefonseelsorge.de/

Im Juli 2015 erhält die 24-jährige Sabine eine Nachricht, die ihr zunächst wie ein schlechter Scherz vorkommt: Ihre Familie ist verschwunden. Sowohl ihre Mutter Sylvia als auch ihr Stiefvater Marco und ihre kleine Schwester Miriam werden vermisst. Immer wieder versucht Sabine, die drei zu erreichen, doch all ihre Anrufe und Nachrichten bleiben unbeantwortet. Auch im Haus der Familie gibt es keine Anhaltspunkte für ihr Verschwinden. Die Polizei beginnt eine groß angelegte Suchaktion. Sabine ist überzeugt, dass sich alles aufklären und als Missverständnis herausstellen wird – bis an Tag acht der Ermittlungen schließlich ein Familienmitglied tot aufgefunden wird.

Der Fall der Familie Schulze aus Drage hat im Sommer 2015 ganz Deutschland beschäftigt und Fragen aufgeworfen, auf die es bis heute keine klaren Antworten gibt. Darüber sprechen wir in dieser Folge.

Experte in dieser Folge: Michael Düker, ehemals Kriminalhauptkommissar und Leiter der SOKO Schulze

Credit

Produzentinnen/ Hosts: Paulina Krasa, Laura Wohlers Redaktion: Paulina Krasa, Laura Wohlers, Jennifer Fahrenholz Schnitt: Pauline Korb Rechtliche Abnahme: Abel und Kollegen

Quellen (Auswahl)

STERN: “Ganze Familie aus Niedersachsen verschwindet spurlos”

NDR: “Drage: Seit zehn Jahren keine Spur von Familie Schulze”

BILD: “Cold Case: Der Fall Familie Schulze aus Drage – seit 2015 keine Spur”

argon podcast: “Drage - Dimensionen des Verschwindens”

Hinweise an die Polizeiinspektion Harburg Telefon: 04181 2850 E-Mail: hinweis@pi-harburg.polizei.niedersachsen.de

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Transkript anzeigen

00:00:11: Bekommen bei Mordlust, einem Podcast der Partner in Crime.

00:00:13: Hier geht es um Wareverbrechen und ihre Hintergründe.

00:00:15: Mein Name ist Paulina Kraser und normalerweise sitzt hier mit mir meine Kollegin und Freundin Laura Wolas, mit der ich immer einen bedeutsamen Waren-Kriminalfall nacherzähle.

00:00:25: Gemeinsam ordnen wir den dann immer ein, erörtern und diskutieren die juristischen, psychologischen oder gesellschaftlichen Aspekte und sprechen mit Menschen mit Expertise.

00:00:34: Heute aber führe ich euch alleine durch diese Folge.

00:00:37: Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.

00:00:39: Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.

00:00:41: Das machen wir auch.

00:00:42: Selbst dann werden wir zwischendurch mal etwas abschweißen.

00:00:44: Das ist für uns so eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.

00:00:49: Es gibt übrigens Menschen, die glauben, dass dieser Satz immer nur eingespielt wird, aber sagen wir den immer neu.

00:00:53: Fällt euch das auf?

00:00:54: Weil wenn nicht, dann machen wir uns die Mühe einfach in Zukunft nicht mehr.

00:00:57: Bevor ich mit der heutigen Geschichte starte, in der es um einen Fall geht, der Platz für sehr viel Spekulation bietet und nach wie vor für große Ratlosigkeit bei den Betroffenen und den Ermittlenden sorgt, will ich nur kurz darauf hinweisen.

00:01:09: Letztes Jahr zu Weihnachten haben wir ja einen Ugly Christmas-Fetter rausgebracht.

00:01:14: Und weil der wirklich so schnell weg war, haben wir uns gedacht, wir machen dieses Jahr wieder ein.

00:01:19: mit einem neuen Motiv.

00:01:20: Da sind wir gerade in den letzten Schritten.

00:01:22: Ich wollte es euch nur schon mal sagen, falls ihr im Gegensatz zu mir euer Leben im Griff habt und schon jetzt darüber nachdenkt, was ihr euren Freundinnen zu Weihnachten schenken wollt.

00:01:31: Habt das einfach im Hinterkopf für alle, die gerne Modest hören oder vielleicht wünscht ihr euch das ja auch einfach vom Weihnachtsmann.

00:01:37: Wir sagen nochmal rechtzeitig Bescheid, wenn der online geht, es wird vermutlich in ein bis zwei Wochen soweit sein.

00:01:41: Dann heißt es auf jeden Fall Countdown stellen, denn der wird auch diesmal wieder limitiert sein.

00:01:46: So, und jetzt geht es aber los mit einem Fall, der uns alle mal wieder daran erinnert, dass das, was wir von Menschen sehen, oft nur das ist, was sie bereit sind, uns zu zeigen und das unter der Oberfläche meist Probleme liegen, die für uns alle ein Verborgenen bleiben sollen.

00:02:01: Die passende Triggerwarnung zu dem Fall findet ihr wie immer in der Folgendeschreibung.

00:02:12: Beeindruckt richtet Sabine ihren Blick auf das Motiv der Torte, die in der Mitte der gedeckten Kaffeetafel steht.

00:02:18: Eigentlich ist das zuckrige Kunstwerk viel zu schade zum Essen, findet sie.

00:02:22: Doch die leuchtenden Kinderaugen ihrer kleinen Schwester machen ihr klar, dass die es kaum erwarten kann, dass der Kuchen endlich angeschnitten wird.

00:02:29: Sabines Schwester Miriam feiert heute ihren zwölften Geburtstag.

00:02:33: Zu diesem Anlass findet sich Sabine an diesem Nachmittag gemeinsam mit ein paar verwandten und Nachbarskindern im Wohnzimmer ihrer Mutter Sylvia und ihre Stieffahrt das Marco im niedersächsischen Drage wieder.

00:02:44: Schmunzelnd beobachtet die vierundzwanzigjährige mit den mittellangen dunkelblonden Hahn und den sanften blauen Augen Miriam dabei, wie sie hasstig das bunte Geschenkpapier zerreißt und ihre ausgepackten Präsente stolz den Gästen zeigt.

00:02:56: Die kindliche Euphorie hat etwas Ansteckendes und dort wird Sabine beim Anblick ihrer Schwester zugleich ein wenig wehmütig zum Mutter.

00:03:04: Wann ist ihre Miri eigentlich so groß geworden?

00:03:06: Sabine kommt es vor, als sei es gestern gewesen, dass sie damals selbst als zwölfjährige ihre kleine Schwester im Kinderwagen durch die Gegend vor, um sie endlich zum Schlafen zu bringen.

00:03:16: Und nun sitzt sie einem aufgeweckten Mädchen mit langen blonden Haaren gegenüber, das bei jeder Gelegenheit draußen spontan ein Rad schlägt, pern und glitzer fast genauso lieb wie das Reiten und das schon nächstes Jahr offiziell ein Teenager wird.

00:03:30: Sabine ist froh, dass sie den heutigen Tag mit Miriam und ihrer Familie genießen kann.

00:03:35: Vor allem, weil das Familienleben nicht immer so harmonisch war wie jetzt.

00:03:39: Die Beziehung zwischen Sabine und ihrer Mutter Sylvia ist kompliziert.

00:03:43: Als Sabine nineteenhundertneinundneunzig zur Welt kommt, sind ihre Eltern kein Paar mehr.

00:03:47: Der Kontakt zu ihrem Vater bricht ab und so wächst Sabine allein mit ihrer Mutter auf.

00:03:52: Viele Jahre gibt es nur sie beide.

00:03:54: Doch ein eingespähtes Mutter-Tochter-Do, das wird aus ihnen nicht.

00:03:59: Schon als kleines Mädchen kommt Sabine mit Sylvia strenger, kühler Art nur schwer zurecht.

00:04:04: Oft wünscht sie sich, ihre Mutter würde sie einfach mal in den Arm nehmen und ihr sagen, dass sie sie lieb hat.

00:04:09: Doch stattdessen hat Sabine das Gefühl, sich ihre Zuneigung regelrecht erkämpfen zu müssen und ihren Ansprüchen nie zu genügen.

00:04:16: sei es bei ihrer Mithilfe im Haushalt oder bei den Hausaufgaben, über denen sie oft bis spät abends sitzt, bis ihre Mutter daran nichts mehr auszusetzen hat.

00:04:25: Heute als erwachsene Frau, die selbst Mama einer zweijährigen Tochter ist, weiß Sabine, dass ihre Mutter rückblickend zwar immer nur das Beste für sie gegeben hat.

00:04:32: Teilweise hatte sie sogar drei Jobs gleichzeitig, um gut für sie zu sorgen.

00:04:37: Doch wie sich Rückhalt und Wärme anfühlen, das erfährt Sabine erst so richtig mit neuen Jahren.

00:04:41: Als Marco, der neue Mann an Silvia's Seite wird und schließlich mit der Heirat ihrer Mutter wenige Jahre später offiziell ihr Stiefvater wird.

00:04:49: Sabine ist keines der Kinder, die gegen einen Stiefelternteil rebellieren und dessen Platz in der Familie nicht akzeptieren wollen.

00:04:55: Ganz im Gegenteil.

00:04:56: Marco, ein großer, kräftiger Mann mit kurzen dunklen Haaren und verschmitzten Lächeln, besitzt all die Eigenschaften, die Sabine stets an ihrer Mutter vermisst hat.

00:05:05: Er ist unkompliziert, herzlich und feinfühlig.

00:05:09: Mit seiner liebevollen Art erobert er damals Sabines kindliches Herz im Sturm und vermittelt in Streitmomenten zwischen ihr und ihrer Mutter und macht ihr klar, dass es nichts gebe, über das man nicht reden könne und kein Problem zu groß sei, um es gemeinsam zu lösen.

00:05:22: Marco wird für Sabine zu einer wichtigen Bezugsperson, ein Ersatzpapper, von dem sie nicht einmal wusste, dass sie sich nach so jemandem gesehen hat.

00:05:30: Als zwei Tausend drei ihre kleine Schwester Miriam geboren wird, hat Sabine mehr denn je das Gefühl Teil einer richtigen, intakten Familie zu sein.

00:05:38: Doch die Harmonie erlebt immer wieder Dämpfer.

00:05:41: Je älter Sabine wird, desto öfter fliegen zwischen ihr und Mutter Sylvia die Fetzen.

00:05:45: Sabine liebt ihre Mutter, das tut sie wirklich.

00:05:48: Und obwohl sie sich in vielen Dingen ähneln, zum Beispiel in ihrer Sturheit und Direktheit, passt es menschlich einfach überhaupt nicht zwischen ihnen.

00:05:55: Als wären sie zwei gleiche Pole, die einander abstoßen.

00:06:00: Im Teenager-Alter fühlt sich Sabine von ihrer Mutter zunehmend Unverstanden.

00:06:04: Zwar runen Silvias große blauen Augen oft streng auf ihr, doch wirklich Interesse an Sabines Leben und ihren Gedanken zeigt sie nicht.

00:06:12: Stattdessen kritisiert sie Sabine in einer Tour und treibt sie damit regelrecht zur Weißglot.

00:06:17: Sabine ist verzweifelt, egal was sie macht, egal was sie leistet, sie hat das Gefühl für ihre Mutter nie gut genug zu sein.

00:06:24: Als sie sechzehn Jahre alt ist, bauscht sich ein banaler Streit zwischen ihnen so sehr auf, dass es zur Eskalation kommt.

00:06:30: Die Familie hat gerade Besuch zum Grillen da, als Sabine ein Brot anhebt, das ihre Mutter für diesen Anlass gebacken hat.

00:06:37: Als dabei ein Stück der Kruste abbricht, wird Sylvia richtig sauer und weist ihre Tochter daraufhin vor allen Leuten zurecht.

00:06:43: Für Sabine steht diese Situation stellvertretend, für Sylvia ist Rang nach Perfektionismus, dem Sabine nie gerecht werden kann.

00:06:51: Es ist der Moment, der das Fass endgültig zum Überlaufen bringt.

00:06:55: Obwohl Marco noch versucht, die Situation zu beruhigen, marschiert Sabine wütend in ihr Zimmer, stopft die wichtigsten Dinge in eine Tasche und stimmt aus dem Haus, um bei ihrem damaligen Freund unterzukommen.

00:07:05: Und sie kommt nie wieder zurück.

00:07:08: Zumindest nicht, um dort zu wohnen.

00:07:10: Tatsächlich hat die räumliche Distanz die Lage entspannt und mittlerweile besucht Sabine ihre Familie zwar nicht jede Woche, aber regelmäßig.

00:07:18: So wie heute, anlässlich Miriams zwölften Geburtstags.

00:07:23: Während Sabine Schwester samt Geschenken und Nachbarskinder längst in ihrem Zimmer verschwunden ist und Sylvia und Marco um die Gäste herumschwirren, nimmt Sabine an ihrem Kaffee.

00:07:32: Sie ist Kuchen und unterhält sich mit anderen Leuten am Tisch.

00:07:35: Für die Vier- und Zwanzigjährige ist es ein netter, wenn auch unspektakulärer Nachmittag.

00:07:40: Doch was sie zu diesem Zeitpunkt nicht ahnt, der heutige neunte Mai, Zwei-Tausend-Fünfzehn, wird zu Zäsur werden.

00:07:46: Ihr Leben in ein davor und ein da nachteilen.

00:07:49: Unser Biene wird diesen Tag in Zukunft immer wieder gedanklich durchgehen und sich fragen, ob die Katastrophe sich bereits an diesem Tag abzeichnete.

00:08:00: Etwa zweieinhalb Monate später.

00:08:01: Es ist Freitag, der vierundzwanzigste Juli, als bei Sabine zu Hause in Buchholz am Mittag das Telefon klingelt.

00:08:08: Die vierundzwanzigjährige nimmt ab, worauf sich eine unbekannte weibliche Stimme meldet und ein seltsames Telefonat beginnt, das Sabine uns im Gespräch so geschildert hat.

00:08:19: Die haben mich dann gefragt, ob sie meine Mutter sprechen könnte.

00:08:27: Dann habe ich sie über die Wohnverhältnisse aufgeklärt, gesagt, dass mein Mann ich und mein Kind hier wohnen.

00:08:35: Und dass meine Mama hier gar nicht wohnt und so.

00:08:37: Und dann haben sie das quasi aufgelöst und haben gesagt, ja, ihre Mama wird vermisst, sowie auch der Rest der Familie.

00:08:47: Sabine ist irritiert.

00:08:49: Vermisst?

00:08:50: Was soll das bedeuten?

00:08:51: Noch bevor sie genauer nachfragen kann, spricht die Beamtin weiter.

00:08:54: Sabine erfährt, dass der Chef ihrer Mutter sie vor wenigen Stunden als vermisst gemeldet hat, nachdem Sylvia die vergangenen zwei Tage unentschuldigt auf ihrer Arbeitsstelle bei einem Discounter gefehlt hat.

00:09:05: Die Polizei habe immer wieder versucht, die dreiundvierzigjährige auf dem Festnetzanschluss zu erreichen, doch niemand habe abgenommen.

00:09:11: Weder sie noch Marco und auch nicht Sabine Schwester Miriam, die angesichts der Sommerferien zu Hause sein dürfte.

00:09:18: Sabine beginnt zu überlegen.

00:09:20: Ihre Mutter ist eine zuverlässige Frau, die ihrem Chef vermutlich sogar dann Bescheid geben würde, wenn sie sich morgens auch nur um fünf Minuten verspätet.

00:09:28: Einfach nicht zur Arbeit zu erscheinen.

00:09:30: Das passt nicht zu ihr.

00:09:32: Die Polizistin möchte von Sabine wissen, ob es einen anderen Weg gäbe, die Familie zu kontaktieren, worauf die Vierundzwanzigjährige ihr die Handynummern derdreidektiert.

00:09:42: Sabine fällt es schwer, ihre Gefühle in diesem Moment zu ordnen.

00:09:45: Die Situation, das Telefonat, all das kommt ihr einfach so real vor.

00:09:50: Sie selbst beschreibt es so.

00:09:52: Ich war in dem Moment irgendwo zwischen, das ist irgendwie grad gar nicht so richtig real und irgendwie so zwischen, ja, was wird das jetzt wohl sein?

00:10:03: Also... Ja, ich hab mich halt gefragt, nur weil die jetzt mal nicht da sind, was macht man da jetzt für eine Polizei-Aufriss, so nach dem Motto, also warum?

00:10:14: Und ich hab mir nichts wirklich dabei gedacht, ehrlich gesagt.

00:10:17: Und hab dann auch gefragt, wie es jetzt weitergehen würde.

00:10:20: Und dann haben die gesagt, ja, die werden versuchen, die Handynummern nach und nach immer mal wieder zu erreichen.

00:10:25: Wenn sich da dran nichts tut, dann würden sie sich wieder melden.

00:10:29: Nachdem das Telefonat beendet ist, greift Sabine entschlossen zum Handy.

00:10:33: Dass ihre Mutter seit zwei Tagen nicht zur Arbeit erschienen ist, ist das eine.

00:10:37: Doch irgendjemand aus der Familie wird doch wohl zu erreichen sein und eine Erklärung für dieses Verhalten abgeben können.

00:10:43: Sabine weht nun selbst die Handy nochmal ihrer Mutter.

00:10:46: Doch statt ihrer vertrauten Stimme ertönt kurz darauf die automatische Ansage der Mailbox, genau wie auf den Handys von Marco und Miriam.

00:10:54: Die vierundzwanzig Jahre gespürt, wie sich Unruhe in ihr Breit macht.

00:10:58: Was zur Hölle ist hier los?

00:10:59: Wo stecken die drei nur?

00:11:02: Während Sabine zu Hause nervös auf und abgeht, beginnt sie zu überlegen.

00:11:06: Theoretisch könnten ihre Mutter, ihr Stiefvater und ihre Schwester spontan weggefahren sein.

00:11:11: Schließlich haben gestern offiziell die Sommerferien in Niedersachsen begonnen und Marco ist aufgrund einer kleinen Knie-OP seit ein paar Wochen krankgeschrieben.

00:11:20: Doch das würde zeitlich keinen Sinn ergeben.

00:11:22: In ein paar Tagen geht es für mehrere Jahre in den Reiturlaub, auf den die Zwölfjährige schon seit Monaten hin fiebert.

00:11:28: Und dann steht auch noch der gebuchte Ägyptenurlaub der Familie in wenigen Wochen an.

00:11:32: Ne, eine spontane Reise oder ein Kurztrip, das kann sich Sabine einfach nicht vorstellen.

00:11:37: Zumal das auch nicht erklären würde, warum ihre Mutter unentschuldigt bei der Arbeit fehlt und die drei nicht erreichbar sind.

00:11:44: Um ihre Nervosität in Schacht zu halten, ermahnt Sabine sich gedanklich Ruhe zu bewahren.

00:11:49: Es wird schon nicht sein.

00:11:50: Vermutlich handelt es sich hier einfach nur um ein großes Missverständnis, dass sich bald aufklären wird.

00:11:56: Doch wann?

00:11:57: Gegen Abend beschließt Sabine, dass sie es nicht mehr aushält zu warten, bis die Polizei sich wieder bei ihr meldet.

00:12:03: Also ruft sie selbst die Dienststelle an und fragt, ob es etwas Neues gibt.

00:12:07: Fehlanzeige.

00:12:09: Noch immer weiß niemand, wo die drei sind.

00:12:12: Sabine erfährt, dass die Polizei nun plant, das zu Hause ihrer Familie aufzusuchen.

00:12:17: Sie schlägt vor, dazu zu stoßen, was die Polizei dankend annimmt.

00:12:21: Und so macht sich die vierundzwanzigjährige kurz darauf auf den Weg zu jenem Haus, in dem sie noch vor zweieinhalb Monaten den Geburtstag ihrer kleinen Schwester gefeiert hat.

00:12:29: Und das nun zum Ausgangspunkt eines Polizeieinsatzes wird.

00:12:34: Mauern aus rotem Backstein, helle Fensterrahmen und einem gepflegter grüner Vorgarten, in dem eine kleine Kurve aus Asphalt den Weg zur Schneewaißenhaustür ebnet.

00:12:44: Das Zuhause von Silvia Marco und Miriam Schulze liegt in einer Neubausiedlung in Drage, südöstlich von Hamburg, und ist ein echtes Schmuckstück.

00:12:53: Die geräumige Immobilie strahlt sowohl Modernität als auch Gemütlichkeit aus.

00:12:57: Doch an diesem Abend erlebt die Idylle einen Bruch durch die Polizeiautos, die ihr kühles blaues Licht an die Hausfassade werfen.

00:13:05: Als Sabine mit dem Auto ankommt, fällt ihr Blick auf die zahlreichen Einsatzwagen, die in Reih und Blied vor dem Haus stehen.

00:13:12: Die Eingangstür steht offen.

00:13:14: Sabine beobachtet, wie Polizistinnen ein- und austreten.

00:13:17: An der Straße laufen Beamtinnen mit Spürhunden an der Leine entlang.

00:13:21: Sabine merkt, wie sich ihr Marken zusammenzieht.

00:13:24: Ihr war klar, dass die Polizei hier vor Ort sein würde, aber mit so einem Aufriss inklusive Blaulicht hat sie nicht gerechnet.

00:13:31: Irgendwie wird er erst jetzt so richtig bewusst, dass die Lage offenbar ernst ist.

00:13:37: Sabine wird bereits erwartet.

00:13:38: Ein Beamter kommt auf sie zu und bittet sie, nach kurzem Blick auf ihrem Personalausweis, ihn ins Haus zu begleiten.

00:13:44: Sabine folgt ihm, wenn auch mit ungutem Gefühl.

00:13:48: So viele Male war sie schon hier.

00:13:50: So viele Male ist sie bereits durch diese Tür gegangen.

00:13:53: Doch heute ist alles anders.

00:13:55: Als sie eintritt, suchen ihre Augen nahezu automatisch nach vertrauten Gesichtern.

00:13:59: Denen von Mutter Sylvia, Stiefvater Marco oder ihrer kleinen Schwester Miriam.

00:14:04: Doch die drei sind nicht hier.

00:14:05: Stattdessen öffnen fremde Menschen nach und nach sämtliche Schubladen, verrücken Möbel, räumen Schränke aus und stellen ihr altes Zuhause schlichtweg auf den Kopf.

00:14:15: In mitten dieser skurrilen Situation, in der sich Sabine vorkommt, als wäre sie die Protagonistin eines Tatortfilms, führen zwei Beamte in Zivil sie ins Wohnzimmer und bitten sie am Ess-Tischplatz zu nehmen.

00:14:26: Dann beginnen sie Sabine zu briefing.

00:14:29: Die Vierundzwanzigjährige erfährt, dass die Einsatzkräfte vor einigen Stunden angerückt seien und ihnen trotz mehrfachen Klingelns niemand die Tür geöffnet habe.

00:14:38: Nachbarin, die das Geschehen beobachtet hätten, seien daraufhin auf sie zugekommen und hätten sie auf einen versteckten Ersatzschlüssel im Eingangsbereich hingewiesen, mit dem die Polizisten sich dann Zugang verschafft hätten.

00:14:50: Die beiden Beamten berichten Sabine, dass auf den ersten Blick nichts darauf hindeutete, dass hier etwas Ungewöhnliches passiert sei, etwa ein Unfall oder gar ein Verbrechen.

00:15:01: Man habe weder Spuren eines Einbruchs noch eines Kampfes sicherstellen können und dennoch gäbe es einige Dinge, die sie stutzig machen würden.

00:15:09: Was das für Dinge sind, das hat uns Michael Düker erzählt, der damals als Kriminalhauptkommissar in dem Fall ermittelt hat.

00:15:15: Ja, es war also wirklich sehr, sehr eigenartig, als wir das Haus bzw.

00:15:20: die Kollegen das Haus betreten haben.

00:15:22: Da hat man am Eingang, dass die Familie normalerweise das Haus betritt, nämlich nicht durch die Haustür, sondern über den Hauswirtschaftsraum, durch eine Seitentür.

00:15:33: Dort befindet sich eine Waschmaschine und auf dieser Waschmaschine stand dann die Handtasche der Frau und die Autoschlüssel und Hausschlüssel.

00:15:42: Das deutete also darauf hin.

00:15:44: Die sind nach Hause gekommen oder die Frau zumindest nach Hause gekommen.

00:15:48: Und wenn man sich das Haus dann näher betrachtet, hat man eben festgestellt, dass der Kühlschrank gut gefüllt war, wie es bei einer normalen Familie ist.

00:15:56: Und es war alles normal aufgeräumt.

00:15:59: Es war nichts durchwühlt.

00:16:01: Es deute nichts auf irgendeine Besonderheit hin.

00:16:05: Die Autos waren da.

00:16:06: Das Haus war verschlossen bis auf ein Fenster, was auf Kipp stand und die Hauskatze.

00:16:13: war auch zu Hause.

00:16:15: Außerdem wurden die Pässe von Silvia Marco und Miriam gefunden.

00:16:18: Für die Polizei spricht das alles gegen ein spontanes Verreisen der Familie.

00:16:23: Das einzige, was im Haushalt der Schulzes nachweislich fehlt, sind die Handys der drei und Markus Dunkel-Grünes Herrenfahrrad, das laut Angaben von Nachbarn stets im Schuppen stehe.

00:16:33: Ansonsten wirke im Haus alles normal.

00:16:37: Zu normal.

00:16:39: Für die Ermittlenden ist klar, irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht.

00:16:42: Alles im Haus vermittelt den Eindruck, als sei die Familie nur kurz weggegangen.

00:16:46: Als hätten Sylvia, Marco und Miriam nicht geplant, das Haus länger zu verlassen.

00:16:50: Im Gegenteil, es wirkt, als habe man ihr Leben mitten im Alltag angehalten und sie aus ihrer heimischen Kulisse einfach ausradiert.

00:16:58: Die Schulzes sind wie vom Erdboden verschluckt.

00:17:02: Doch wie kann das sein?

00:17:04: Musste die Familie vielleicht überstürzt weg oder hatte sie jemand gewaltsamer aus dem Haus gerissen und dabei keine Spuren hinterlassen?

00:17:10: Für die Polizei ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar, womit sie es hier zu tun hat.

00:17:16: Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, beginnen die Beamten daher, Sabine mit Fragen zu löchern.

00:17:21: Sie möchten wissen, ob sie eine Erklärung für das verschwinden habe oder eine Vermutung, wo die drei stecken könnten.

00:17:27: Doch die vierundzwanzigjährige ist genauso ratlos für die Polizei.

00:17:31: Sie weiß nichts dergleichen und außerdem will sie auch keine Fragen mehr beantworten.

00:17:35: Denn in Sabine macht sich damals ein ungutes Gefühl breit, hat sie uns erzählt.

00:17:40: Du siehst dein Elternhaus und du sitzt an dem Tisch, an dem ihr noch vor zwei Monaten ungefähr zusammen gegessen habt und ja in einer schönen Situation war.

00:17:53: Das war der Geburtstag von meiner Schwester, das letzte Mal, als ich da war.

00:17:58: Und da sitzt du auf einmal mit Polizisten und musst Fragen beantworten über deine Familie, über Familienzustände, ob die viel Streit hatten, ob irgendwas vorgefallen ist, was du denen erzählen kannst.

00:18:09: Menschen durchsuchen das Haus, deine Eltern pflücken sämtliche Sachen auseinander, machen sogar vor der Dreckwäsche nicht halt.

00:18:17: Und währenddessen sollst du dich auf Fragen konzentrieren, die sich auf die persönliche Ebene deiner Eltern bezieht.

00:18:24: Ja, ich wollte schnell raus aus dieser Szenerie.

00:18:27: einfach sehr zu schaffen gemacht.

00:18:30: Die Polizei kommt Sabines bitte nach, sie darf gehen.

00:18:32: Schnellen Schritt ist, tritt sie durch die Haustür hinaus in den Vorgarten und läuft dabei fast Menschen in schwarz-gelben Uniformen in die Arme, die sich auf dem Grundstück ihrer Familie versammeln.

00:18:42: Es sind Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr-Drage, die sich bereit halten für eine lange Nacht.

00:18:46: Denn während Sabine nun am Ende dieses schlimmen Tages erschöpft, ins Auto steigt und sich auf den nach Hause Weg macht, geht die Arbeit für die Einsatzkräfte nun erst richtig los.

00:18:56: Die Dunkelheit hat sich bereits über Drage gelegt, als an diesem späten Freitagabend, im Juli, die Suche nach Familie Schulze beginnt.

00:19:04: Die Polizei nimmt den vermissten Fall sehr ernst.

00:19:07: Schließlich ist es ungewöhnlich, dass von heute auf morgen eine dreiköpfige Familie ohne jegliche Erklärung verschwindet.

00:19:14: Das ganze Wochenende lang durchkämmen Einsatzkräfte den Wohnort von Sylvia, Marco und Miriam und nehmen nahezu jeden Zentimeter Drages unter die Lupe.

00:19:22: Hunderschaften der Polizei sind im Einsatz Personenschwörhunde sowie Polizeihubschrauber, die aus der Luft ausschauen, nach den Dreien halten.

00:19:30: Zudem erteilt die Polizei-Kriminalhauptkommissar Michael Dücker, die Aufgabe, eine Sonderkommission aufzustellen.

00:19:36: Die sogenannte Soko-Schulze ist fortan für den vermissten Fall zuständig und knüpft sich in den ersten Tagen der Ermittlungen vor allem den nahegelegenen Elbstrand immer wieder gründlich vor.

00:19:46: Wieso, das hat uns Michael Dücker erklärt.

00:19:49: Also der Wohnort liegt direkt an der Elbe und das Wohnhaus ist auch nicht weit entfernt.

00:19:55: Und es ist einfach das schönste Spazierweg, dort an die Elbe zu gehen, an den Elbstrand zu gehen.

00:20:01: Und es war bekannt, dass die Familie doch häufig spazieren geht.

00:20:04: Und aus diesem Grund lag es nahe, dass sie möglicherweise, das Haus sah ja frisch verlassen aus, einen Spaziergang an die Elbe gemacht haben.

00:20:13: Es war Sommer, es bestand auch die Möglichkeit dort zu baden.

00:20:16: Die Soko entschließt sich dazu, den Elbstrand mit Personensperhunden umfangreich abzusuchen.

00:20:21: Und tatsächlich schlagen die Hunde an.

00:20:24: Sie führen die Ermittlenden zu einer Badesstelle und einer angrenzenden Wiese, woraufhin unter Zunahme der Feuerwehr eine großangelegte Suche vor Ort beginnt.

00:20:33: Doch letztendlich führt der Einsatz am Elbstrand ins Leere, genauso wie alle anderen Suchaktionen an diesem Wochenende.

00:20:40: Sylvia, Marco und Miriam bleiben verschwunden.

00:20:43: Sabines Familie.

00:20:45: Sie hat das Gefühl, die Situation immer noch nicht richtig greifen zu können.

00:20:48: Unglaubigkeit bestimmt ihre Gedanken und lässt wenig Raum für Emotionen wie Angst und Panik.

00:20:54: Immer wieder zückt Sabine ihr Handy, öffnet die WhatsApp-Chats mit ihrer Familie und schickt ihnen Nachrichten.

00:21:00: In einigen wettet sie demütig um ein Lebenszeichen.

00:21:03: In anderen schlägt sie einen strengeren Ton an, hat sie uns erzählt.

00:21:07: Ich weiß, dass ich bei meiner Schwester noch darauf geachtet habe, sie nicht zu beunruhigen, falls ich sie lesen sollte.

00:21:13: Bei meiner Schwester habe ich nur so was geschrieben, wie Mary weiß, wo Mama und Marco sind.

00:21:19: Und wenn du das liest, wo bist du?

00:21:21: So was habe ich da geschrieben.

00:21:23: Und zu meiner Mutter habe ich tatsächlich geschrieben, also da bin ich... Ich glaube, ich war ein bisschen ausfallend.

00:21:29: Ich habe so geschrieben, falls das jetzt hier irgendjemand witzig findet, das ist es nicht.

00:21:33: Da sind gerade Menschen in eurem Haus, fremden Menschen und die haben auch die ganzen privaten Sachen auf den Kopf gestellt.

00:21:40: Also, falls euch da noch irgendwas dran liegt, solltest du dich langsam mal melden.

00:21:44: Auch ihrem Stiefvater Marco schreibt Sabine immer wieder.

00:21:47: Doch ihre Nachrichten gehen nicht durch.

00:21:49: Das verrät ihr jedes Mal der einzelne Haken am Ende ihrer Zeilen.

00:21:53: Da ihr das verschwinden ihrer Familie laut eigenen Worten wie der Prank einer geschmacklosen Comedy-Show vorkommt, gibt Sabine sich keinen Katastrophenszenarien hin.

00:22:02: Sie ist nach wie vor davon überzeugt, dass es sich hier um ein riesengroßes Missverständnis handelt und alles wieder gut werden wird.

00:22:09: Schon bald, sagt sie sich, werden ihre Mama Marco und ihre kleine Schwester wieder auftauchen, ihr eine Erklärung für das ganze Theater liefern und sie fest in ihre Arme schließen.

00:22:18: Es ist ein wohltunnder Gedanke, an den sie sich festklammert.

00:22:22: Denn die Alternative wäre schlichtweg nicht zu ertragen.

00:22:27: Drei Personen, die von heute auf morgen verschwunden sind, eine ganze Familie, die wie aus dem Leben gerissen wirkt.

00:22:33: Für die Menschen im beschaulichen Trage ist das ein großer Schock.

00:22:37: Immer wieder werfen AnwohnerInnen an diesem Wochenende wehmütige Blicke auf das rote Klinkerhaus, dessen Haustür nun von einem polizeilichen Absperrband versiegelt ist.

00:22:46: Noch vor wenigen Tagen gingen die Schulzes hier ein und aus, doch wo sich vor kurzem noch Familienalltag abspielte, herrscht nun eine beklemmende Stille.

00:22:55: Die Sorge um die drei gleicht einer Gewitterwolke, die tief über dem Ort hängt und ihnen in Dunkelheit taucht.

00:23:01: Die Schulzes gelten in Trage als zurückhaltende Familie, als höfliche, freundliche und unauffällige Menschen.

00:23:08: Umso rätselhafter wirkt ihr Vermisstenfall und lässt die Vermutung zu, dass die Familie möglicherweise nicht freiwillig verschwunden ist.

00:23:15: möglich, dass die drei entführt wurden.

00:23:18: Könnte es sein, dass Marco oder Sylvia Feinde oder Kontakte zu den falschen Leuten hatten und in ihrem eigenen Haus vielleicht mit vorgehaltener Waffe gezwungen wurden, ihr zu Hause zu verlassen?

00:23:29: Das würde zumindest erklären, warum kaum private Gegenstände fehlen, ihre Autos noch immer vor dem Haus stehen und auch Sylvia's Handtasche gefunden wurde.

00:23:37: Befinden sich die drei möglicherweise derzeit geknebelt und gefesselt an einem unbekannten Ort?

00:23:43: Eine schaurige Vorstellung.

00:23:45: Doch die Polizei geht nicht davon aus.

00:23:47: Neben einer spontanen Reise ist eine Entführung mittlerweile das einzige, was die Ermittlenden als Ursache für das Verschwinden der Familie ausschließen können.

00:23:55: Die Soko hat herausgefunden, dass die Schulzes keine wohlhabende Familie sind.

00:23:59: Mit ihren zwei Gehältern kommen sie eher gerade so über die Runden.

00:24:03: Außerdem ist seit ihrer Abwesenheit keine Lösegeldforderung eingegangen.

00:24:07: Die Ursache für das Verschwinden von Sylvia, Marco und Miriam muss woanders liegen.

00:24:12: Womöglich sogar innerhalb der Familie.

00:24:15: Die ermittelnden Stoßen schließt nicht auf eine Information, die ihre Aufmerksamkeit erregt.

00:24:19: Miriam war die letzten zwei Tage vor den Sommerferien nicht in der Schule.

00:24:24: Ihre Mutter hatte die zwölfjährige krank gemeldet, angeblich wegen Bauchschmerzen.

00:24:30: Eine Tatsache, die die Soko uns grübeln bringt.

00:24:32: War Miriam wirklich krank?

00:24:34: Oder war es ein vorgetäuschter Grund, um sie zu Hause zu lassen?

00:24:38: Vielleicht um einen Abtauchen vorzubereiten?

00:24:41: dass die Familie selbst bestimmt alle Zelte abgebrochen hat, ist eine Option, die auf den ersten Blick absurd erscheint.

00:24:47: Schließlich haben die Schulzes ihre Pässe, Sylvias Geldbörse sowie sämtliche Besitztümer im Haus zurückgelassen.

00:24:53: Aber es ist eine Theorie, die im Raum steht.

00:24:55: Und das nicht nur wegen Miriams Fehltagen, sondern auch aufgrund einer merkwürdigen Beobachtung.

00:25:01: Von Miriams Klassenlehrerin erfährt die Polizei das Mutter Sylvia am Dienstag, dem vorletzten Schultag und drei Tage vor der Vermisstenmeldung in die Schule gekommen sei.

00:25:11: Während Miriam dem Unterricht fernblieb, habe die dreinvierzigjährige den Spind ihrer Tochter ausgeräumt, alle persönlichen Sachen darin mitgenommen und sogar die Schulbücher abgegeben.

00:25:20: Ganz so, als habe sie gewusst, dass ihre Tochter nach den Ferien nicht zurückkehren werde.

00:25:26: Und nicht nur das.

00:25:27: Durch eine Schulfreundin von Miriam kommt noch ein weiteres Detail ans Licht.

00:25:31: Eins, das die Emmettinnen stutzig macht.

00:25:34: Das Mädchen berichtet, dass Miriam ihr kurz vor ihrem Verschwinden etwas Merkwürdiges anvertraut habe.

00:25:40: Sie habe gesagt, dass sie nicht wisse, ob sie wirklich in den geplanten Reiturlaub fahren könne.

00:25:45: Warum habe sie verschwiegen?

00:25:47: Miriams Krankheitstage, das Ausräumen ihres Schulspins und ihr Bangen um die Reiterferien.

00:25:52: Für die Polizei sind es Teile eines Puzzles, die noch kein Ganzes ergeben.

00:25:57: Und doch zeichnen sie das Bild einer Familie, in der offensichtlich irgendetwas vor sich ging.

00:26:02: Am Montag, drei Tage nach Eingang der vermissten Meldung, beschließen Michael Dücker und sein Team den nächsten Schritt, in der Ermittlungsarbeit zu gehen.

00:26:09: Es ist an der Zeit, die Öffentlichkeit mit ins Boot zu holen.

00:26:12: Schon bald bedecken Fahndungsplakate, auf denen die biometrischen Passbilder der drei abgebildet sind, Werbe sollen und Schaufenster.

00:26:20: Norddeutsche Radiosender berichten über den Fall und Soko-Leiter Michael Dücker tritt vor die Fernsehkameras, um in der Sendung Aktenzeichen XY um mithilfe zu bitten.

00:26:29: Die Polizei hofft auf Menschen, die die Familie kurz vor oder nach ihrem Verschwinden gesehen haben.

00:26:34: Doch trotz der großen medialen Reichweite bleiben die Telefone der Ermittlenden ungewöhnlich ruhig, erinnert sich Michael Dücker.

00:26:42: Ja, es war erschreckend wenig.

00:26:44: Wir waren also ganz erstaunt.

00:26:45: Wir haben fast gar keine Hinweise bekommen.

00:26:48: Wir haben letzten Endes Hinweise bekommen, wann Marco Schulze zuletzt, wo gesehen wurde.

00:26:55: Aber es kam fast nichts.

00:26:57: Es kam fast nichts an Hinweisen, die man hätte abarbeiten können.

00:27:03: Das war sehr erstaunlich.

00:27:05: Das ist absolut ungewöhnlich.

00:27:06: Zuletzt gesehen wurde Marco Schulze am frühen Donnerstagmorgen einen Tag vor der Vermisstenmeldung als er mit dem Auto durch Drage fuhr.

00:27:15: Dieser Hinweis hilft den Emmettlenden aber nicht wirklich weiter, zumal ja im Zuge der Hausdurchsuchung beide Fahrzeuge der Familie sichergestellt wurden.

00:27:22: Also sprich, Marco muss nach dieser Fahrt wieder nach Hause gekommen sein.

00:27:26: hat Michael Düger selbst betont, dass es die absolute Ausnahme ist, dass im Zuge einer Öffentlichkeitsverhandlung so wenig Hinweise eingehen.

00:27:34: Oft ist nämlich ja das Gegenteil der Fall und Polizisten müssen auf einer Flut an Anrufen und Hinweisen herausfiltern, was wirklich nützlich sein könnte und was nicht.

00:27:44: Dass das jetzt hier im Fall der Familie Schulze nicht so ist, hängt laut Einschätzung von Düger auch damit zusammen, dass insbesondere Sylvia und Marco sozial nicht sonderlich gut vernetzt sind.

00:27:55: Wir haben festgestellt, dass die Familie doch relativ in sich gekehrt, offensichtlich gelebt hat.

00:28:02: Denn wir haben keine richtig beste Freundin und keinen besten Freund von den Eheläuten herausfinden können.

00:28:10: Die Miriam hatte Kontakte, die war ... Junge ist ein niedliches Mädchen, was Freundin hatte und da haben wir schon erfahren, wie sie so ist.

00:28:19: Aber eben bei den Ehleuten selbst, da sind wir ziemlich ins Leere gelaufen mit unseren Ermittlungen.

00:28:25: So frustrierend die Ermittlungen für die Polizei angesichts fehlender Hinweise auch sind.

00:28:30: Mit ganz leeren Händen stehen sie nicht da.

00:28:32: Zwar sind die Handys der Schulzes ebenso verschwunden wie sie selbst, doch den Beamtinnen gelingt es, mithilfe eines richterlichen Beschlusses auf sogenannte Verbindungsdaten zu zugreifen.

00:28:41: Das sollte euch jetzt aus den letzten Folgen bekannt vorkommen.

00:28:44: Da hatten wir nämlich in letzter Zeit einige, bei denen diese Daten am Ende zu wichtigen Ermittlungshinweisen geführt haben.

00:28:50: Diese Daten können nämlich verraten, wann sich die Mobiltelefone der Familie zuletzt im WLAN eingeführt.

00:28:55: gelockt haben, aber auch waren die Schulzis telefoniert und mit wem sie gesprochen haben.

00:29:00: Und so gelingt es den Ermittlenden schließt sich mittels technischer Spuren und Befragung des Umfelds die letzten zwei Tage der Familie vor der offiziellen Vermisstenmeldung, wenn auch nicht lückenlos, zu rekonstruieren.

00:29:12: Es ist der twenty-zwanzigste Juli, zweitensundfünfzehn, der letzte Schultag im Bundesland Niedersachsen vor Beginn der Sommerferien.

00:29:20: Während sich zahlreiche Schülerinnen an diesem Mittwochmorgen auf den Weg in ihre Klassenzimmer machen, um ihre Zeugnisse in Empfang zu nehmen, bleibt Miriam Schulze zu Hause.

00:29:29: Nachdem die Zwölfjährige bereits am Tag zuvor wegen Bauchschmerzen nicht zum Unterricht erschienen ist, meldet Mutter Sylvia sie auch heute wieder telefonisch ab.

00:29:37: Kurz darauf bricht die dreinvierzigjährige mit dem Auto zu ihrer Arbeitsstelle in einem Supermarkt auf, wo sie als Stellvertretender für Jahrleiterin tätig ist.

00:29:45: Marco dagegen bleibt zu Hause.

00:29:47: Nach einer kleinen Knie-OP ist er krankgeschrieben und geht seine Arbeit in einer Gestachter Chemie verblickt, derzeit nicht nach.

00:29:54: Der einundvierzigjährige wird sich daher heute um Miriam kümmern.

00:29:57: Gegen vierzehn Uhr bekommt Sylvia Schulze einen Anruf von ihrem Mann Marco.

00:30:02: Er bittet sie, vorzeitig nach Hause zu kommen, so berichten es Kolleginnen.

00:30:05: Miriam würde es schlechter gehen.

00:30:07: Als Sylvia zweieinhalb Stunden später schließlich eine Ablöse auf der Arbeit für sich findet, macht sie sich auf den nach Hause Weg.

00:30:14: Um sixteen Uhr fünfzig verbindet sich ihr Mobiltelefon mit dem Hauswählan.

00:30:18: Sylvia ist offensichtlich zu Hause angekommen.

00:30:21: Doch dieses Signal ist zugleich das letzte Lebenszeichen von ihr.

00:30:25: Eine gute halbe Stunde später, gegen siebzehn Uhr zwanzig, telefoniert Marco über das Festnetztelefon mit dem Besitzer eines Pferdehofs, auf dem er und Tochter Miriam viel Zeit verbringen.

00:30:35: Mindestens einmal pro Woche nimmt die zwölfjährige dort Reitunterricht.

00:30:38: Marco hilft währenddessen im Stall, misstet aus oder über einem kleinen Hausmeister arbeiten, um sich etwas dazu zu verdienen.

00:30:45: An diesem Mittwoch bittet der Hofbesitzer ihn telefonisch um Unterstützung für den nächsten Tag.

00:30:50: Doch Marco reagiert ungewohnt zögerlich und bittet um Bedenkzeit.

00:30:55: Gegen neunzehn Uhr klingelt bei den Schulzes erneut das Festnetztelefon.

00:30:58: Silvias Vater, Sabines und Miriams Opa, versucht die Familie zu erreichen, doch niemand hebt ab.

00:31:05: Erst dreißig Minuten später um neunzehn Uhr dreißig ruft Marco ihn zurück und erklärt Silvia und Miriam hätten sich hingelegt.

00:31:12: Am späten Abend sehen Nachbarin wie Marco die Mülltonne vor dem Haus platziert, die am kommenden Tag gelehrt werden soll.

00:31:18: Und am nächsten Morgen beobachten ZeugInnen wie der einundvierzigjährige im grauen PKW-Durchdrage fährt.

00:31:24: Ab dann verliert sich auch seine Spur.

00:31:27: Wir hatten also fest, Marco Schulze wird das letzte Mal am Donnerstagmorgen gesehen, einen Tag bevor die Familie als vermisst gemeldet wird.

00:31:34: Die Spur von Sylvia und Miriam verliert sich aber schon am Mittwoch, kurz nach dem Sylvia wegen Miriams angeblicher Krankheit, die Arbeit verlässt und sich ihr Handy am frühen Abend zu Hause ins WLAN einloggt.

00:31:45: Miriam hätte an diesem Tag eigentlich einen Arzttermin gehabt, doch dort erschien sie nie.

00:31:50: Abgesagt wurde der Termin aber auch nicht.

00:31:53: Irgendetwas muss in der Zwischenzeit passiert sein.

00:31:55: Und genau das ist der Punkt, an den die Ermittlungen ins Stocken geraten.

00:32:00: Was ist in diesem Haus passiert?

00:32:02: Warum hat Marco Gezögert, als ihn der Pferdehofbesitzer fragte, ob er am nächsten Tag helfen könne?

00:32:07: Und warum taucht Miriam nie in der Arztpraxis auf?

00:32:10: Mit jeder neuen Erkenntnis scheinen mehr Fragen aufzutauchen als Antworten.

00:32:15: Was hat sich zwischen den Wänden des Hauses der Schulzes und Rage abgespielt?

00:32:19: Wie kann es sein, dass eine gesamte Familie einfach so verschwindet?

00:32:24: Jedes Mal, wenn Sabine sich diese Frage stellt, beschleunigt ihr Herzschlag.

00:32:28: Denn es könnte ja auch sein, dass Silvia, Marco und Miriam in einer Notsituation sind.

00:32:32: Dass sie Hilfe brauchen und darauf warten, dass jemand sie rettet.

00:32:36: Oder wäre jede Form der Hilfe längst zu spät.

00:32:39: Die Vorstellung davon versucht Sabine mit aller Kraft von sich zu schieben.

00:32:43: Sie darf sich solchen grausamen Gedankenspielen nicht hingeben.

00:32:46: Sie muss gerade jetzt auf sich achten.

00:32:48: Nicht nur für ihre zweijährige Tochter, die weiterhin ihre Mama braucht, auch für das kleine Wesen, das in ihr heran wächst.

00:32:54: Sabine ist nämlich schwanger.

00:32:56: Erst vor wenigen Wochen hat sie die Nachricht bekommen, dass sie zum zweiten Mal Mutter wird.

00:33:00: Die Neuigkeit hatte sie kurz darauf auch mit Sylvia und Marco geteilt, doch statt sich auf ihr Baby zu freuen, findet sie sich nun in diesem Albtraum wieder.

00:33:08: Seit mittlerweile einer Woche gibt es von ihrer Familie kein Lebenszeichen.

00:33:12: Sabine fährt es zunehmend schwer, optimistisch zu denken.

00:33:15: Sorge und Angst lassen schwer auf ihr und machen aus der vierundzwanzigjährigen ein hibbeliges Nervenbündel, wie sie uns selbst erzählt hat.

00:33:23: Ich war sehr schlaflos, ich war ruhrlos, rastlos, bin durch meine Wohnung gelaufen wie ein Tiger im Käfig.

00:33:29: Also so hat sich es angeführt und so wurde es mir vor meinem Umfeld beschrieben.

00:33:33: Mensch, setz dich doch mal, du läufst ja hier wie ein Tiger im Käfig, weil ich von Raum zu Raum bin, ohne in irgendeinem Raum irgendwas zu machen.

00:33:40: Und ja, bei mir die Bewegung einfach in dem Moment geholfen hat, nachzudenken beziehungsweise auch nicht nachzudenken oder weniger nachzudenken.

00:33:50: Sabine versucht ihren Alltag irgendwie aufrecht zu erhalten.

00:33:53: inmitten dieses Schwäbezustands aus Bangen und Hoffen zumindest ein Stück weit Normalität zu bewahren.

00:33:59: Doch Wasserbiene zu diesem Zeitpunkt nicht ahnt.

00:34:02: Schon bald wird sie eine Nachricht bekommen, die ihr den Boden unter den Füßen wegziehen wird und die zugleich so viele neue Fragen in ihr hervorrufen wird.

00:34:12: Es ist Freitag, der einundreißigste Juli, zweitausendfünfzehn.

00:34:16: Er schüttert, stehen die Einsatzkräfte am steinigen Elbrüfer und blicken auf den Leichnamen, den sie soeben aus dem Wasser geborgen haben.

00:34:23: Bliedmaßen und Gesicht sind aufgedunsen, doch noch tragischer als der Anblick ist die Gewissheit, die dieser Fund mit sich bringt.

00:34:30: Das ist Markus Schulzer.

00:34:32: Während von Sylvia und Miriam nach wie vor jede Spur fehlt, steht die Polizei nun acht Tage nach Beginn der Suchmaßnahmen vor seinem Leichnamen.

00:34:39: Eine Passantin hatte den leblosen Körper am frühen Morgen im Wasser treibend entdeckt, auf Höhe einer Brücke in Launenburg, rund von rund zuzwanzig Kilometer von Trage entfernt.

00:34:48: Die Polizei muss nicht lange rätseln, was dem einundvierzigjährigen zugestoßen ist.

00:34:53: Denn tatsächlich spricht bereits die aufhinde Situation für die Ermittlenden um Kriminalhauptkommissar Michael Dücker Bände, wie er uns erklärt hat.

00:35:01: Wir haben das Fahrrad des Marco Schulze im Wasser gefunden.

00:35:05: Des Weiteren fehlte auf der Brücke ein.

00:35:08: Betonklotz eines Absperrgitters.

00:35:11: Und dieser Betonklotz war mit dem Leichnam verbunden mit einem Spannengurt.

00:35:17: Das Makoschulze trotz dieses Betonklotzes von twenty-fünf Kilogramm auf der Wasseroberfläche trieb, liegt einzig und allein an den Gasen, die der Leichnam entwickelt hat und die ihm Auftrieb verschafft haben.

00:35:29: Für Dücker und sein Team gibt es keine Zweifel.

00:35:31: Makoschulze hat sich suizidiert.

00:35:33: Er hat sich selbst das Leben genommen.

00:35:35: Während die Polizei in den vergangenen Tagen nach ihm und seiner Familie suchte, öffentlich verhandelte und nahezu jeden Quadratmeter seines Wohnorts unter die Lupe nahm, trieb er verbunden mit dem Betonklotz Tod in der Elbe.

00:35:48: Eine tragische Vorstellung.

00:35:50: Für die Ermittlenden ist schnell klar, dass ein Fremdeinwirken nicht infrage kommt.

00:35:54: Schließlich weiß der Leichnam keine Spuren von Gewalt auf, die darauf hinläutend, dass es zuvor einen Kampf gegeben haben könnte und Marco sich womöglich gewährt haben könnte.

00:36:03: Marco Schulze, da sind sich die Beamtinnen sicher, ist selbst aus dem Leben getreten.

00:36:08: Der Fund von Markus Leichnam und die damit verbundene Erkenntnis, dass es sich hier offenbar um einen Suizid handelt, sind Grund genug für Schwermut.

00:36:15: Doch die schwerste Aufgabe steht der Soko nun erst noch bevor, denn sie müssen es den Angehörigen sagen.

00:36:22: Dazu gehört auch Sabine.

00:36:24: Einige Stunden später sitzt die regungslos zu Hause auf dem Sofa, während die sanften Blicke zweier Polizisten auf ihr ruhen.

00:36:32: Wie ein Echo hallen die Worte der Beamten in ihren Ohren nach.

00:36:35: Worte, die Sabine's Welt soeben in Trümmern gelegt haben.

00:36:39: Marco ist tot, er hat sich suizidiert.

00:36:42: Die vierundzwanzigjährige kann nicht glauben, was sie da hört.

00:36:45: Ihr fröhlicher, liebevoller Stiefvater soll selbst bestimmt aus dem Leben getreten sein?

00:36:51: Das kann eigentlich nicht sein, das darf nicht sein.

00:36:54: Sabine hat das Gefühl zu fallen, tiefer und tiefer in einen seelischen Abgrund, ohne zu wissen wann und wo sie aufschlagen wird.

00:37:01: Sie weiß nicht, was sie denken, geschweige denn fühlen soll.

00:37:04: Doch dann nach wenigen Minuten kehrt die Rationalität zurück.

00:37:07: Unser Biene formuliert einen konkreten Wunsch.

00:37:10: Welcher das war, hat sie uns im Interview erzählt.

00:37:13: Dann habe ich gesagt, okay, ich möchte gerne die Leiche sehen.

00:37:16: Ich möchte das gerne machen, weil ich wusste und weiß, dass Abschied nehmen nur möglich ist, wenn das Gehirn was hat, was es fassen kann.

00:37:27: Und wenn man den Leichnam sieht und sich in dem Zuge verabschieden kann, dann kann der Trauerprozess starten und dann kann man da gut durchkommen.

00:37:38: bei jeder Person anders und kommt auch auf die individuellen Bedürfnisse an.

00:37:42: Ich kenne jemanden, der durch so einen Prozess gut durchgekommen ist, ohne die Leiche zu sehen.

00:37:47: Bei mir war das bei einem Trauerfall so, dass ich, obwohl ich die Leiche gesehen habe, dass da mein Kopf noch sehr lange nicht mitgekommen ist.

00:37:53: Für mich war das trotzdem total wichtig, dafür diesen Tod überhaupt zu akzeptieren.

00:37:57: Deswegen kann ich den Wunsch da total nachvollziehen.

00:38:00: Aber die Polizisten machen Sabine jetzt klar, dass sie das für keine gute Idee halten.

00:38:06: Sie bitten Sabine von ihrem Wunschabstand zu nehmen und erklären, dass eine Wasserleiche ein schlimmer Anblick sei.

00:38:11: Die vierundzwanzigjährige solle sich diese Tortur nicht antun.

00:38:15: An sich und ihr ungeborenes Kind denken und ihren Stiefvater lieber so in Erinnerung behalten wie er war.

00:38:20: Sabine machen diese Worte wütend.

00:38:22: Sie fühlt sich bevormundet, beginnt zu diskutieren und betont, dass es ihr Recht sei, die Leiche zu sehen.

00:38:27: Doch schließlich gibt sie nach.

00:38:29: Sie wird keinen Blick auf Markus Totenkörper werfen.

00:38:32: Dafür gibt es eine andere schmerzhafte Sache, der sie nun ins Auge sehen muss.

00:38:37: Denn die Polizisten erzählen ihr auch, dass Markus Tot nur einen Rückschluss auf das Schicksal von Sylvia und Miriam zulässt.

00:38:44: Beichen, erzählt Michael Düker.

00:38:46: Als wir dann den Leichnamen aufgefunden haben und wussten, ist es ein Suizid, dann mussten wir eigentlich vom Schlimmsten aus gehen.

00:38:53: Für uns war dann sehr schnell klar, es muss eigentlich so gewesen sein, dass Marco ... seine Ehefrau und seine Tochter getötet hat, auf welche Art und Weise auch immer.

00:39:04: Wir vermuten auf eine unblutige Art und Weise, denn wir haben im Haus ja keinerlei Spuren gefunden, die auf einem Gewaltdelikt hindeuteten.

00:39:13: Die Polizei geht also von einem sogenannten erweiterten Suizid aus, also wenn Täter innen nah stehende Menschen umbringen, bevor sie sich selbst töten.

00:39:20: Oft aus der Überzeugung heraus, diese Menschen könnten ohne sie nicht leben und wären tot besser dran.

00:39:26: Sabine ist von dieser Vorstellung erschüttert.

00:39:28: Markus soll ihre Mutter und Schwester getötet haben, bevor er sich selbst das Leben nahm.

00:39:32: Er soll die Menschen umgebracht haben, die ihm die Welt bedeutet haben.

00:39:36: Sabine kann das einfach nicht glauben.

00:39:39: All das, was die Polizisten hier schildern, das Bild, was sie von ihm zeichnen, das passt überhaupt nicht zu dem Marco, den sie kennt.

00:39:45: Ihr Stiefvater war einer von den Guten, ein Familienmensch durch und durch und ein liebender Ehemann.

00:39:50: Doch allen voran war er eins, ein aufopferungsvoller Vater.

00:39:54: Ihre kleine Schwester Miriam war Markus ein und alles, das weiße Biene.

00:39:58: Nicht Mutter Sylvia, sondern Markus war es, der neben seinem Hauptjob noch im Pferdestall schuftete, um Miriam Reitstunden finanzieren zu können.

00:40:05: Er war es, der sie Woche für Woche zu ihrem Hobby fuhr.

00:40:08: Er war es, der regelmäßig vor Ort lieb und seinem kleinen Mädchen dabei zusah, wie es in den Sattel stieg.

00:40:14: Und dieser Mensch soll sie gewaltsam getötet haben?

00:40:17: Für Sabine klingt das alles sobald hergeholt.

00:40:20: Doch die Polizisten machen ihr klar, dass sie an ihrer Theorie festhalten, dass sie davon ausgehen, dass Marco Silvia und Miriam tötete, bevor er sich selbst das Leben nahm.

00:40:29: Und so bleibt Sabine schließlich nichts anderes übrig, als den Gedanken zuzulassen, dass jener Mensch, der ihr näher war als ihre eigene Mutter, der ihr Leben mit seiner Wärme und Liebenswürdigkeit immer bereichert hat und die Familie wie ein Band zusammengehalten hat, nun offensichtlich derjenige ist, der sie auf tödliche Weise auf auseinandergerissen und ausgelöscht hat.

00:40:49: Doch um ihre Mutter und Schwester trauern, wird Sabine erst können, nachdem ihre Leichen gefunden wurden und ihr Tod sich damit sicher bewahrheitet.

00:40:58: Nachdem das Gespräch mit den Beamten beendet ist, legt sich Sabine auf Sofa statt an die Decke und überlegt.

00:41:04: Sie kann nicht anders als sich wieder und wieder vorzustellen, wie Marco unter Wasser einen qualvollen Todeskampf geführt haben muss.

00:41:11: Und das ist noch nicht mal das Schmerzhafteste, worum Sabines Gedanken kreisen.

00:41:15: Sie denkt an das, was er ihrer Mutter und ihrer Schwester angetan haben soll.

00:41:19: Sabine kann nicht aufhören, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie er es gemacht haben könnte.

00:41:24: Hat er Sylvia und Miriam erwürgt oder er drosselt?

00:41:26: Hat er eine Waffe?

00:41:29: Die vierundzwanzigjährige beginnt über die letzten Minuten im Leben der beiden zu spekulieren.

00:41:33: Darüber, ob sie Angst hatten, um Hilfe geschrien oder sich gewährt haben.

00:41:38: Fakt ist, Marco war ein großer, kräftiger Mann, ihre Mutter, der ging mit ihren einen Meter, sechsundfünfzig, zart und klein.

00:41:44: Wieder sie noch mehrere haben, hätten körperlich den Hauch einer Chance gegen ihn gehabt.

00:41:48: Je weiter Sabine ihren Gedanken folgt, desto lauter wird die Frage, die alle anderen übertönt.

00:41:54: Warum um Himmels Willen sollte Marco das getan haben?

00:41:58: Dieses Rätsel beschäftigt nun auch die Polizei.

00:42:00: Nach dem Fund von Markus Leichnam und der Annahme eines erweiterten Suizids hat die Soko nun kaum noch Hoffnung, Sylvia und Miriam leben zu finden.

00:42:08: Ab jetzt suchen sie also nach zwei Leichen.

00:42:10: Für die Ermitteln sind nun vor allem zwei Fragen relevant.

00:42:14: Was könnte Marco dazu bewogen haben, sowohl sein eigenes Leben als auch das seiner Liebsten auszulöschen?

00:42:20: Und wenn er wirklich zum Täter geworden ist, wo sind dann die Körper von Sylvia und Miriam?

00:42:26: Um die endlich zu finden, setzt die Polizei ihre Suchmaßnahmen fort.

00:42:29: Neben dem Bereich der Elbe, in dem Marco gefunden wurde, durchkämmen die Einsatzkräfte nun auch umliegende Waldgebiete und nehmen die grünen Weiten der Elbmarsch unter die Lupe.

00:42:38: Zeitgleich versucht die Soko sich einen Reim darauf zu bilden, mit welchen unsichtbaren Dämonen Marco womöglich zu kämpfen hatte.

00:42:45: Mittlerweile steht die Theorie der Ehekrise im Raum.

00:42:48: Die Polizei hält es für möglich, dass Sylvia sich trennen, das Haus in Drage verlassen und gemeinsam mit ihrer Tochter Miriam einen Neuanfang wagen wollte.

00:42:55: Vielleicht an einem anderen Ort, vielleicht sogar mit einem anderen Mann.

00:43:00: Dazu passt auch, dass sie den Schulspind ihrer Tochter vor Beginn der Sommerferien leer räumte und sämtliche Schulbücher abgab.

00:43:07: Für Marco, der vor allem zu seiner Tochter ein inniges Verhältnis hatte, wäre das in jedem Fall eine persönliche Tragödie gewesen.

00:43:15: Die Polizei hat diese Option daher durchaus für möglich.

00:43:18: Doch festlegen wir sich die Soko nicht, wie uns Michael Dücker erzählt hat.

00:43:22: Ein Motiv könnte theoretisch sein, dass die Frau sich trennen wollte.

00:43:27: Aus welchen Gründen auch immer.

00:43:29: Aber es hat uns niemand konkret so gesagt.

00:43:32: Und wir haben auch keinerlei Hinweise gefunden, dass sie zum Beispiel in Zeitungsannunzen nach einer neuen Wohnung umschau gehalten hätte.

00:43:40: Jetzt muss man sagen, dass niemand aus dem Umfeld was von dem Beziehungsproblem wusste, hat bei Familie Schulze jetzt nicht wirklich was zu heißen, weil Sylvia war eine Frau, die sehr viel Wert auf Außenwirkung gelegt hat.

00:43:51: Das hat Sabine uns erzählt.

00:43:53: Und die beiden hatten ja auch keinen richtigen Freundeskreis, wo sie das mal hätten andeuten oder thematisieren können.

00:43:59: Denkbar wäre auch, dass die finanzielle Situation der Schulze etwas damit zu tun hat.

00:44:03: Michael Dücker und sein Team finden heraus, dass die Familie trotz ihres großen Hauses alles andere als wohlhabend war.

00:44:09: Na zu jeder Euro beider Einkommen wurde verwendet und am Ende des Monats blieb selten was übrig.

00:44:14: Die Soko kann zwar keine großen Schulden ausfindig machen, aber womöglich stand irgendein finanzieller Engpass bevor, für den Marco sich schämte, der der Ehe von Marco und Sylvia so schwer zusetzte, dass die dreiviertigjährige wiederum mit Trennung drohte und Marco in seinem von Scham und Verzweiflung vernebelten Verstand keinen anderen Ausblick sah.

00:44:33: Es wurde dann auch erklärt, warum Miriam, einer Freundin kurz vor ihrem verschwindenen Anvertraut hatte, dass sie nicht wisse, ob sie wirklich in den geplanten Reiterurlaub fahren könne.

00:44:40: Plötzlich kann die Sokoschulze aber keine dieser Theorien eindeutig belegen.

00:44:45: Sie sind genauso ratlos wie Sabine.

00:44:47: Seitdem Sabine erfahren hat, dass ihr Stiefvater tot ist und alles darauf hindeutet, dass er neben seinem eigenen Leben auch das ihrer Mutter und ihrer kleinen Schwester ausgelöscht hat, fährt ihr Gedanken Karussell Tag und Nacht ohne Pause.

00:44:59: Immer wieder geht sie die letzten Treffen und Gespräche mit ihrer Familie im Kopf durch.

00:45:04: Gab es Anzeichen?

00:45:05: Warnsignale?

00:45:07: Sabine macht sich große Vorwürfe, dass sie nichts bemerkt hat.

00:45:10: Sie stand Marco nahe, hat regelmäßig mit ihm telefoniert und ihm erzählt, wenn sie Sorgen oder Probleme hatte.

00:45:16: Sie erinnert sich an etwas, das Marco ihr als Teenager oft gesagt hat.

00:45:20: Rede mit mir, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.

00:45:23: Kommunikation war ihm sehr wichtig.

00:45:25: Er beharrte immer darauf, dass man gemeinsam für alles eine Lösung finden könne.

00:45:29: Dass ihr Stiefvater diesen Leitsatz selbst offensichtlich nicht beherzigt hat, kann Sabine nicht verstehen.

00:45:35: Warum hat er sich keine Hilfe gesucht, wenn er offensichtlich Probleme hatte?

00:45:39: Uns hat Sabine erzählt, dass das so gar nicht zu ihm passte.

00:45:42: Marco war kein ungebildeter Mensch, kein ... sag ich jetzt mal ... Trottel, der nicht weiß, was man in gewissen Lebenssituationen tun kann.

00:45:53: Also wenn mein Auto kaputt ist, fahre ich in die Werkstatt.

00:45:56: Wenn mein Dach undicht ist, dann muss ich einen Dachdecker holen.

00:45:59: So hätte ich ihm auch bis zum Schluss zugetraut.

00:46:02: Und wenn ich Probleme habe, mit denen ich alleine nicht mehr zurechtkomme, dann gehe ich irgendwo hin zu Menschen, die mir helfen können.

00:46:11: Und dass er das nicht getan hat, zeigt mir, dass da wahrscheinlich eine Menge Scham und Wut und auch das Gefühl, die Situation gar nicht ernst genug genommen zu haben.

00:46:23: Also er wollte dann lieber die Situationen, der er war, komplett beenden, anstatt sich Hilfe zu suchen.

00:46:32: Warum auch immer.

00:46:33: Sabine erinnert sich am Miriams zwölften Geburtstag, den sie alle gemeinsam im Haus und Rage gefeiert haben.

00:46:39: An diesem Tag schien alles in Ordnung zu sein.

00:46:42: Ihre Mutter, ihre Schwester, Marco, sie wirkten ausgeglichen, fröhlich und ganz normal.

00:46:47: Doch je länger Sabine über diesen Nachmittag nach denkt, desto unsicherer wird sie.

00:46:52: War wirklich alles so harmonisch, wie sie es in Erinnerung hat?

00:46:55: Sie geht den Tag in Gedanken immer wieder durch, sucht nach etwas, das ihr entgangen sein könnte, einem Blick, einem Satz, einem Moment, der nicht passte.

00:47:04: Doch da ist nichts.

00:47:05: Alles hat so normal gewirkt, dass es ihr heute fast unheimlich vorkommt.

00:47:10: Erst Tage nach dem Fund von Markus Leiche, als Sabine zum Wiederholten mal die alten Chats mit ihrer Familie liest, entdeckt sie etwas, das sie stutzig macht.

00:47:18: Eine Nachricht, die Marco ihr wenige Wochen vor dem Verschwinden geschickt hatte, nachdem sie ihm das Foto ihres positiven Schwangerschaftstests gesendet hatte.

00:47:26: Der einundvierzigjährige schreibt darin, wie sehr er sich für Sabine freut, dass er ihr nur das Beste wünscht und hofft, dass ihr weiteres Leben so verläuft, wie sie es sich vorstellt.

00:47:37: Sabine hatte diese Nachricht damals einfach nur als etwas überschwänglich verbucht.

00:47:41: Doch heute ließ sich die Nachricht für sie wie ein Abschied, den sie damals nicht erkannt hat.

00:47:46: Sabine ist überzeugt, dass Marco zu diesem Zeitpunkt längst beschlossen hatte, was er tun würde.

00:47:51: Die Erkenntnis trifft sie mit voller Wucht.

00:47:54: Der Mann, den sie als Vaterfigur gesehen hat, der ihr Halt gegeben und die Familie zusammengehalten hat, hat offenbar ihre Familie ausgelöscht.

00:48:01: In Sabine macht sich eine tiefe, lähmende Traurigkeit bereit.

00:48:05: Aber erstaunlicherweise keine Wut oder Hass, wie sie uns erzählt hat.

00:48:12: Er hat deine Mutter umgebracht, er hat deine Schwester umgebracht.

00:48:18: Die war erst zwölf, die hatte ihr Leben noch vor sich.

00:48:21: Ich habe versucht, ihn zu hassen, weil ich mir eingeredet habe, dass es das einfacher macht, dass es die Trauerschmälert oder so.

00:48:29: Ich habe aber gemerkt, erstens, das funktioniert so nicht.

00:48:32: Und zweitens, dann würde ich mich auch selbst mit belügen irgendwo.

00:48:37: Das ist es einfach nicht.

00:48:38: Das Gefühl ist einfach nicht da.

00:48:41: Sabine trifft für sich eine wichtige Entscheidung.

00:48:44: Sie will Marco trotz der Unbegreiflichkeit seiner Taten nicht darauf reduzieren.

00:48:48: Sie weigert sich, ihn in die Rolle des Bösen zu drängen.

00:48:51: Das wäre zu einfach und würde ihm nicht gerecht werden.

00:48:54: Denn Marco war mehr als das, was an jenem Tag geschehen ist.

00:48:58: Er ist damals in ihr Leben getreten, als sie kaum wusste, wie es sich anfühlt, Teil einer Familie zu sein.

00:49:03: Er hat sie gesehen.

00:49:04: etwas, das ihre eigene Mutter nie geschafft hat.

00:49:07: Marco hat sie ermutigt, beschützt und ihr das Gefühl gegeben wertvoll zu sein.

00:49:10: Das kann Sabine nicht einfach leugnen.

00:49:13: Sie kann den Menschen, der ihr gezeigt hat, was Nähe bedeutet, nicht nur noch als Täter betrachten.

00:49:18: Und doch weiß sie, dass sie sich dem Schmerz stellen muss.

00:49:21: Wenn Marco wirklich derjenige war, der Silvia und Miriam das Leben genommen hat, dann will sie es wissen.

00:49:27: Sie braucht Gewissheit, so schmerzhaft sie auch sein mag.

00:49:30: Denn nur die Wahrheit kann den Albtraum beenden, indem sie seit Monaten gefangen ist.

00:49:34: Und dann, im August, im August, scheint dieser Moment gekommen.

00:49:38: Es sieht so aus, als würde Sabine endlich erfahren, was wirklich mit ihrer Familie passiert ist.

00:49:44: Etwa drei Wochen nach dem Verschwinden der Schulze, meldet sich eine Frau bei der Polizei, die angibt, die Familie am Mittwoch, dem zwanzigsten Juli, gegen Abend gesehen zu haben, also an dem Tag, an dem Sylvia zuletzt auf der Arbeit erschienen ist und früher nach Hause gefahren ist, nachdem Marco sie angerufen hatte.

00:49:59: Die Zeugin berichtet, dass sie Mutter, Vater und Tochter im Bereich des sogenannten Müllenteils in Holmsättensen gesehen habe, etwa forty-fünf Minuten Autofahrt von Drager entfernt.

00:50:10: Die Familie sei nebeneinander hergelaufen und habe gestritten, dabei sei der Name Biene gefallen.

00:50:16: Wenig später habe sie gehört, wie eine Frauenstimme gerufen habe, spinnst du, was soll das?

00:50:21: Und eine kindliche Stimme habe gesagt, nein, Papa, lass das.

00:50:24: Dann habe sie zwei Knallgeräusche vernommen, vergleichbar mit einer Autotür, die zugeschlagen wird.

00:50:30: Für die Beamtinnen scheint es, als wäre er da endlich.

00:50:33: Der vielversprechende Hinweis, auf den sie so lange gewartet haben.

00:50:37: Womöglich ist der Müllenteich der Ort, der ihnen Antworten geben wird.

00:50:41: Vielleicht ist das der Tatort.

00:50:42: Vielleicht werden sie dort die Leichen von Sylvia und Miriam finden.

00:50:46: Dutzende Beamtinnen rücken aus, in der Hoffnung am Müllenteich endlich spuren und somit die Wahrheit zu finden.

00:50:52: Der Seppensamühlenteich ist ein ruhiges idyllisches Fleckchen Erde.

00:50:56: Eingebettet in ein Waldstück und umgeben von sattgrünen Bäumen ist die Gegend um den Teich vor allem bei Spaziergängerinnen beliebt.

00:51:03: Auch Anglerinnen werfen am Ufer regelmäßig ihre Routen aus.

00:51:07: Heute jedoch ist der Mühlenteich Schauplatz eines polizeilichen Großaufgebots.

00:51:12: Nach der vielversprechenden Aussage der Zeugen startet die Polizei heute eine groß angelegte Suchaktion nach Silvia und Miriam.

00:51:18: So wird das Gewässer selbst als auch die Umgebung sollen durchsucht werden.

00:51:22: Leiter Michael Dücker erklärt, wie die Lage vor Ort aussah.

00:51:25: Wir haben Planea dort umfangreiche Suchmaßnahmen eingeleitet, zunächst mit Personen Spürhunden.

00:51:32: Da haben wir drei Hunde eingesetzt, die jeweils eine extra Spur bekommen haben, nämlich einmal von dem Marco, einmal von der Silvia und einmal von der Miriam.

00:51:44: Wir haben die Hunde an einem bestimmten Punkt, nämlich an einem Parkplatz, dort starten lassen.

00:51:48: Und alle drei Hunde haben uns an den See geführt, an die gleiche Stelle, was sehr erstaunlich war.

00:51:55: Und ein Hund, nämlich der die Spur von dem Marco hatte, hat den Weg weiter verfolgt um den See rum und zurück zum Parkplatz.

00:52:03: Bedeutet, die Vermutung liegt nahe, dass alle drei Mitglieder der Familie am Müllenteich waren, aber nur Marco den Ort auch wieder verlassen hat.

00:52:11: Die Einsatzkräfte sind deswegen voller Hoffnung.

00:52:13: Sie rechnen fest, damit heute die Leichen von Sylvia und Miriam zu bergen und dem mysteriösen Vermisstenfall damit nach drei Wöchigen Rätseln ein trauriges Ende zu bescheren.

00:52:23: Während Polizistinnen das dicht bewachsene Uferabsuchen fährt ein Sonarbot den Teich ab, um auffällige Stellen zu identifizieren.

00:52:31: Polizeithaucherinnen sind im Einsatz und wagen sich immer wieder hinab in die Tiefe.

00:52:35: Doch jedes Mal, wenn sie an die Wasseroberfläche zurückkehren, zeigen sie den Beamtinnen am Ufer den Daumen nach unten.

00:52:41: Fehlanzeige.

00:52:43: Die Polizei beendet schließlich die Suche, ohne Sylvia und Miriam gefunden zu haben.

00:52:48: Eine bittere Pille für die Ermittlenden.

00:52:50: Und wirklich sicher zu gehen, dass in dem Teilchen mit schlammigen Untergrund nichts übersehen wurde, überlegt die Soko-Unterleitung von Michael Dücker das Gewässer abzulassen, hat Dücker uns erzählt.

00:52:59: Ich habe es zwischenzeitlich schon prüfen lassen, ob wir nicht einfach das Wasser mal ablassen.

00:53:04: Das ist also nicht ein normaler, nur ein Teich, sondern da fließt der Mühlenbach durch.

00:53:10: Es ist also ein leichtes Fließgewässer, was durch den Teich geht, aber auch durch einen Seitenkanal an dem Teich vorbei geführt wird.

00:53:19: Man hätte das theoretisch absperren können, die eine Seite und die andere Seite öffnen können.

00:53:25: Und dann wurde mir mitgeteilt von der zuständigen Stelle, dass das eine riesige Gefahr wäre, wenn wir das öffnen würden, dass dann der ganze Schlamm mit den ganzen Ablagerungen letzten Endes in diesem Mühlenbach fließt und mir wurde gesagt, wir würden ein Fischsterben auslösen.

00:53:43: Dadurch.

00:53:45: Aber das ist nicht das einzige Problem mit dem Teich.

00:53:48: Die Polizei bekommt Zweifel an der Genauigkeit der Aussage der Zeugen.

00:53:52: Vielleicht waren die Schulzes hier, vielleicht erinnert die Zeugen das richtig, das würde auf das Anschlagen der Hunde erklären, aber vielleicht hat sie sich in dem Tag geirrt.

00:54:00: Gegen die Theorie spricht nämlich außerdem die Zeit.

00:54:03: Die Zeugen will die Familie am Mittwochabend vor Beginn der Sommerferien dort gesehen haben.

00:54:08: Wir erinnern uns, das war der Tag, an dem Miriam krank zu Hause war.

00:54:11: Silvia früher von der Arbeit kam und Marco gegen halb sechs noch mal mit dem Besitzer des Ferdehofes telefonierte.

00:54:17: und um halb acht rief er dann seinen Schwiegervater zurück.

00:54:20: Selbst wenn Marco direkt nach dem Telefonat mit dem Hofbesitzer aufgebrochen wäre, hätte er angesichts von anderthalb Stunden für Hin- und Rückfahrt für die Tat selbst nur eine halbe Stunde Zeit gehabt.

00:54:31: Das ist schlichtweg unrealistisch, sagt Michael Dücker.

00:54:34: In dieser Zeit hätten sie vom Parkplatz an diese Stelle des Sees gehen müssen.

00:54:39: Dann hätte er beide, die er vorher noch gelebt haben, dann umbringen müssen.

00:54:45: Dann hätte er ins Wasser gehen müssen, in den Schlamm und sie im Wasser versenken müssen.

00:54:51: Und er hätte sie auch nicht mitten in den See bringen können.

00:54:54: Er hätte dann noch ein Boot haben müssen.

00:54:57: Das war alles unlogisch.

00:54:59: Das hätte eigentlich nicht sein können.

00:55:01: Denn am direkten Uferbereich, dort hätten die Taucher die Leichen gefunden.

00:55:06: und weiter rein hätte sie eigentlich nicht bringen können.

00:55:09: Also war das sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich, dass es tatsächlich so gewesen ist, obwohl die Hunde uns das da angezeigt haben, obwohl es diese Zeugenaussage gab.

00:55:18: Dass die Suche im Müllenteich erfolglos blieb, enttäuscht nicht nur die Polizei, sondern auch Sabine.

00:55:23: Als sie vierundzwanzig jährige erfahren hatte, dass die Zeuge in ihren Spitznamen Biene gehört haben will und die Ermittlende das Wasser unter die Lupe nehmen, war ihr das Herz regelrecht in die Hose gerutscht.

00:55:33: Das Gewässer liegt ganz in der Nähe ihres Wohnorts.

00:55:35: Ein Fund hätte bedeutet, das Leben von Sylvia und Miriam endete unweit ihrer Haustür.

00:55:41: Doch zugleich hätte ein Bergen der Leichen für einen Schlussstrich gesorgt, für Gewissheit, die sie sich so sehr wünscht.

00:55:47: Dass die Polizei ihre Idee, den Teich abfließen zu lassen verworfen hat, macht Sabine sauer.

00:55:52: Dieser Schritt wäre wichtig gewesen, um ihr Klarheit zu verschaffen.

00:55:55: Es könnte immer noch sein, dass ihre Mutter und ihre Schwester dort auf dem Seegrund liegen, begraben von Schlamm und Matsch.

00:56:02: Sabine ist verzweifelt.

00:56:04: Wie soll sie um ihre Sylvia und Miriam trauern, wenn sie nach wie vor verschwunden sind?

00:56:08: Wie soll man mit etwas abschließen, das völlig unklar ist?

00:56:12: Um ihrer Ohnmacht etwas entgegenzusetzen, klammert sich Sabine an jeden Strohhalm.

00:56:17: Und dazu gehört auch, dass sie online alles liest, was über die Familie und das vermeintliche Verbrechen geschrieben wird.

00:56:23: Indem sie jedes Detail aufsaugt, versucht Sabine das Gefühl von Kontrolle zurückzugewinnen, dass ihr mit dem Verschwinden ihrer Familie genommen wurde.

00:56:31: Sie beginnt, sämtliche Zeitungsartikel zu lesen, Foren- und Facebook-Gruppen zu durchforsten, in denen Menschen den Fall ihrer Familie diskutieren, der längst deutschlandweit bekannt ist.

00:56:40: Und schon bald stößt sie dabei auf Kommentare, die den erweiterten Suizid in Zweifel ziehen, die ihre eigenen teilst abstrusen Theorien aufstellen, als wären sie näher dran an der Wahrheit als sie selbst.

00:56:55: Da kriegt man ja schon Bauchweh, wenn man das nur hört.

00:56:57: Ich kann den Drang nachverziehen, dass man das, was man nicht weiß, also die Lücken, die man hat irgendwie auffüllen will.

00:57:04: Aber ich frage mich, ob das immer online passieren muss.

00:57:07: Also muss man da immer schreiben, was man denkt.

00:57:09: Ich hatte hier für den Podcast auch schon mal einen Fall recherchiert und da Kontakt mit einer Frau gehabt, die im Umfeld eines Täters gelebt hat und deren ganzes Leben nachher zusammengebrochen ist, als sie erfahren hat, dass er in der Zeit dieser Beziehung jemanden umgebracht hat.

00:57:24: Und bei der Recherche bin ich dann auch auf Sofuren gestoßen und war auch in geschlossenen Facebook-Gruppen unterwegs und habe dann Strenge gefunden, wo Leute geschrieben haben.

00:57:34: Die muss das gewusst haben oder die steckt da selbst mit dem unter einer Decke irgendwie so, ja.

00:57:40: Also wie kommt man darauf?

00:57:41: Man interpretiert irgendwas in einen Verhalten rein und stellt das dann als Fakten.

00:57:45: Und das Ding ist, ich hatte jetzt zu der Zeit das Urteil und da stand halt drin, dass kurzzeitig auch während der Ermittlung gecheckt wurde, ob sie vielleicht etwas mitbekommen haben könnte.

00:57:55: Und das war aber sofort wieder vom Tisch wegen Grund X, Y und auch noch wegen Grund Z. Und ich find das so absurd, dass es halt Menschen gibt, die da nicht einmal drüber nachdenken.

00:58:05: Das ist ja bei so einem Fall auch Ermittlende gibt, die viel mehr wissen, die das ganze Leben durchleuchtet haben von den Personen und die dann aufgrund von Fakten nicht von einem Gefühl oder von der vermeintlichen Unstimmigkeit zu einem Ergebnis gekommen sind.

00:58:18: Und das tat mir halt so leid für sie, weil ich wusste, dass die das auch liest und sich das immer wieder anhören muss.

00:58:24: Also wenn man schon das Bedürfnis hat zu spekulieren und Menschen möglicherweise zu beschuldigen, Und dann wünsche ich mir, dass man das in den eigenen vier Wänden macht, wenn überhaupt, und dass man das nicht immer auf eine öffentliche Plattform heben muss.

00:58:35: Weil viele Betroffene mit so einem Schicksal ja echt schon genug bestraft sind.

00:58:40: Und so ist das natürlich jetzt auch bei Sabine und bei ihr drehen sich die Theorien jetzt um Menschen und Organhandel.

00:58:46: Womöglich, mutmaßen einige Leute, sind die Schulzes einem mafiosen Verbrechen zum Opfer gefallen, wurden Silvia und Miriam zur Zwangsprostitution nach Osteuropa verschleppt und sind eigentlich noch am Leben.

00:58:58: Andere Beiträge und Kommentare beharren auf den Tod der beiden und formulieren furchtbar bildlich, dass ihre Körper ausgeweitet und ihre Organe auf dem Schwarzmarkt verkauft wurden.

00:59:08: Für Sabine ist es furchtbar, all diese Dinge zu lesen.

00:59:12: Auch wenn sie ihnen kein Glauben schenkt, lösen sie ein Unbehagen in ihr aus.

00:59:16: Doch noch schlimmer als die wilden Spekulationen sind für sie die Kommentare, die sie online über ihre Familie findet.

00:59:22: Sabine liest gemeine, abwertende Dinge, vor allem über Marco.

00:59:26: Eine Aussage ist ihr da besonders im Gedächtnis geblieben.

00:59:29: Also ich glaube am meisten hat mich die Aussage getriggert.

00:59:34: Es wurde ja mit den Ausweisfotos gesucht.

00:59:37: Auf den Ausweisen sind biometrische Fotos, auf denen du ernst gucken musst.

00:59:42: Und dann diese unbedachte Aussage einer Person, ja, der sieht ja schon so aus wie.

00:59:48: Das hat mich tief getroffen, weil ich zu Marco die Meinung habe, die ich nun mal habe, das Gefühl habe, welches ich nun mal habe.

00:59:55: Und weiterführend gab es dann natürlich sämtliche anderen Schrott, den Menschen dann so von sich geben.

01:00:02: Sabine weiß, dass viele dieser Kommentare Rainer-Woyerismus sind, dass sie besser täte, sie einfach zu ignorieren.

01:00:08: Und doch kann sie nicht anders.

01:00:10: Sie fühlt sich verpflichtet, ihre Familie und Marco zu verteidigen.

01:00:13: Manchmal antwortet sie sogar, versucht mit Fakten und klarer Logik die wilden Spekulationen zu entkräften und die Absurdität offen zu legen.

01:00:21: Doch das sorgt erst recht für Gegenwind.

01:00:23: Teilweise muss sie sich sogar anhören, dass sie höchstwahrscheinlich mehr als nur väterliche Gefühle für Marco hegte.

01:00:31: Zeilen, die Sabine fassungslos machen.

01:00:33: Und auch wenn sie versucht, darüber zu stehen, wird ihr All das schließlich zu viel.

01:00:37: Die wilden Spekulation, die Ungewissheit über das Schicksal von Mutter und Schwester, der Tod ihrer Stiefvaters.

01:00:43: Das alles lasse so schwer auf ihr, dass Sabine eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt.

01:00:48: Ab sofort, bestimmte depressive Verstimmung, Flashbacks und endlose Gedanken schleifen ihren Alltag.

01:00:54: Und auch nachts findet Sabine kaum Ruhe, wie sie uns erzählt hat.

01:00:58: Also ein Traum, den ich immer wieder und über Jahre hatte, war, dass Marco auf der Brücke steht.

01:01:05: Ich schräg hinter ihm, stehe den Arm ausstreck und sage, nein, tu's nicht, kann dir helfen.

01:01:11: Er mich nur mit Lärmblick anguckt und sagt, keiner kann mir helfen und dabei springt und ich ihn dabei zusehe, wie er in die Tiefe stürzt, mit dem Wissen, dass er niemals auftaucht.

01:01:22: Ja, und so schlimm das auch ist, was Sabine da beschreibt, so typisch ist das auch bei posttraumatischen Belastungsstörungen, also dass das Gehirn versucht, durch wiederkehrende Träume ein Trauma zu verarbeiten.

01:01:32: Während Sabine daran nagt, dass sie keine Antworten findet und das Rätsel um das Verschwinden ihrer Familie sie immer weiter zermirbt, geraten auch die Ermittlungen in Stocken.

01:01:41: Kriminalhauptkommissar Michael Dücker erinnert sich an die Zeit.

01:01:44: Es gab keine Spuren mehr, es gab keine Hinweise.

01:01:49: Sie müssen sich das vorstellen, wenn man eine Sonnekommission hat, dann kommt man genauso wie bei einer Mordkommission jeden Tag ein, zweimal zusammen und man überlegt und trägt zusammen, was man in Informationen hat.

01:02:01: Und irgendwann sitzt man am Tisch und weiß nicht mehr weiter, weil es nichts mehr gibt.

01:02:06: Und jeder bringt sich ein und hat Ideen und geht auch kriminalistisch denken und vor, aber irgendwann ist das alles abgearbeitet.

01:02:15: Im September, zweizehnzehn, keine zwei Monate nach der Vermisstenmeldung, wird die Sokoschulze daher erst verkleinert und kurz darauf ganz aufgelöst.

01:02:23: Ende Juni, zweizehnzehn, wird der Fall ein zweites Mal bei Aktenzeichen XY vorgestellt.

01:02:28: Doch auch dieses Mal bleibt ein entscheidender Hinweis auf den Verbleib von Sylvia und Miriam aus.

01:02:34: Nur wenige Wochen später jähren sich das Verschwinden der Familie und der Tod von Marco Schulze zum ersten Mal.

01:02:40: Für Sabine ein Anlass für eine schmerzvolle Bestandsaufnahme.

01:02:44: In den vergangenen zwölf Monaten gab es für die mittlerweile fünfundzwanzigjährige viele traurige erste Male.

01:02:50: Sie hat die Geburtstage ohne Sylvia, Marco und Miriam gefeiert und Weihnachten ohne sie verbracht.

01:02:54: Zudem ist die Mama eines kleinen Jungen geworden, der nicht nur seinen Opa Marco, sondern auch seine Oma Sylvia und Tante Miriam vermutlich niemals kennenlernen wird.

01:03:04: Vor allem Miri, ihre kleine Schwester, die sich am Telefon bei ihr so oft über die Verbote und Stränge ihrer Mutter beschwert hat, fehlt Sabine sehr.

01:03:11: Und selbst die Streitigkeit mit ihrer Mutter vermisst sie irgendwie.

01:03:14: Zwischen all dem Schmerz hat Sabine mittlerweile einen Weg gefunden, sich mit ihrer verstorbenen Mutter in Verbindung zu fühlen.

01:03:21: Die twenty-fünf-Jährige schreibt ihr Nachrichten über den Facebook Messenger.

01:03:24: Obwohl sie weiß, dass Sylvia sie vermutlich nie lesen wird, tut es ihr gut, sich ihr mitzuteilen.

01:03:30: Für Sabine sind die digitalen Monologe wie ein Tagebuch, mit dem sie das Gefühl hat, ihre Mutter weiterhin an ihrem Leben teilhaben zu lassen, sagt sie.

01:03:38: In Halte waren einfach banal.

01:03:39: Also ich hab sie irgendwie über meinen Tagesabläufe so ein bisschen alle paar Monate mal irgendwie, wenn irgendwas gewesen ist, speziell in der Zeit, wo ich dann schwanger war, als dann das Kind gekommen ist, die ersten Schritte von dem Kind und wie das so läuft, alles, sowas stand da drin.

01:03:58: Und natürlich wie sehr ich sie vermisse, wie sehr ich mir wünsche, dass sie wieder da ist, wie sehr ... Wie sehr ich sie lieb habe und dass wenn sie jetzt vor mir stehen würde, würde ich alles vergessen wollen, was passiert ist und mit ihr als Mutter und Tochter gespannt noch mal von vorne anfangen.

01:04:16: In den kommenden Monaten und Jahren wird es ruhig um den Fall der Familie Schulze.

01:04:20: Die mediale Berichterstattung nimmt ab und der Fall wird den Aktenweige legt.

01:04:24: Zwar schon Beamtinnen der Polizeieinspektion Harburg in regelmäßigen Abständen immer wieder die Unterlagen durch, doch neue Anhaltspunkte bringt die Zeit nicht wirklich mit sich.

01:04:33: Bis im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März, im März.

01:04:58: Die Polizei macht die Frau dann ausfindig und so sitzt ihnen wenig später eine Person gegenüber, die offenbar regelmäßigen Kontakt mit Marco und Miriam hatte.

01:05:07: Diese Person hatte die Polizei damals aber nicht vernommen.

01:05:10: Bei der Zeugen handelt es sich um eine Pferdewirten und Besitzerin eines kleinen Steilsentrages.

01:05:16: Seit März, so erfahren die Beamtinnen im Gespräch, ritt Miriam dort ein bis zweimal in der Woche.

01:05:24: Bedeutet, neben dem Pferdehof, auf dem sie Reitunterricht nahm und auf dem Mako seinen Nebenjob ausübte, gab es noch einen Hof im Leben der Schulzes, den die Polizei bis dato nicht auf dem Schirm hatte.

01:05:36: Da stellt sich natürlich die Frage, wie kann das sein?

01:05:38: Und es ist wohl so, dass die Soko damals im Zuge der Ermittlungen sämtliche Reiterhöfe in der Umgebung gecheckt hat, auf diesen Hof aber nicht gestoßen ist, weil es kurz vorher einen Wechsel bei den Besitzerinnen gab und er deswegen auch nicht regulär gelistet war.

01:05:54: So hat es uns die Presse Stelle der zuständigen Polizeieinspektion Harburg erklärt.

01:05:58: Jedenfalls gibt die Frau nun an, dass Miriam und Marco am zwanzwanzigsten Juli Schultag vor den Sommerferien, an dem Miriam wegen Bauchschmerzen zu Hause geblieben war, gegen fünfzehn Uhr zu ihr auf den Hof kam.

01:06:14: Miriam habe wir jeden Mittwoch an einer Reizstunde teilgenommen, sei jedoch auffallend still und in sich gekehrt gewesen.

01:06:20: Und auch Vater Marco, der sie wie immer begleitet habe, sei ungewöhnlich, maulig und schlecht gelaunt aufgetreten.

01:06:27: Nach dem Reiterunterricht habe Miriam ihr schließlich verkündet, dass das ihre letzte Stunde gewesen sei, dass sie aufhören werde zu reiten und nicht mehr wiederkomme.

01:06:35: Und ihr Vater Marco habe das bestätigt.

01:06:38: Die Zeugen gibt an, dass sie geschockt gewesen sei und Marco gefragt habe, ob diese Entscheidung finanzielle Gründe habe.

01:06:44: Aber der einundvierzigjährige habe sich auf kein richtiges Gespräch eingelassen, stattdessen ohne eine Erklärung mit Miriam den Hof verlassen.

01:06:52: Also zum einen würde das ja die Annahme stützen, dass es tatsächlich Geld sorgen innerhalb der Familie gab, aber die Beamtinnenbegegnung der Aussage mit Skepsis, denn das Verschwinden der Schulzes liegt hier mittlerweile mehr als zweieinhalb Jahre zurück.

01:07:06: Warum erzählt die Frau Ihnen erst jetzt all die Dinge und vor allem warum schreibt sie in Facebook-Gruppen statt sich direkt an sie zu wenden?

01:07:15: Die Zeugin versichert ihnen darauf hin, dass sie bereits im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer im Sommer.

01:07:42: Jedenfalls entscheidet sich die Polizei nach der Aussage der Hofbesitzerin, dennoch das Gelände genauer unter die Lupe zu nehmen.

01:07:49: Womöglich, so ein neuer Gedanke, hat Marco seine Familie oder zumindest Miriam an diesem Ort verscharrt.

01:07:55: Leichenspürhunde kommen erneut zum Einsatz und sogar Grabungen werden punktuell vorgenommen, aber letztendlich verläuft auch diese Suchaktion erfolglos.

01:08:03: Dass Markus Schulze Geldprobleme hatte und Sylvia sich deswegen vielleicht von ihm trennen wollte, ist für die Polizei mittlerweile das wahrscheinlichste Szenario.

01:08:12: Zum einen weil Zurückweisungen und Existenzängste, vor allem bei Männern häufig das Motiv hinter einer solchen Tat sind.

01:08:18: Zum anderen, weil es wenig bis gar keine alternativen Erklärungen für das Verschwinden gibt.

01:08:25: In den kommenden Jahren gibt es immer wieder Funde, die dem Fall kurzzeitig neue Aufmerksamkeit verleihen.

01:08:31: So werden in dem Jahr zwanzigundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund.

01:08:52: Der Fall der Schulzis hat den Ort Drage nachhaltig verändert.

01:08:55: Das unbekannte Schicksal der Familie geht den Menschen bis heute nah und hat sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt.

01:09:01: Und doch geht das Leben in dem kleinen beschaulichen Ort weiter.

01:09:04: Seit Jahrzehnten steht ein neuer Name auf dem Klingelschild des roten Klinggehouses, das einst das Zuhause von Silvia, Marco und Miriam war.

01:09:13: Grablichter, die nach dem Fund von Markus Leiche vor der Haustür aufgestellt wurden, sind längst erloschen.

01:09:18: Und ein neu aufgestellter Zaun macht Symbole deutlich, dass es an der Zeit sei, einen Schlussstrich zu ziehen und nach vorne zu blicken.

01:09:26: Ein Gedanke, den sich auch Sabine zu Herzen nimmt.

01:09:28: Sie ist heute thirty- vier Jahre alt und Mutter von vier Kindern.

01:09:31: Mithilfe einer Therapie hat sie das Erlebte aufgearbeitet und in eingeriegelten Alltag zurückgefunden.

01:09:37: Immer wieder denkt sie an die schmerzhafteste Zeit ihres Lebens zurück.

01:09:41: Mittlerweile ist Sabine dankbar, dass die Polizisten sie damals davon abgehalten haben, Markus Wasserleiche zu sehen.

01:09:47: Danke war sie wütend darüber, weil sie glaubte, das Bild zu brauchen, um begreifen zu können, was passiert ist.

01:09:53: Heute weiß sie, wahrscheinlich hätte sie nie wieder losgelassen.

01:09:57: Die Ungewissheit über das Schicksal ihrer Mutter und ihrer Schwester nagt noch immer an ihr.

01:10:02: Doch Sabine hat gelernt, dem nicht mehr viel Raum zu geben.

01:10:05: Sylvia und Miriam sind tot, davon ist die thirty- vierjährige überzeugt.

01:10:10: Sie ist sich sicher, dass ihr Stiefvater sie getötet hat, bevor er auch sich selbst das Leben genommen hat.

01:10:15: Und genauso wie die Polizei, vermutet auch Sabine, dass ihre Mutter sich trennen wollte, woraufhin ihr Stiefvater sein Lebenswerk Familie gefährdet sah und in eine mentale Krise geriet.

01:10:24: Vielleicht war aber alles auch ganz anders.

01:10:27: Sabine hat sich heute damit abgefunden, dass sie auf die Frage nach dem, warum, nie eine finale Antwort erhalten wird.

01:10:33: Doch wer weiß, vielleicht bekommt sie eines Tages zumindest die Möglichkeit, ihre Mutter und Schwester zu beerdigen.

01:10:39: Vor wenigen Jahren hat Sabine angefangen zu joggen.

01:10:42: Die Bewegung einer frischen Luft tut nicht nur ihrem Körper, sondern auch ihrer Seele gut.

01:10:47: Vor zwei Jahren hat sie sich bei einer ihrer Runden erstmals getraut, den Müllenteich aufzusuchen.

01:10:52: Am seichten Ufer ist sie stehen geblieben, hat einen Moment inne gehalten und aufs Wasser geblickt.

01:10:58: Und in diesem Moment fühlte sich Sabine, Sylvia und Miriam so nah wie lange nicht mehr.

01:11:05: Und ich glaube, man kann gar nicht so richtig erahnen, was das für ein Gefühl sein muss, vor so einem See zu stehen und denken zu wissen, dass darin die Antwort liegt, aber dass die Wahrheit offenbar unter Wasser bleiben wird.

01:11:17: Bei dem Fall habe ich wirklich einige Fragezeichen, die mich wahnsinnig machen.

01:11:21: Ja, also, wenn der Vater einen erweiterten Suizid begangen hat und gewaltsam und für die beiden überraschend das Leben von Sylvia und Miriam beendet hat.

01:11:31: Wieso hat die Mutter diesen Spind zwei Tage vorher ausgeräumt?

01:11:35: Wieso hat sie alle Bücher zurückgegeben?

01:11:36: Wieso hat sie Miriam aus der Schule genommen?

01:11:39: Ich hatte kurzzeitig darüber nachgedacht, ob Sylvia und Marco diesen Entschluss vielleicht gemeinsam gefasst haben.

01:11:45: Aber ich weiß natürlich nicht mehr, als die Ermittlenden und die Familie.

01:11:47: Und wenn die alle davon ausgehen, dass Sylvia sich trennen wollte und Marco diese Tat dann alleine durchgeführt hat, kann ich dem natürlich wenig entgegensetzen.

01:11:56: Ich finde allerdings die Theorie, dass sie mit einem neuen Mann durchbrennen wollte, nicht so richtig logisch.

01:12:01: Weil ich glaube, dieser neue Mann, der hätte sich doch dann gemeldet.

01:12:05: Der hätte doch dann irgendetwas gesagt.

01:12:08: Ich finde bei dieser Geschichte sehr interessant, wie Sabine ihren Stiefvater sieht.

01:12:13: Ich glaube, dass die wenigsten Leute ihre Sicht auf ihn verstehen können.

01:12:20: Mir selbst fährt das auch schwer, also die Vorstellung keinerlei Wut in sich zu tragen, obwohl er die Mutter und vor allem ihre über alles geliebte kleine Schwester gewaltsam getötet haben muss.

01:12:32: Für sie ist das natürlich der beste Weg, nicht diese Wut in sich zu tragen und damit vermutlich auch ein Stück weit weniger verbittert durchs Leben gehen zu können.

01:12:42: Sabine hat uns erzählt, dass sie bis heute nie an Markus Grab war, obwohl sie das sehr, sehr gerne machen würde.

01:12:47: Sie weiß nicht einmal, wo er beerdigt wurde.

01:12:50: Und es ist so, dass Markus Eltern... wo nie sehr viel von Sylvia gehalten haben.

01:12:56: Also auch da zeichnet sich ab.

01:12:58: Sylvia war sicherlich keine einfache Frau.

01:13:00: Sie hatte ja auch kein Umfeld und selbst zu ihren Töchtern irgendwie ein schwieriges Verhältnis.

01:13:05: Und Sabine hat ein bisschen das Gefühl, dass diese Einstellung ihrer Mutter gegenüber sich vielleicht auf sie übertragen hat von Markus' Familie.

01:13:14: Und sie vermutet auch, dass die Eltern ihr das Übel genommen haben könnten, dass sie mit den Medien geredet hat.

01:13:20: Ob das so ist, wissen wir nicht, aber... Sabine hätte natürlich jedes Recht der Welt, ihrem Schmerzausdruck zu verleihen, auf jede Art, die ihr irgendwie gut tut.

01:13:29: Michael Büger, der leitende Kommissar der Sokoschulze, der ist seit einigen Jahren pensioniert und nicht mehr im Polizeidienst.

01:13:36: Und er hat uns erzählt, dass das einer der wenigen Fälle ist, die er bis heute nicht vergessen kann.

01:13:41: Und dass es ihn bis heute traurig macht, dass er Sabine und den anderen Angehörigen nicht die Leichen von Miriam und Silvia bringen konnte.

01:13:48: Und in der Fall.

01:13:50: bis heute schwer beschäftigt, deshalb auch er natürlich hofft, dass irgendwann nochmal Bewegung reinkommen könnte.

01:13:56: Tatsächlich wurde Mitte September in Winsen-Ludorf, also nicht weit von Trage entfernt, ein menschlicher Knochen gefunden.

01:14:03: Daraufhin wurde dann natürlich spekuliert, ob es sich dabei umstäbliche Überreste von Silvia oder Miriam handeln könnte.

01:14:09: Ist aber aktuell noch unklar, weil der Knochen halt auch offensichtlich schon älter ist.

01:14:14: Der wird aktuell untersucht und mit den Daten der Bundesweiten Datenbank zu ungeklärten Vermissten- und Kriminalfällen verglichen.

01:14:20: Ein Polizeisprecher hat uns erzählt, dass noch einige Wochen dauern wird, bis da ein Ergebnis vorliegt.

01:14:25: Er hat aber angemerkt, dass es seltsam ist, dass keine weiteren Knochen gefunden wurden.

01:14:31: Und dass der Fundort das Ufer eines Flusses ist, also dass auch die Möglichkeit besteht, dass dieser Knochen angespült wurde.

01:14:38: Für die Angehörigen ist so ein Fund natürlich immer auch ein wenig Hoffnung darauf, dass das Rätsel- und familie-Schulze irgendwann gelöst werden kann.

01:14:46: Deswegen bitten Sie und die Polizei die Öffentlichkeit darum, sich an die zuständige Polizeidienststelle zu wenden, falls man an Hetzpunkte zum Aufenthaltsort der Leichen hat.

01:14:55: Die Kontaktdaten haben wir euch in der Folgenbeschreibung verlinkt, genauso wie übrigens Kontakte zur Telefonseelsorge.

01:15:00: Diese Folge hat von Suizid gehandelt.

01:15:03: Wir haben mal wieder gesehen, dass viele Probleme unter der Oberfläche bleiben, dass Menschen nicht bereit sind oder sich nicht trauen, Hilfe zu holen, bevor, wie Marke früher gesagt hat, das Kind in den Brunnen gefallen ist.

01:15:13: Deswegen, falls euch solche Gedanken beschäftigen.

01:15:15: oder ihr jemanden kennt, der damit zu kämpfen hat, vertraut euch eure Umfeld an, es ist wichtig, damit nicht alleine zu bleiben und Hilfe ist jederzeit und kostenlos erreichbar, anonym und rund um die Uhr, auch per Mail oder Chat.

01:15:27: Auch dazu haben wir euch die Kontaktdaten in der Folgenbeschreibung verlinkt.

01:15:31: In der nächsten Folge ist Laura wieder hier und dann berichten wir von einem Fall, bei dem ein Mann vorgibt, heilen zu können, allerdings bei den Menschen, die sich ihm anvertrauen, nur unheil anrichtet.

01:15:42: Bis dahin.

01:15:46: Das war ein Podcast der Partner in Crime.

01:15:49: Hosts und Produktionen Paulina Graser und Laura Wohlers.

01:15:53: Redaktion Jennifer Fahrenholz und wir.

01:15:56: Schnitt Pauline Korb.

01:15:58: Rechtliche Abnahme und Beratung Abel und Kollegen.

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