#219 Tödlicher Wahn
Shownotes
Dot weiß nicht, was in letzter Zeit mit ihrem Sohn Stephen los ist. Noch vor ein paar Monaten war der 18-Jährige akademischer Überflieger in der Schule, beliebt bei den Mädchen und auf dem besten Weg, eine Karriere bei der Royal Air Force zu machen. Jetzt sitzt er apathisch am Esstisch. Innerhalb kürzester Zeit hat Stephen die Schule abgebrochen, sich von Freund:innen zurückgezogen und verbringt seine Tage fast nur noch vor dem Fernseher. Die Antidepressiva, die ihm verschrieben wurden, scheinen nicht zu helfen. Für seine Mutter ist das ein beängstigendes Rätsel.
Vier Jahre zuvor, 1990, steht in Deutschland die Tierärztin Dr. Margrit Herbst vor einem anderen Rätsel. Was sie damals auf den Schlachthöfen in Schleswig-Holstein beobachtet, scheint zunächst unbedeutend, entwickelt sich aber zu einem Puzzleteil in einem Skandal, der Jahre später auch für Familien wie die von Stephen tödliche Konsequenzen haben wird.
In dieser Folge von „Mordlust – Verbrechen und ihre Hintergründe“ geht es um Menschen, die sich plötzlich verändern, um rätselhafte Aussetzer und um eine Frau, die einem internationalen Skandal auf die Spur kommt. Wir erzählen, wie eine englische Familie und eine deutsche Whistleblowerin darum kämpfen, dass die Wahrheit ans Licht kommt.
Expert:innen in dieser Folge: Dr. Christine Fast, Fachtierärztin für Pathologie, Laborleiterin am Institut für neue und neuartige Tierseuchenerreger vom Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald; Dr. Peter Hermann, stellvertretender ärztlicher Leiter des Nationalen Referenzzentrum für Transmissible Spongiforme Enzephalopathien in Göttingen
Credit Produzentinnen/ Hosts: Paulina Krasa, Laura Wohlers Redaktion: Paulina Krasa, Laura Wohlers, Emeli Glaser Schnitt: Pauline Korb Rechtliche Abnahme: Abel und Kollegen
Quellen (Auswahl) Philip Yam: The Pathological Protein - Mad Cow, Chronic Wasting, and other deadly Prion Diseases Deutschlandfunk: Rinderwahnsinn BSE 25 Jahre nach der Notschlachtung von Importrindern Spiegel: Die Chronologie der BSE-Krise BBC News: John Gummer: Beef eater Stern: Was macht eigentlich Margrit Herbst?
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Transkript anzeigen
00:00:11: Willkommen beim Mott Lust einem Podcast der Partner in Crime.
00:00:14: Hier geht's um wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.
00:00:16: Mein Name ist Paulina Kraser und normalerweise sitzt hier mit mir meine Kolleginnen und bedeutsamen wahren Kriminalfall nacherzähle.
00:00:25: Gemeinsam ordnen wir den ein, erörtern oder diskutieren die juristischen, psychologischen oder gesellschaftlichen Aspekte.
00:00:32: Und wir sprechen mit Menschen mit Expertise.
00:00:34: Heute aber führe ich euch alleine durch diese Folge.
00:00:36: Hier geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.
00:00:39: Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.
00:00:41: Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch mal etwas abschweifen.
00:00:45: Das ist für uns so eine Art Comic-Oleaf, aber natürlich nicht despektierig gemeint.
00:00:50: Bevor ich mit der heutigen Geschichte starte, in der es um Menschen geht, die plötzlich ganz seltsame Symptome aufweisen und wobei die Suche nach den Ursachen schockierende Erkenntnisse zutage fördert, will ich euch was fragen.
00:01:03: Wenn ihr in die Gesichter eurer Eltern schaut, seht ihr euch dann darin?
00:01:09: Also könntet ihr euch quasi ohne DNA-Test sicher sein, dass eure Eltern eure Eltern sind, meine ich.
00:01:14: Bei mir ist das so, ich habe halt jeweils ein so spezifisches Merkmal von meinem Vater und meiner Mutter, dass ich gar nicht infrage stellen kann, dass das meine Eltern sind.
00:01:24: Ich hab mir darüber Gedanken gemacht, weil im selben Jahr, als Laura und ich geboren wurden, also, in Grats, zwei Frühchen zur Welt kamen.
00:01:33: Und die Mädchen waren damals exakt gleich schwer und lagen aber in getrennten Brutkästen nicht bei ihren Müttern.
00:01:39: Etliche Jahre später hatte dann eines dieser Mädchen bei einer Blutspende herausgefunden, dass ihre Blutgruppe gar nicht zu ihrer Familie passte.
00:01:46: Und deswegen war da eigentlich schon klar, da wurde vielleicht was auf der Frühchenstation vertauscht, beziehungsweise jemand.
00:01:53: Und dann gab es ganz viele Recherchen von der Klinik und auch einen öffentlichen Aufruf im Jahr.
00:01:57: Aber man konnte die biologischen Eltern und auch das zweite vertauschte Kind halt nicht ermitteln, was ich völlig absurd finde.
00:02:05: Bis jetzt vor wenigen Wochen die andere Betroffene wegen ihrer Schwangerschaft herausgefunden hatte, dass sie auch nicht biologisch zu ihren Eltern passen kann.
00:02:14: Das hat man also auch wieder am Blut gesehen.
00:02:17: Als sie dann auf Recherche ging, hat sie dann natürlich sofort den anderen Fall gefunden und ein DNA-Test hat jetzt auch bestätigt, dass die beiden Mädchen damals vertauscht wurden.
00:02:26: Oh mein Gott, also das ist so eine Angst vor mir.
00:02:29: Früher entweder, dass ich vertauscht wurde oder mein Kind vertauscht werden könnte, das ist halt damals passiert, weil die nur einen Armband hatten, wo der Name draufstand.
00:02:38: Aber auch da fragt man sich natürlich, wie ist das genau passiert?
00:02:42: Haben die beiden sich das Armband zufällig abgerissen oder wie?
00:02:45: Dann hat irgendjemand die Auswahl sehen ins falsche Bettchen gelegt.
00:02:49: oder hat jemand gedacht, oh Mist, jetzt sind die Armwände ab.
00:02:51: Na ja, du gehörst wahrscheinlich dahin.
00:02:54: Also man wird natürlich nie herausfinden, wie das passiert ist.
00:02:56: Mittlerweile haben sie sich auch alle getroffen, also zusammen mit den biologischen Eltern.
00:03:00: Und die Kinder fanden es voll schön.
00:03:02: Auch gruselig haben sie gesagt, aber voll schön.
00:03:05: Und ja, ich hoffe, die verklagen das Krankenhaus, bis auf die Knochen, ich sage es wie es ist.
00:03:10: Und dass die... genug Geld daraus bekommen, um möglicherweise angefallene Therapiekosten zu decken und vielleicht auch mal damit alle zusammen ordentlich in den Urlaub fahren können.
00:03:19: Okay, jetzt wollen wir uns aber beschäftigen mit unserem Fall, der sich auch um eine Whistleblowerin dreht, die einem internationalen Skandal auf der Spur ist.
00:03:29: Dot Churches steht mit ihrem Mann Dave ungeduldig am Flughafen in London.
00:03:34: Es ist Hochsommer, der fünfte August, nineteen-hundert-neunzehn-neunzig.
00:03:37: Dementsprechend viel ist los, schwer bepackte einen vorbei, die auf dem Weg in die Sommerferien sind.
00:03:44: Dort, die eigentlich mit Folm namend Dorothy heißt, trägt ihre braunen Haare kurz und legt viel Wert auf ihr gepflegtes Äußeres.
00:03:51: Deshalb trägt sie gerne Blazer, Ohrringe und manchmal ein Seidentuch um den Hals.
00:03:55: So stellt sie auch jetzt bei den Arrivals, wo ihr Menschen, die eben in England gelandet sind, von der Gepäckabfertigung in Richtung Ausgang entgegenlaufen.
00:04:03: Laut der Fluganzeige ist der Flieger aus Salamanca schon seit einer Weile gelandet.
00:04:08: Und dann erblickt sie ihn endlich.
00:04:10: Dunkelos, volles Haar, definierter Kiefer, ein verschmitztes Lächeln, fester Blick.
00:04:14: Da ist ihr Steven.
00:04:16: Er läuft auf sie zu und dort schließt ihr jüngstes Kind in die Arme.
00:04:20: Sie hat ihn vermisst, wohnt Steven doch im Gegensatz zu seiner älteren Schwester Helen, die schon studiert, noch immer bei ihr und ihrem Mann zu Hause.
00:04:28: Dort schaut ihm nach der Umarmung nochmal aufmerksam ins Gesicht.
00:04:31: Etwas dünn sieht er aus, denkt sich dort.
00:04:33: Doch ihre Sorgen, die sie als Mutter um ihr Kind immer hat, will sie nun beiseite schieben und sich darüber freuen, dass Steven Heil von seiner zweiböchigen Sprachreise zurück ist.
00:04:42: Immerhin ist er achtzehn Jahre alt, ein sehr beliebter junger Mann, selbstbewusst und deswegen immer kurz davor, irgendeinen Blödsinn anzustellen.
00:04:50: Im Outdoor auf der knapp zweistündigen Fahrt zurück in ihren Heimatort Devices, westlich von London, erzählt Steven von seinen Erlebnissen an Spanien.
00:04:58: Unter anderem, dass er glaubt, sich eine leichte Lebensmittelvergiftung zugezogen zu haben.
00:05:03: Das erklärt die Augenringe, die dort bei ihrem Sohn erkennen kann.
00:05:06: Steven erzählt auch, dass er in einer der Diskotheken, die er besucht hat, auf einen Lautsprecher geklettert ist, um darauf zu tanzen und dann runtergestürzt ist.
00:05:14: Schlimm verletzt habe er sich aber nicht, sagt er Beschwichtigend dazu.
00:05:17: Dort Sorgen sind wirklich gerechtfertigt, denkt sie.
00:05:21: Für die Ohren der Mutter klingt das, was ihr Sohn da erzählt, etwas mehr nach Party-Urlaub als nach Bildungsreise.
00:05:27: Aber sie will nichts sagen.
00:05:28: Der Grund, warum sie und ihr Mann Dave entschieden haben, Steven zwei Wochen nach Spanien zu schicken, war ja, um ihn aufzumuntern.
00:05:34: Vor ein paar Monaten, im Frühjahr, ist Stevens geliebter Opa gestorben.
00:05:40: Sein großes Vorbild.
00:05:41: Schon als Steven Klein war, hat sein Opa ihm Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg erzählt, wo er Kampfpilot der Royal Air Force war und gegen die Nazis gekämpft hat.
00:05:49: Steven war so begeistert, dass er schon mal dreizehn sein erstes Flugtraining machen wollte und sich mit siezehn auf einen Stipendium der Royal Air Force beworben hat.
00:05:58: Das Ergebnis des Eignungstests hat ihn und die Familie sehr stolz gemacht.
00:06:02: Hohe Intelligenz, große mentale Stabilität und ideale Reaktionszeit.
00:06:07: Eigentlich perfekte Bedingungen für Steven, um Kampfpilot zu werden.
00:06:10: trotzdem hat er das Stipendium nicht bekommen, weil seine Beine ein paar Zentimeter zu lang sind.
00:06:15: Die Royal Air Force hat ihm jedoch versichert, dass sie weiter an ihm interessiert sind und er in der Flugüberwachung Karriere machen kann.
00:06:22: Die Zeit vergeht so schnell, gefühlt war Steven eben noch ein kleiner Stöpsel im Strambler und jetzt beginnt schon bald das Berufsleben.
00:06:30: Das ist Steven kein Kind mehr ist, daran wird dort allerdings immer wieder erinnert, wenn sie das Baywatch-Poster an der Wand in seinem Zimmer sieht, auf dem sich Pamela Anderson im Roten Baden anzugregelt.
00:06:41: Und wenn er mal wieder mit seinen Freunden, vor allem aber auch mit Mädchen, in den Pappen will.
00:06:45: Etwa zwei Wochen nach der Spanien-Reise ist mal wieder so ein Ausgeabend.
00:06:49: Steven fragt seine Mutter, ob er ihren Fort Fiesta ausleihen kann.
00:06:53: Er will damit zu einer Party fahren.
00:06:55: Dot zögert erst mal, der kleine Fort ist ihr erstes wirklich gutes Auto.
00:07:00: Und auf das ist sie für ihren Job bei einer wohltätigen Einrichtung angewiesen.
00:07:04: Sie besucht damit Menschen mit Behinderungen in ganz Südengland.
00:07:07: Am Ende kann sie Steven aber mal wieder nichts ausschlagen.
00:07:10: Also gibt sie ihm den Autoschlüssel und lässt ihn ziehen.
00:07:14: Nicht mal eine Stunde nachdem Dot hört, wie ihr Fortfiester aus der Einfahrt gelenkt wird und Steven davon ist, klingelt bei den Churchills das Telefon.
00:07:23: Als dort den Hörer abnimmt, ist die Polizei dran.
00:07:26: Steven hatte einen Unfall, sagt man ihr.
00:07:28: Nach ein paar Meilen von Devices entfernt ist Steven von seiner Spur abgekommen und frontal mit einem entgegenkommenden Lkw zusammengeknallt.
00:07:36: Wie durch ein Wunder ist Steven dabei nichts passiert.
00:07:39: Der Zusammenprall war glücklicherweise auf der Beifahrerseite.
00:07:43: Als ihr Sohn später vor ihr und ihrem Mann sitzt, steht dort noch immer völlig neben sich vor Sorge.
00:07:49: Aber sie ist inzwischen auch richtig sauer.
00:07:51: Ihr Wagen hat einen Totalschaden.
00:07:53: Dave und Dodd wollen von Steven wissen, was passiert ist.
00:07:56: Was war denn bitte los, dass er das Auto einfach in den Gegenverkehr gelenkt hat?
00:08:00: War er abgelenkt?
00:08:01: Aber Steven beteuert immer wieder, dass er nicht unaufmerksam war oder irgendetwas getrunken hat.
00:08:06: Er schüttet dabei ratlos den Kopf.
00:08:08: Als könne er sich selbst nicht erklären, was genau passiert ist.
00:08:12: Ab diesem Vorfall ist die Stimmung schlecht.
00:08:15: Steven verliert seinen Führerschein, weil er noch in der Probezeit ist.
00:08:18: Seine Mutter beobachtet, wie er morgens geknickt mit dem Fahrrad losfährt.
00:08:22: Von Treffen mit Mädchen hört dort immer weniger.
00:08:24: Steven kann ja auch keine Dates mehr mit dem Auto abholen.
00:08:27: In so einer Situation würde vielleicht jeder Jugendliche schmollen.
00:08:31: Aber es vergehen Wochen um Wochen und Stevens Stimmung scheint nicht besser zu werden.
00:08:36: Besonders an ihrer Silberhochzeit, im Oktober, fournundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund.
00:09:05: das dort mit all ihren Gästen bestaunt.
00:09:08: Doch als ihr Blick zu Steven hinüber wandert, bekommt sie ein komisches Gefühl im Magen.
00:09:13: Ihr Sohn hat einen Gesichtsausdruck, den sie bisher nicht kennt.
00:09:17: Sein Blick ist leer und emotionslos.
00:09:20: Wo ist die Begeisterung, das Leuchten in seinen Augen, die sonst richtig strahlen, wenn er Feuerwerk sieht?
00:09:26: Dort kann es nicht genau deuten, aber irgendetwas ist mit Steven.
00:09:31: Auch in der Schule tauchen plötzlich Probleme auf.
00:09:33: Steven, der immer gute Noten hatte, hatte nun Schwierigkeiten, seine Leistungen zu halten.
00:09:38: Sogar in einer Französischprüfung schneidet er überraschend miserabel ab.
00:09:42: Und das, obwohl er die Sprache fließend sprechen kann, weil er sie schon lernt, seitdem er die Grundschule besucht hat.
00:09:48: Bei Familienurlauben in Frankreich hat er immer den Dolmetscher gemacht.
00:09:51: Dort kann wegen des schlechten Prüfungsergebnis kaum Wüten mit ihm sein, so geschockt und ratlos scheint er selbst über das Ergebnis zu sein.
00:09:59: Irgendwann ruft Stephens Lehrerin an und berichtet davon, dass Steven im Unterricht immer weniger mitarbeitet und sich zunehmend isoliert.
00:10:07: Drei Mal in kürzester Zeit werden die Churchills in die Schule bestellt, um Stevens schlechte Leistungen zu besprechen.
00:10:13: Beim dritten Mal sollen Dott und Dave in die Schule kommen, um die Papiere zu unterschreiben, dass Steven die Schule hinschmeißt.
00:10:20: Dass Steven gerade nicht in der Verfassung ist, seine Schule abzuschließen, sehen seine Eltern ein.
00:10:25: Steven soll es erst mal besser gehen, deswegen bestätigen sie den Austritt.
00:10:29: Dort und Dave schicken Steven zu ihrer Hausärztin.
00:10:31: Sie sagt, Steven leide wahrscheinlich ein Depression.
00:10:34: Das sei weit verbreitet unter Teenagern.
00:10:36: Die Ärztin sagt, dass sei kein großer Grund zur Sorge.
00:10:39: Steven müsse nur die Ärmel hochkrempeln und irgendwie aktiv werden und sich nützlich machen.
00:10:45: Das klingt jetzt natürlich stark, nachdem was Betroffene mit Depressionen leider ... oft zu hören bekommen, also reißt sich zusammen, sei mal nicht so traurig.
00:10:55: Ich meine, wir wissen heute, dass das nichts mit Willenschwäche zu tun hat, sondern eine ernstzunehmende Erkrankung ist.
00:11:00: Aber ja, wir sind hier Mitte der Neunziger und damals war das bewusst sein für psychische Gesundheit, halt längst nicht so ausgeprägt wie heute.
00:11:07: Am neunzehnten November, nineteenhundertvierneunzig, kommt Steven Morgens in die Küche, in der Dot und Dave bereits Tee trinken, wie jeden Samstag.
00:11:14: Er verkündet vor seinen Eltern, heute geht er los und besorgt sich einen richtigen Job.
00:11:19: Er scheint sich den Rat seiner Ärztin zu Herzen genommen zu haben.
00:11:23: Steven sagt, dass er in dem Eisenbaren Laden, in dem er jeden Samstag jobbt, fragen will, ob er dort Vollzeit arbeiten kann.
00:11:29: Eigentlich wollte er ja zur Royal Air Force, trotzdem freut sich dort über Stevens vorhaben.
00:11:34: Dort und Dave haben selbst keine akademischen Abschlüsse, Dave arbeitet als Feuerwehrmann.
00:11:40: Sie sind auch zufrieden, wenn ihr Sohn keine so prestigeträchtige Laufbahn einschlägt, dabei aber fleißig ist.
00:11:45: Und mit soviel Elan hat sie ihren Sohn seit vielen Wochen nicht mehr erlebt.
00:11:49: Vielleicht wird die Stelle im Eisenbaren Laden ihm wieder mehr Stabilität geben.
00:11:54: Doch als Steven wenig später zurückkommt, scheint er seinen Plan verworfen zu haben, denn er erzählt von einem Bewerbungsgespräch in einem Juweliergeschäft.
00:12:02: Das kommt den Churchills noch nicht komisch vor.
00:12:05: Beim Abendessen erzählt Steven dann aber auch noch, dass er einen Job als Helikopterpilot bei der Polizei und einen als Barkeeper in einem Pub bekommen hat.
00:12:15: Und als Steven beschreibt, wo diese ganzen neuen Arbeitsstellen sind, tauschen Dott und Dave heimlich Blicke aus.
00:12:22: Dort, wo Steven heute bei einem Juwelier gewesen sein will, befindet sich kein Gebäude, weil es dort, sondern ein Parkplatz.
00:12:30: Allmählich ist sie ernsthaft beunruhigt.
00:12:33: Was ist bitte mit ihrem Sohn los?
00:12:37: Als sich das Jahr nineteenhundertvierneunzig langsam dem Ende neigt und dunkler und kälter wird, hat Steven noch immer keine Arbeitsstelle angetreten.
00:12:45: Auf seine Mutter dort macht er auch nicht den Eindruck, als wäre er dazu im Moment in der Lage.
00:12:50: Sie macht sich große Sorgen.
00:12:52: Permanent muss sie Steven daran erinnern, sich die Zähne zu putzen.
00:12:55: Er läuft mit schmutzigen Schuhen herum, was er früher nie gemacht hätte.
00:12:59: Die Antidepressiva, die ihm ein zweiter allgemeinen Mediziner verschrieben hat, scheint nicht zu wirken.
00:13:04: Seine Tage verbringt Steven Fast nur noch vor dem Fernseher.
00:13:07: Und wenn dort ihn dabei beobachtet, fallen ihr seltsam mit Dinge auf.
00:13:11: Er scheint auf eigenartige Weise auf das Fernsehprogramm zu reagieren.
00:13:16: Wenn er seine Lieblingssendung Baywatch guckt, dann schnappt er manchmal nach Luft, als würde er selbst gerade ertrinken.
00:13:22: Schaut er Kartons, umklammert er dabei manchmal die Sofa-Lehne, als würde ihm das, was er sieht, schreckliche Angst einjagen.
00:13:29: Im Dezember, aber nur etwa ein Monat, nachdem Steven die Schule hingeschmissen hat, ist es schwierig, ihn zum Duschen und Rasieren zu überreden, denn er hat zunehmend Angst vor Wasser und scharfen Gegenständen.
00:13:41: Dort und Dave erklären sich Stevens seltsames Verhalten mit den Medikamenten, die er für seine Depression verschrieben bekommt.
00:13:47: Aber irgendetwas scheint auch mit Stevens Gedächtnis nicht zu stimmen.
00:13:51: Fragt dort ihren Sohn nach dem Datum des D-Day oder der Hauptstadt von Schiele, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen.
00:13:58: An das, was er gefrühstückt hat, kann Steven sich allerdings schon mittags nicht mehr erinnern.
00:14:03: Und auch körperlich verändert er sich.
00:14:05: Steven, der bei seinen ein Meter Achtzig vorher eine kräftige, muskulöse Statur hatte, wiegt mittlerweile nur noch fünfundfünfzig Kilo.
00:14:13: Der Junge, der erst ein paar Monate zuvor in einem Test der Royal Air Force als fähig eingestuft wurde, einen Kampfjet zu fliegen, schafft es inzwischen nicht mehr richtig, die Gabel mit Kartoffelbrei zu seinem Mund zu führen, die Haustür aufzuschließen oder seinen Namen zu schreiben.
00:14:29: Weihnachten nähert sich, ein Fest mit unverhandelbaren Traditionen bei den Churchills, vor allem für Steven, den größten Weihnachtsfan der Familie.
00:14:36: Wie jedes Jahr holt Dave einen echten Baum und schmückt ihn.
00:14:40: Dort bereitet das große Weihnachtsessen vor, dass für Steven immer das Highlight war.
00:14:44: Sie hofft, dass sich sein Zustand verbessert, wenn seine Schwester Helen aus dem Norden kommt.
00:14:49: Aber beim Weihnachtsessen sitzt Steven abwesend da.
00:14:52: Er ist fast nichts und probiert die meisten Speisen nicht mal.
00:14:55: Dann schläft er mitten im Dinner am Essenstisch ein.
00:14:59: Bei der Bescherung bekommt Steven von seiner Schwester ein paar Gorilla-Hauschuhe mit plüschigem Fell.
00:15:04: Als Steven sie sieht, machen sie ihm solche Angst, dass dort sie in ein anderes Zimmer bringen muss.
00:15:10: Bei Stevens Zustand sich immer mehr verschlimmert, bringen seine Eltern ihn im Januar, in einem psychiatrisches Krankenhaus.
00:15:17: Dort werden alle möglichen Medikamente ausprobiert.
00:15:21: Weil Steven mittlerweile auch Halluzinationen hat, ist darunter auch eines gegen Schizophrenie.
00:15:25: Die Ärztinnen gehen noch immer davon aus, dass Steven eine Depression plagt, aber dort und Dave glauben nicht wirklich dran.
00:15:32: Zufiele von seinen Symptomen passen nicht mal annähernd zu dem Krankheitsbild.
00:15:36: Innerhalb eines halben Jahres ist von ihrem Sohn einem Überflieger mit vielversprechender Zukunft jemand geworden, der nicht nur die Schule, sondern auch seine meisten Kontakte abgebrochen hat.
00:15:47: Erst wenige Monate zuvor hatte man ihm eine starke mentale Stabilität bescheinigt und jetzt soll er so depressiv sein, dass er kaum noch selbst essen und mittlerweile auch nur noch schwer gehen kann und nicht soll helfen.
00:16:01: Was will da die Eltern noch die Medizinerinnen zu dem Zeitpunkt wissen?
00:16:04: Steven ist nicht der Einzige, der in dieser Zeit an diesen Symptomen erkrankt.
00:16:10: Anfang nineteenhundertfünfundneunzig kann Steven Churchill kaum noch laufen.
00:16:14: Im Krankenhaus muss er von zwei Pflegerinnen gestützt werden.
00:16:17: Kurz darauf kann er nur noch im Rollstuhl geschoben werden.
00:16:20: Seine Gliedmaßen zucken manchmal unkontrolliert und Steven fällt es schwer zu sprechen.
00:16:25: Nun wird auch den Ärztinnen klar, Stevens Probleme sind vielleicht gar nicht psychischer Natur.
00:16:31: In einem weiteren Krankenhaus werden unzählige Tests und EKGs mit ihm durchgeführt.
00:16:36: Dort und Dave besuchen ihren Sohn jeden Tag.
00:16:39: Schließlich, Mitte Februar, teilt jemand aus dem Neurologie-Team dort und Dave mit, dass sie vermuten, dass Steven an einer fortgeschrittenen degenerativen neurologischen Erkrankung leide.
00:16:49: Es dauert eine Weile, bis dort versteht, was ihr da gerade mitgeteilt wird.
00:16:54: Krankheiten dieser Art seien nicht heilbar, sagt man ihnen.
00:16:58: Dort sitzt einfach da und versucht zu verstehen, was sie hört.
00:17:01: Bisher waren sie und ihr Mann davon ausgegangen, dass Steven an einer mentalen Krankheit leidet, die behandelbar ist, für die es vielleicht nur das richtige Medikament braucht oder nur die richtige Therapie gefunden werden muss.
00:17:13: Ihr fleißiger, zielstrebiger Junge, der ganz genaue Vorstellung davon hatte, wie sein Leben einmal aussehen soll, wird dieses Leben nie führen können.
00:17:22: Und noch immer kann den Churchill's niemand sagen, an was Stephen gerade zugrunde geht.
00:17:27: Hunderte Fragezeichen bleiben, während dort und Dave nur eine Sicherheit haben.
00:17:31: Ihr Sohn wird nie wieder der Alte sein.
00:17:34: Und irgendwann wird er an der Erkrankung, von der sie immer noch nicht wissen, was sie wirklich ist, sterben.
00:17:41: So wie viele andere junge Menschen, vor allem in Großbritannien, die nicht wissen, dass die furchtbaren Schicksale, die sie treffen und die Krankheit, an der sie leiden, Menschen gemacht sind.
00:17:52: Und das ist die Wahrzeichen dafür schon Jahre lang gab.
00:17:55: Sie wollte nun niemand hören.
00:17:57: Die ersten Auswirkungen dessen beobachtet bereits vier Jahre zuvor Dr.
00:18:02: Margaret Herbst an einem Sommertag in Deutschland.
00:18:06: Die Tierärztin ist umgeben von Düngergeruch und Rindern, die an diesem Tag in den Schlachthof von Bad Brahm steht, von Züchterinnen in der Region eingeliefert werden.
00:18:15: Eine Atmosphäre, die der fünfzigjährigen so vertraut ist wie ihre eigene Wohnung.
00:18:19: Schon seit ihrem Studium arbeitet die alleinerziehende Mutter zweier kleiner Kinder mit großen Tieren.
00:18:25: Am liebsten geht sie reiten, als Ausgleich zur anspruchsvollen Arbeit im Schlachthof.
00:18:30: Seit ein paar Jahren ist Margaret, Angestellte Veterinärin, beim Landkreis Bad Segeberg in Schleswig-Holstein.
00:18:36: Ihre Aufgabe ist es, bei den noch lebendigen Tieren hier im Stall die Qualitätskontrolle durchzuführen.
00:18:41: Leidet eines der Rinner an eine Infektion oder Parasiten?
00:18:45: All das muss Dr.
00:18:46: Herbst kontrollieren und gegebenenfalls melden.
00:18:48: Darin ist die Fünfzigjährige geübt, nahezu hunderttausend Rinder hat sie zu diesem Zeitpunkt schon untersucht, schätzt sie.
00:18:56: Doch an diesem sonst so gewöhnlichen Tag im Jahr nineteenhundertneinzig fällt Herbst plötzlich etwas sehr Ungewöhnliches auf.
00:19:04: Eines der Schlachtrinder scheint Probleme zu haben, gerade auszulaufen.
00:19:09: Es strauchelt.
00:19:10: Äußerlich scheint es gesund, es gibt keine Hinweise auf Erkrankungen, die Margaret mit ihrem geübten Auge erspähen kann.
00:19:16: Aber als ein anderes Rind in seine Nähe kommt, erschrickt es plötzlich.
00:19:20: Fast so, als hätte es noch nie in seinem Leben einen Artgenossen gesehen.
00:19:25: So ein Verhalten ist Herbst in ihrer ganzen beruflichen Laufbahn noch nicht untergekommen.
00:19:30: In ihrer Magengrube macht sich ein unangenehmes Gefühl breit, denn von Rindern mit ähnlichen Symptomen hatte sie erst neulich gehört.
00:19:38: An diesem Tag ereiert Margret Herbst ein schlimmer Verdacht.
00:19:42: Nachdem sie das Stolperne und schreckhafte Rind im Stall des Schlachthofs erblickt, tut sie das, wofür sie als Veterinerin dort ist.
00:19:50: Sie separiert es von den anderen, meldet es und notiert die Symptome.
00:19:53: Genau dafür ist sie angestellt, kontrollieren, dass keine kranken Rinder in die Fleischproduktion kommen.
00:19:59: So ist es gesetzlich in der Tierschutzschlacht-Verordnung vorgeschrieben.
00:20:03: Dann wendet sie sich mit ihren Beobachtungen an ihre Vorgesetzten vom Landkreis und an die Betreiber des Schlachthofs.
00:20:10: Aber beide Parteien scheinen von Herbsts Bedenken nichts hören zu wollen.
00:20:15: Dabei hat sie als Expertin für Nutztierkrankheiten schon vor einiger Zeit von einer Erkrankung gehört, deren Symptome sie sofort an das Rind in Bad Bramstedt erinnern.
00:20:24: Die Nachricht hatte vor rund drei Jahren die Runde gemacht.
00:20:26: Ein Tierarzt in Großbritannien bekam einen Anruf eines Viehzüchters.
00:20:30: Seine Holstein-Kuh mit der Ken-Nummer-Hundertdreisig war Maga, krümmte den Rücken und verhielt sich aggressiv.
00:20:37: Erst vermutete der Tierarzt eine Nierenentzündung oder Schmerzen, doch zwei Monate später hatten die Medikamente nicht geholfen und nun zitterte auch noch der Kopf der Kuh.
00:20:46: Kurz darauf starb sie.
00:20:48: Bald tratten im ganzen Land immer mehr Tiere mit denselben Symptomen auf.
00:20:53: Als wenig später eine britische Forscherin das Gehirn einer solchen Kuh untersuchte, fand sie mit kroskopisch winzige Löcher.
00:21:00: Das Gehirn ähnete an einigen Stellen einem Schwamm.
00:21:04: Bisher war sowas nur von der Schafskrankheit Scrapey bekannt, nicht aber bei Rindern.
00:21:19: BSE steht für Bouvine, Spongiforme, Enzipalopatie und gehört zu den Prionkrankheiten.
00:21:24: Prionproteine sind falsch gefaltete Eiweiße im Gehirn.
00:21:28: Normalerweise sind Eiweiße exakt gefaltet, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können.
00:21:33: Bei WSE ist es jetzt so, dass ein falsch gefaltetes Eiweiß auf ein normales Eiweiß trifft.
00:21:38: Das normale Eiweiß wird dann durch den Kontakt mit dem krankhaften Prionprotein ebenfalls in eine falsche Form umgewandelt.
00:21:46: Und so geht es dann immer weiter, wie uns Veterinärpathologe und Dr.
00:21:49: Christine fast erklärt hat.
00:21:51: Sie leitet das Nationale Referenz-Labor für diese Erkrankung am Friedrich-Löwler-Institut in Greifswald, wo alle Verdachtsfälle untersucht und erforscht werden.
00:21:59: Also es dreht quasi Wiese und Schlüssel im Schloss, dreht das quasi die Faltung des Pellulärmdreamportinums um, dann haben sie zwei pathologische Präamportin und diese zwei machen vier.
00:22:11: Vier machen acht, acht machen sechzehn, sechzehn machen zweiunddreißig und so weiter.
00:22:14: Das ist also ein exponentielles Wachstum.
00:22:16: Also so eine Art Kettenreaktion.
00:22:18: Und wenn diese krankhaften Proteine überhand nehmen, zerstören sie nach und nach die Zelle.
00:22:24: Eine nach der anderen erklärt fast.
00:22:26: Damit haben sie irgendwann das Gehirn geflutet mit einer Masse von falsch gefalleten Dreh- und Proteinen.
00:22:34: Und dieser Masse stört die normale Funktion des Gehirns.
00:22:37: und dann kommen die Schäden das Gehirn.
00:22:39: Diese Schäden entwickeln sich langsam und bleiben lange unsichtbar.
00:22:44: Weil Spongiform schwammartig heißt, stellen sich viele das Rindagehirn mit BSE so vor, als würde das dann wie so ein löchriger Badeschwamm aussehen, wenn man es aufschneidet.
00:22:54: Das stimmt aber nicht.
00:22:55: Dr.
00:22:56: Fast sagt, dass man die Schäden nur unter einem Mikroskop erkennt.
00:23:00: Das sehen Sie nur in der fein geweblichen Untersuchung.
00:23:02: Und wenn Sie dann sich das Gehirn angucken in so drei Mikrometer-Stippen, dann sehen Sie lauter Löcher, wo eigentlich nicht das Gewebe sein sollten.
00:23:10: Das Problem bei der Erkrankung, bis sie sichtbar wird, vergehen Monate oder Jahre.
00:23:15: Und in der Zeit haben die krankhaften Prionproteine schon sehr lange irreparable Schäden angerichtet.
00:23:21: Erst dann treten die Symptome auf.
00:23:24: Anfangs sondern sich die Rinder ab, fressen weniger und magern dann ab, sagt Fast.
00:23:28: Was den Landwirten auffällt, ist dann eher die letzten Symptome.
00:23:32: und wofür die Erkrankung bekannt ist, dass die Rinder neurologische Ausfallerscheinungen bekommen.
00:23:37: Das äußert sich meistens damit, dass sie nicht mal richtig aufstehen können, dass sie sehr wachlich laufen.
00:23:43: Und erst wenn die Erkrankung sehr, sehr, sehr weit fortgeschritten ist, fangen diese starken neurologischen Symptome an, dass die Tiere extrem schreckhaft werden und zwar immer.
00:23:53: Was man bei BSE schon früh beobachtet hat.
00:23:56: im Gegensatz zur Schafskrankheit Scrapy ist meist nie eine ganze Herde betroffen, sondern immer nur einzelne Rinder im Stall.
00:24:03: Also stecken sich die Rinder offenbar nicht gegenseitig an.
00:24:07: In den ersten Jahren geht man noch davon aus, dass die Krankheit vom Schaf aufs Rind übertragen wurde, aber bald wird eine andere Ursache ermittelt.
00:24:15: Tiermehl.
00:24:16: In der industriellen Schlachtierhaltung ist es teilweise bis heute üblich aus dem Fett und den Knochen der geschlachteten Tiere, also den Teilen, die nicht im Supermarkt zum menschlichen Verzehr landen, Futter für andere Tiere herzustellen.
00:24:29: Also eine Art Kanibalismus, deswegen ist das auch ziemlich umstritten.
00:24:33: In den Siebzigerjahren stiegen nach dem Yom Kippurkrieg die Ölpreise stark an, wodurch auch die Energie für die Erhitzung von Tierkadabern deutlich teurer wurde.
00:24:42: Und um Kosten zu sparen, setzte die Fleischindustrie auf ein neues Verfahren mit niedrigeren Temperaturen, das in ganz Großbritannien, in ganz Großbritannien standart wurde.
00:24:51: Was damals niemand auf dem Schirm hat, sollten sich krankhafte Prion-Proteine in den Kadabern befinden.
00:24:57: Dann überleben die bei diesen Temperaturen, erklärt fast.
00:25:01: In diesem Theorie konnte dieses Prion im Protein effektius bleiben.
00:25:05: Um Prion-Protein zu vernichten, brauchen sie mindestens eine Temperatur von hundertdreien bis hundertdreißig Grad.
00:25:11: Also wird BSE von einem toten Rind aufs andere über die Nahrung übertragen.
00:25:16: Die Prion-Proteine landen mit dem Futter im Magen-Darm-Trakt der Rinder.
00:25:20: Vom Darm gelangen die dann ins vegetative Nervensystem.
00:25:23: Darüber gelangen sie über die Nerven ins Rückenmark und von dort aus waren dann sie in Stammhörn.
00:25:28: Und dort stecken sie ja dann, wie wir schon wissen, gesunde Proteine an und zerstören so nach und nach die Zellen.
00:25:34: Worin der Ursprung lag, das ist bis heute unklar, also wahrscheinlich geriet irgendwann ein infiziertes Rind ins Tiermehl und löste dann eine Art Kettenreaktion aus.
00:25:44: Man weiß auch immer noch nicht, wieso das gerade bei Rindern passiert ist, nicht aber jetzt bei Hühnern oder Schweinen, die auch Tiermehl fressen.
00:25:51: Fest steht nur, gewinntfördernde Methoden der Fleischindustrie tragen Schuld daran, dass sich die Krankheit BSE bei Rindern ausbreiten konnte.
00:26:00: Kurz nachdem man in Großbritannien die neue Rinderkrankheit entdeckt, bekommt sie schon bald den Namen Mad Cow Disease.
00:26:08: Also Rinderwahnsinn.
00:26:10: Nach dem Klar ist, dass das Tiermehl für die Erkrankung verantwortlich ist, reagiert die Politik.
00:26:14: Bestimmte Tiermehlarten sind nun verboten, Tiere mit Symptomen müssen geschlachtet werden, die EU stoppt vorübergehend den Export britischer Rinder und in England dürfen Gehirn- und Rückenmarkt nicht mehr zum Verzerr verkauft werden.
00:26:27: Doch trotz der Verbote steigen die Fallzahlen von BSE weiter.
00:26:31: Im Jahr und Jahrhundert neunzig sind schon zwanzigtausend Rinder in Großbrotanien betroffen.
00:26:36: Ein Wissenschaftler, der Mikrobiologe Richard Lacy, fordert, dass alle Herden, in denen BSE festgestellt wurde, ausnahmslos geschlachtet werden sollen.
00:26:44: Die Regierung lehnt das ab, denn das würde noch größere Verluste bedeuten.
00:26:49: Es gibt schließlich keine Beweise, dass BSE irgendwo anders Schaden anrichtet als in den Schlachtbetrieben.
00:26:55: Und trotzdem steigt neben den Fallzahlen auch die Sorge in der Bevölkerung.
00:26:59: Um der aufkommenden Panik entgegenzuwirken, fährt der damalige Landwirtschaftsminister John Gummer eine fragwürdige Kampagne.
00:27:06: Eine Kamera begleitet ihn und seine vierjährige Tochter auf einer Kirmes.
00:27:10: Sein Plan ist, Menschen davon zu überzeugen, dass Rindfleisch sicher ist.
00:27:14: Dafür hält er dem blonden Mädchen mit dem Kleid ein Rindfleischpetti entgegen.
00:27:18: dass sich weigert, ihn zu essen.
00:27:20: Es sei eh nur zur heißen Sackgamme und bei es selbst hinein.
00:27:24: Dann erklärt er selbst bewusst.
00:27:46: Ja, ihr hört es an der Qualität, das waren schon aus der damaligen Zeit.
00:27:49: Ja, also er sagt im Grunde genommen, es gibt gar keinen Grund zur Sorge.
00:27:53: Er wird weiter rindessen, seine Kinder werden weiter rindessen, alles fein.
00:27:57: Ein kalkulierter Medienauftritt mitten in der BSE-Krise, der vor allem eins bezwecken soll, Sorgen herunterspielen, Ängste dämpfen und das Vertrauen in britisch Beef wiederherstellen, damit die Wirtschaft nicht leidet.
00:28:10: Denn schon jetzt merkt man die Sorge der Bevölkerung beim schrumpfenden Absatz vom Rindfleisch.
00:28:15: um Bauern und Fleischbetriebe zu unterstützen und massiv einbrechenden Exporten entgegenzuwirken, mischt die Politik mit.
00:28:22: Zwar geht man davon aus, dass die Rinder die Dead-End-House sein, also dass die Krankheit bei ihnen bleibt und nicht übertragen wird.
00:28:29: So richtig viel weiß man zu dem Zeitpunkt über die Risiken allerdings noch nicht.
00:28:33: Kritikerinnen wie Richard Lacy werden verspottet, von manchen Parlaments-Abgeordneten sogar als Panikmacher bezeichnet.
00:28:39: Denn genau wie Scrapey sei BSE nicht auf andere Spezien übertragbar.
00:28:45: Doch dann, etwa zur selben Zeit im Mai, macht plötzlich eine Schreckensnachricht in ganz Großbritannien die Runde.
00:28:52: Ein siamesischer Hauskater namens Max starb eines ungewöhnlichen Todes.
00:28:57: Und mittlerweile haben Daboranalysen bestätigt, Katze Max starb an BSE.
00:29:02: eines der größten Sicherheitsversprechen, dass die Regierung abgegeben hat, bricht in sich zusammen.
00:29:08: Und trotzdem bleibt die UK-Regierung ihrer Linie, Menschen hätten vor BSE nicht zu befürchten, treu.
00:29:14: Und das, obwohl BSE bei immer mehr Hauskatzen und sogar bei einem Zoo-Tiger festgestellt wird.
00:29:21: Als die Tierärztin Margaret Herbs etwa zur selben Zeit, auf einem deutschen Schlachthof, dann schon bald ein zweites schreckhaftes Rind entdeckt, ist sie alarmiert.
00:29:30: Denn nachdem in Großbritannien immer mehr Rinder dem Warn verfallen sind, plagt sie die Sorge, dass Deutschland ein ähnliches Schicksal bevorsteht.
00:29:39: Erneut sucht sie ihren Vorgesetzten auf und bringt dieses Mal noch dringlicher hervor.
00:29:43: Es könnten BSE-Rinder sein.
00:29:46: ihrer Meinung nach Rinda, die auf keinen Fall in die Produktion kommen dürfen, weil sie eine neuartige Seuche haben.
00:29:52: Auch bei diesem Mal stößt Margret Herbst auf taube Ohren.
00:29:55: BSE gebe es in Deutschland nicht, hört Margret.
00:29:59: Aus diesem Grund steht die Erkrankung auch nicht auf der Liste meldepflichtiger Tiersäuchen.
00:30:03: Die auffälligen Rinda, die Herbst erst aussortiert hat, kommen nun zurück in die Produktion und ihre Teile landen hinter der Fleischtheke und im Küheregal.
00:30:12: Herbst kann nicht glauben, dass das passiert.
00:30:15: Heute ist es doch wichtiger denn je, dass man die potentiell gefährlichen Rinder aus dem Verkehr zieht.
00:30:20: Und genau in so einer Situation wird sie von den Menschen, die sie damit beauftragt haben, einfach ignoriert?
00:30:27: Schließlich beschließt sie die Lage, weiter zu beobachten und sich auf eigene Faust umzuhören.
00:30:31: Ein Vierhändler erzählt ihr, dass er eine Ladung Rinder zu einem Sportpreis aus Holland kaufen konnte, die dann aber irgendwie seltsam auf ihn gewirkt haben und von denen manche dann tatsächlich verendet sind.
00:30:42: Die Totentiere hat er zur Untersuchung zur Tierärztlichen Hochschule in Hannover gebracht, dorthin, wo Margret Herbst studiert hat und auch bis heute gut vernetzt ist.
00:30:51: Wenig später nimmt Margret Herbst zu den Forschenden in Hannover Kontakt auf und besorgt sich ihre Untersuchungsberichte, die sie dann nach der Arbeit wie besessen studiert.
00:31:01: Von denen kann sie sich einiges ableiten, Anhaltspunkte, das auch bei diesen Rindern BSE der Grund für ihr seltsames Verhalten sein könnte.
00:31:09: Auch bei ihrer Arbeit im Stall beginnt Herbst Tiere, die ihr auffällig vorkommen, genau zu beobachten und die Symptome zu protokollieren.
00:31:15: Dabei orientiert sie sich an einem Diagnose-Raster, das britische WissenschaftlerInnen entwickelt haben.
00:31:21: In ihren Unterlagen notiert sie dann Kreuze hinter Symptomen wie im Kreisgehen, Überempfindlichkeit, Zähneknischen oder Fallsucht, also ein anderes Wort für Epilepsie.
00:31:31: Immer wieder geht sie mit ihren Ergebnissen zu den SchlachthofbesitzerInnen, die zu Herbst sagen, Lassen sie das und verhalten sie sich ordentlich.
00:31:38: Das mit dem BSE sein nur eine fixe Idee, an der sich Herbst festgebissen habe.
00:31:44: Herbst ignoriert das, lassen sie das und macht weiter.
00:31:48: Doch sie spürt schnell, dass ihre Nachforschungen nicht erwünscht sind.
00:31:51: Der Landkreis versetzt sie vom Stall immer häufiger ins Schlachtband.
00:31:55: Statt der Lebendbeschau muss sie nun körperlich schwere Arbeit in gebückter Haltung übernehmen.
00:32:00: Obwohl sie wegen eines Rückenleidens laut Attest keine körperlich belastenden Aufgaben machen dürfte.
00:32:06: Mit der Zeit häufen sich ihre Fehlzeiten.
00:32:09: Gelenke, Achillesäen und Rückenschmerzen und auch mental geht es ihr zunehmend schlechter.
00:32:14: KollegInnen meiden sie aus Angst, selbst in Unglade zu fallen, wenn sie sich auf Herbstseite stellen.
00:32:19: Herbst sucht Hilfe beim Personalrat, beim Landkreis und bei der Betriebsärztin.
00:32:24: Doch nichts passiert.
00:32:25: Schließlich wird bei ihr eine Depression diagnostiziert.
00:32:29: All das muss sie durchstehen, während sie sich als alleinerziehende Mutter um zwei kleine Kinder kümmert.
00:32:33: Über die Jahre wird Margret Herbst an ihrer Arbeitsstelle immer stärker schikaniert.
00:32:38: Dann kommt das Jahr nineteenhundertneunzig.
00:32:40: Zwar zieht in dem Jahr auch die europäische Unionkonsequenzen aus der BSE-Krise.
00:32:45: Sie verbietet erstmals EU-weit die Verfütterung von Tiermäher ein.
00:32:48: Wiederkäuer um den Kreislauf aus Schlachten, Verarbeiten und Wiederverfüttern von Überresten an Rinder, was ja eh als Cannibalismus der Tierproduktion bezeichnet wird.
00:32:57: Zudurchbrechen, doch bis dahin hat Margret Herbst bereits bei einundzwanzig Rindern BSE-Symptome festgestellt.
00:33:03: Tiere, die trotz ihrer Warnungen geschlachtet und im Supermarkt verkauft wurden.
00:33:08: Für die fünftigjährige Herbst ist damit eine Grenze erreicht.
00:33:12: Nicht einmal das Mobbing wiegt für sie so schwer wie die Verantwortung für diese Rinder.
00:33:17: Sie ist überzeugt, die Öffentlichkeit muss erfahren, was hier passiert.
00:33:21: Das sagt sie später auch in einem Beitrag der ARD-Sendung plus minus aus dem Jahr.
00:33:27: Es ist die Frage, will ich eines gewissen behalten oder will ich ständig mit der Schuld lieben, Dinge nicht gemeldet und nicht eingeleitet zu haben?
00:33:37: Margaret Herbst fast einen Entschluss.
00:33:39: Sie sieht keinen anderen Weg mehr als zu handeln, und zwar an ihrem Vorgesetzten, die alles seit Jahren blockieren vorbei.
00:33:46: Also nimmt sie ihr Telefon in die Hand und tippt eine Hamburger Nummer ins Tastenfeld.
00:33:50: Etwa später, am sechzehnten November, nineteenhundertundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund.
00:34:15: Dafür bräuchte es ein Labor mit hochauflösendem Mikroskop, um professionell Gewebeproben zu analysieren.
00:34:20: So könnte ein für alle mal bestätigt werden, ob es sich um BSE handelt.
00:34:25: Es folgen weitere Medienauftritte.
00:34:27: Und die Konsequenzen dessen bekommt Margret Herbst schon bald zu spüren, und zwar schriftlich.
00:34:32: Sie erhält eine fristlose Kündigung als Tierärztin des Landkreises Bad Segeberg, unterschrieben vom Landrat höstpersönlich.
00:34:38: Der Grund der Kündigung, Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, wie es im Kündigungsbrief vom XVI.
00:34:44: Dezember.
00:34:46: Zitat, ihr Fehlverhalten liegt aber auch darin, dass sie durch ihre Äußerungen in dem Interview den Eindruck erweckt haben, es würden BSE-Verdächtigerinder bewusst oder zumindest grob fahrlässig vom Fleischhygieneamt zur Schlachtung freigegeben und das verdächtige Fleisch so in den Handel gelangen.
00:35:02: Stimmt ja auch, denkt sich Margaret Herbst und klagt gegen die Kündigung.
00:35:06: Doch sie verliert in der ersten und zweiten Instanz, denn sie hat laut der Gerichte ihre Schweigepflicht verletzt.
00:35:12: Herbst ist in Ungnade gefallen.
00:35:14: Sie ist arbeitslos und nach ein paar Monaten auch juristisch offiziell im Unrecht.
00:35:18: Ihre Entscheidung an die Öffentlichkeit zu gehen hat sich definitiv nicht für sie gelohnt.
00:35:23: Aber Herbst hält auch jetzt noch daran fest.
00:35:25: Sie hat ihre Einschätzung nach wie vor für richtig, wie sie im Plus-Minus-Interview erklärt.
00:35:29: Nach einer gewissen Zeit ist mir klar geworden, welche Folgen diese Kündigung haben würde.
00:35:35: Nicht nur für mich, sondern auch für die Öffentlichkeit.
00:35:39: Denn in den kommenden Jahren wird sich die Art, wie Menschen auf diese Situation blicken, radikal ändern.
00:35:46: Etwa in der Zeit, in der Margaret Herbst in Deutschland gegen die Ignoranz der Politik kämpft, erfährt die Familie Churchill in Großbritannien, dass Steven an einer unheilbaren neurologischen Krankheit leidet.
00:35:57: Nur an welcher weiß niemand.
00:35:59: Stevens Zustand verschlechtert sich in den nächsten Tagen drastisch.
00:36:02: Mutter dort muss schmerzhaft erfahren, wie es sich anfühlt, dass sie ihrem geliebten Sohn nicht helfen kann.
00:36:07: in einem Londoner Krankenhaus beziehbar auf alles Erdenkliche untersucht.
00:36:12: Dort und Dave erarbeiten einen detaillierten Familienstammbaum, damit Ärztinnen ausschließen können, dass es etwas Genetisches ist.
00:36:19: Es wird sogar eine Gehirnbiopsy gemacht, also durch ein kleines Bohrloch im Schädel Gehirngewebe entnommen und untersucht, auch wenn das riskant ist.
00:36:27: Nach jedem neuen Test hören Dort und Dave dasselbe.
00:36:30: Negativ.
00:36:32: Eine Neurologin schätzt Stevens verbleibende Lebenszeit einstellig ein.
00:36:36: weiter, führt die Ärztin das nicht aus, aber dort hält sich an den Gedanken fest, dass es noch neun Jahre sein werden.
00:36:43: Ergebnislos bringen die Churches Steven zurück in das Krankenhaus in der Nähe ihres Familienhauses.
00:36:49: Weil dort Personal fehlt, übernehmen dort und Dave selbst Stevens Pflege zwischen acht Uhr morgens und acht Uhr abends.
00:36:56: Ihr Leben ist zu diesem Zeitpunkt völlig auf den Kopf gestellt.
00:36:59: Eigentlich pflegt dort ehrenamtlich Menschen mit Behinderungen.
00:37:03: Niemals hätte sie gedacht, dass es bald ihr Job sein wird, ihren Sohn zu pflegen.
00:37:07: Weil sie das Vollzeit macht, muss dort sich bei ihrer anderen Arbeit entschuldigen.
00:37:11: Es ist eine qualvolle Situation zu sehen, wie Steven immer weiter abbaut, aber dort freut sich wenigstens etwas für Steven tun zu können.
00:37:18: Sie merkt, dass Steven es zu schätzen weiß, dass sie dort ist, auch wenn er es nicht mehr in Worten ausdrücken kann.
00:37:25: Sie fragt sich dann oft, ob er weiß, was mit ihm geschieht, ob er darüber nachdenkt, ob er Angst hat.
00:37:31: All the things that you and I do naturally take for granted.
00:37:37: Stephen couldn't do.
00:37:38: He couldn't feed himself.
00:37:42: He couldn't walk.
00:37:44: He had no coordination.
00:37:48: He shot to a memory went.
00:37:51: He couldn't write.
00:37:52: And he actually was only in bed prior to that.
00:37:55: He did get up and sit in the chair but he couldn't walk.
00:38:03: He had to be moved to another chair.
00:38:19: Also, dort erzählt alles, was für die meisten Leute selbstverständlich ist.
00:38:23: Das kann Steven zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.
00:38:24: Also, nicht essen, nicht laufen, sich erinnern.
00:38:27: Die meiste Zeit verbringt er im Bett.
00:38:29: Ansonsten wird er in einem Rollstuhl geschoben.
00:38:32: Trotzdem sehen seine Eltern an seinen Reaktionen, dass es Steven in der Einrichtung mit den Seniorenden zu gefallen scheint.
00:38:38: Dort holt für Steven ein paar Sachen aus seinem alten Zimmer, um sein neues Zuhause damit zu dekorieren.
00:38:43: Sie hängt das Pamela Anderson-Poster auf, sodass er es von seinem Bett aussehen kann.
00:38:48: Auf dem Schrank stellt sie Stevens' Sammlung besonderer Bierflaschen.
00:38:51: Er soll es schön haben.
00:38:53: Hier, in seinem Zimmer im Heim, wird Steven stets sich ein paar Jahre verbringen, hofft sie.
00:38:58: Doch auch diese Hoffnung geht wenig später verloren.
00:39:01: Nur ein paar Wochen danach, am einundzwanzigsten Mai, nineteenhundertdünneinzig, stirbt Steven Churchill mit neunzehn Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung.
00:39:09: Dort und Dave Churchill haben ihr jüngstes Kind verloren.
00:39:12: Es ist an einer Folgeerkrankung seines neurologischen Verfeids gestorben.
00:39:16: so wie es auch oft bei Alzheimererkrankungen der Fall ist.
00:39:20: Und jetzt ist Steven einfach nicht mehr da.
00:39:23: Sie müssen ihr Kind zu Grabe tragen.
00:39:25: Siewens Eltern dachten, dass ihnen vielleicht noch neun Jahre mit ihrem Sohn bleiben.
00:39:29: Dabei waren es nur wenige Wochen.
00:39:32: Und noch immer wissen sie nicht einmal, warum.
00:39:34: Was überhaupt passiert ist.
00:39:36: Auf Stevens Sterbeurkunde steht bei der Todesursache natürlich ja Tod.
00:39:42: Ansonsten gibt es weiterhin keinen Hinweis, was am Ende zu Stevens-Erkrankungen geführt hat.
00:39:47: Außer einen kleinen, vermeintlich unscheinbaren Hinweis in Stevens-Patientenakte.
00:39:54: Ein Kürzel, das jemand vom medizinischen Personal dort hingekritzelt haben muss.
00:39:59: Drei kleine Buchstaben und dahinter ein Fragezeichen.
00:40:04: Die drei kleinen Buchstaben, die in Stevens-Patientenakte stehen, sind C-J-D.
00:40:12: Kreuzfeld-J-Cop-Disease, eine Erkrankung, die eigentlich nur Menschen ab sechzig bekommen.
00:40:18: Ja, was ist die Erkrankung, die auf Deutsch Kreuzfeld-J-Cop-Krankheit heißt?
00:40:23: Um die besser zu verstehen, haben wir mit Dr.
00:40:24: Peter Herrmann gesprochen.
00:40:26: Er ist stellvertretender ärztlicher Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Pryon-Erkrankungen oder transmissibles Spongiforme Encepalopatine in Göttingen und hat uns erklärt, wie sie auftritt.
00:40:36: Diese Erkrankungen treten in Deutschland, so wie wir das jetzt auch sehen und überwachen eben nicht wie Infektionserkrankungen auf, also nicht wie eine Epidemie, nicht durch Übertragungen, sondern in meisten Fällen sporadisch und das heißt eben ohne Muster.
00:40:49: Sie entsteht also zufällig und spontan bei einzelnen Menschen im Gehirn, und zwar weil sich irgendwo im Gehirn ein Protein krankhaft verändert, was dann andere Proteine ebenfalls zur Fehlfaltung zwingt.
00:41:00: Das sollte euch bekannt vorkommen.
00:41:02: Das falsch gefeiltete Proteine Schaden anrichten, das kennen wir übrigens auch von anderen Erkrankungen.
00:41:08: Das gleiche oder auch ein ähnliches Prinzip liegt auch bei Erkrankungen wie zum Beispiel der Alzheimer-Krankheit oder der Parkinson-Erkrankung vor.
00:41:15: Dieser Krankheitsverlauf von der Kreuzfeld-Jakob-Erkrankung und der von einer Alzheimer-Erkrankung, das ist im Prinzip gar nicht so sehr unterschiedlich.
00:41:23: Die Anfangssymptome der Kreuzfeld-Jakob-Krankheit erinnern an eine Demenz.
00:41:27: Also das Gedächtnis, die Sprechfähigkeit und die Fähigkeit zum abstrakten Denken nimmt ab.
00:41:33: Oft geht das auch mit einer Gangstörung einher.
00:41:35: Auch die Koordinationsfähigkeit nimmt ab, also man kann zum Beispiel nicht mehr gut nach Gegenständen greifen.
00:41:40: Die sporadische Kreuzfeld-Jakob-Krankheit ist extrem selten und tritt bei Menschen ab sechzig auf.
00:41:47: Weil es aber eine Alterserkrankung ist, werden die Symptome oft zuerst für eine Alzheimererkrankung gehalten.
00:41:52: Dabei gibt es allerdings einen deutlichen Unterschied, weiß Herrmann.
00:41:55: Der große Unterschied ist der, kann man eigentlich so sagen, dass das, was bei einer Alzheimer-Erkrankung in acht Jahren passiert, bei einer Kreuzfeld-Jakob-Erkrankung vielleicht in acht Wochen passieren kann.
00:42:07: Halber ist die Krankheit bis heute nicht.
00:42:09: Sie endet immer mit dem Tod.
00:42:11: Denn das Gehirn wird von den Prionproteinen unwiederbringlich zerstört.
00:42:15: Das heißt, Nervenzellen werden zerstört, sterben sozusagen ab und werden auch abgebaut.
00:42:21: Und dadurch entstehen praktisch solche, wie wir das dann auch wieder mit einem Fremdwort sagen, Vakulen.
00:42:27: Das sind dann ... im Grunde Löcher, die unter dem Mikroskop dann ein schwammartiges Aussehen des Genöns verursachen durch diese Löcher.
00:42:36: Steven Churchill hatte die Symptome einer Kreuzfeld-Jakob-Krankheit.
00:42:40: Deshalb haben seine Ärztinnen, wo das Kürzel CJD und ein Fragezeichen in seiner Akte notiert.
00:42:47: Das Ding ist noch, er war neunzehn Jahre alt und damit grenzt es eigentlich an der Unmöglichkeit, dass er an dieser Krankheit erkrankt ist.
00:42:56: Aber Dott und Dave wollen dem dennoch nachgehen.
00:42:59: Über Kontakte lernen sie eine Frau kennen, deren Mutter an der Krankheit gestorben ist.
00:43:03: Die Symptome, die die Frau ihnen beschreibt, sind extrem ähnlich zu denen von Steven.
00:43:08: Die beiden haben das Gefühl, etwas auf der Spur zu sein.
00:43:11: Im August nineteenhundert und neunzehntig lassen sie sich von dem investigativen Fernsehformat World in Action begleiten, wie sie versuchen, mehr über Steven's Todesursache herauszufinden.
00:43:22: Während des Drehs werden die Churchills einem Mann vorgestellt, der ihnen schon bald einen Weg aus dem Dunkel weist.
00:43:28: Und dieser Mann ist Richard Lacy.
00:43:30: Ihr kennt ihn, das ist der Mikrobiologe, der sich schon seit Beginn der BSE-Krise dafür einsetzt, dass die Gefahr, die möglicherweise von BSE ausgeht, endlich ernst genommen wird.
00:43:39: Auch von der Politik.
00:43:42: Denn Steven war in den vergangenen Jahren nicht die einzige Person, die eigentlich zu jung für diese sporadische Erkrankung war und dennoch daran erkrankt ist.
00:43:51: Im ganzen Land gibt es immer wieder ähnliche Schicksale, von denen nun auch die Churchhits erfahren.
00:43:56: Eine neunzwanzigjährige dreifache Mutter, eine ebenfalls neunzwanzigjährige Anwälte und ein neunzehnjähriger Student, der im Februar sixundneunzig unter ähnlichen Umständen wie Steven stirbt.
00:44:07: Richard Lacey ist mittlerweile sicher, dass BSE nicht nur für Tiere gefährlich ist, sondern auch für Menschen.
00:44:14: Im März, nineteenhundertsechsohnneunzig veröffentlichen Forschende ein Bericht, in dem sie von einer neuen Variante der Kreuzfeld-Jakobkrankheit ausgehen.
00:44:22: Die sogenannte eine, die in Verbindung mit der Rinderkrankheit BSE steht und die übertragbar ist.
00:44:30: Und zwar über den Verzehr von Fleisch.
00:44:34: Und das ist hier jetzt ein Riesending, denn bisher war nicht bekannt, dass eine Prionerkrankung, also diese krankhaft veränderten Eiweiße über Lebensmittel übertragbar ist.
00:44:44: Man ging bislang in der Regel davon aus, dass sie sporadisch auftritt, also zufällig.
00:44:49: Und jetzt ist klar, es gibt wohl auch einen Weg, wie sie infektiös übertragen wird.
00:44:54: Da gab es bislang nur wenige Fälle, in denen die Prionerkrankungen überhaupt so weitergegeben wurden.
00:45:00: Und das waren zum Beispiel Fälle mit kontaminierten OP-Instrumenten im Krankenhaus zum Beispiel.
00:45:05: Oder vielleicht sagt euch Kuro auch etwas, das ist eine eigene Prionerkrankung, die auch oft bei Verschwörungstheorien eine Rolle spielt.
00:45:13: Und die trat in Papua Neuginia auf und wurde durch Kanibalismus weitergegeben.
00:45:17: Da gab es nämlich so ein Begräbnis-Ritual, wo das Fleisch verstorbener verzerrt wurde.
00:45:22: Und darunter waren eben auch erkrankte Tote Menschen.
00:45:25: Aber das waren bisher die einzigen bekannten Wege, über die sich Pryon-Erkrankungen auf Menschen übertragen konnten.
00:45:31: Jetzt.
00:45:32: Da mittlerweile wissen wir ja, dass sich BSE auch unter Rinderninfektius über Tiermehl verbreitet hat und in dem Mehl wurden Risikogewebe wie Gehirn- oder Rückenmark verarbeitet, in denen die höchste Konzentration von BSE-Pryon-Proteinen sitzt.
00:45:47: Das Problem bei der Übertragung auf die Menschen ist deswegen jetzt nicht unbedingt das Steak oder das Filet, weil sich da eigentlich eher geringere oder gar keine infektiöse Mengen finden.
00:45:57: Also gefährlich ist vielmehr sowas wie gemischtes Hack, Burger oder Wurstprodukte, in denen auch nur kleine Mengen von Gehirn oder Rückenmark landen.
00:46:04: Und das tückische, diese Prionproteine sind extrem hitzestabil, also selbst kochen oder braten zerstört sie nicht.
00:46:12: So kann ein einziges infiziertes Rind am Ende in unzähligen kleinen Portionen bei verschiedenen Menschen auf dem Teller landen.
00:46:20: Anders als bei der klassischen Kreuzfeld-Jakob-Variante gelangen die Prion-Proteine hier, dann also über den Verdauungstrakt in den Körper und wandern von dort ins zentrale Nervensystem.
00:46:30: Und da bleiben die dann erst mal unbemerkt, was die Inkubationszeit so unvorhersehbar macht.
00:46:36: Also es kann einige Jahre, aber auch Jahrzehnte dauern, bis die krankhaften Eiweiße schließlich das Gehirn erreichen.
00:46:42: Im Gegensatz zur klassischen Kreuzfeld-Jakobkrankheit gibt es zu Beginn aber andere Symptome, erklärt Dr.
00:46:48: Herrmann.
00:46:49: Einerseits zu Beginn häufig nicht diese typischen neurologischen Symptome mit Ausfällen von zum Beispiel Koordinationsfähigkeiten, sondern eher psychiatrische Symptome, sowas wie Depression oder Apathie oder auch Wesensänderungen oder so etwas wie psychotisches Erleben und Warnvorstellungen.
00:47:08: Das sind häufig die ersten Symptome bei dieser Variante.
00:47:11: Also psychiatrische Auffälligkeiten, was auch der Grund dafür ist, wieso man bei Steven damals lange Zeit von der Depression ausging, bis eben andere Symptome dazu kamen, die auch bei anderen Erkrankungen auftreten.
00:47:22: Demenz, Koordinationsstörung, Gangstörung etc.
00:47:26: Was das jetzt bedeutet ist, dass Steven irgendwann in seinem Leben, vermutlich vor vielen Jahren, eine verhängnisvolle Mahlzeit gegessen haben muss.
00:47:35: Ein schneller Burger auf die Hand nach der Schule, ein Steak beim Grillen oder halt eine Wurst in der Kantine, die ihm dann zum Verhängnis wurde.
00:47:42: Für die Churchills ist das nahezu unvorstellbar, dass ein Stück Fleisch ihrem Sohn das Leben gekostet haben soll.
00:47:49: Sie und immer mehr Angehörige von Betroffenen gehen an die Öffentlichkeit, fordern Antworten von der Regierung, die seit sechs Jahren beschwichtigt.
00:47:57: Immer wieder betont der neue Gesundheitsminister Großbritanniens, britisches Rindfleisch könne weltweit bedenkenlos gegessen werden.
00:48:05: Doch der öffentliche Druck wächst.
00:48:07: Am zwanzigsten März, nineteenhundert sechsundneunzig tritt er schließlich vor die Nation und räumt ein, zwar gäbe es bisher keine wissenschaftlichen Beweise, dass BSE über Rindfleisch auf Menschen übertragen wird, doch es zeichne sich ab, dass dies die wahrscheinlichste Erklärung für eine Reihe junger Kreuzfeld-Jakob-Erkrankungen sei.
00:48:25: Für Familie Churchill, Mikrobiologe Richard Lacy und viele andere ist das der Moment, auf den sie so lange gewartet haben.
00:48:33: Die neue Variante der Kreuzfeld-Jakob-Krankheit und die Rinderkrankheit BSE hängen zusammen.
00:48:39: In diesem Augenblick lässt sich nur erahnen, welche Folgen dieser Erkenntnis noch haben wird.
00:48:45: Schon sieben Tage nach der Bekanntmachung folgt die politische Reaktion.
00:48:49: Die Europäische Union verhängt ein weltweites Exportverbot für britisches Rindfleisch und Fleischprodukte.
00:48:55: Großbritannien darf sein Rindfleisch also nicht mehr ausführen.
00:48:58: Viele Länder, darunter auch die USA, setzen zusätzlich eigene Importverbote in Kraft.
00:49:03: Sie verbietet die britische Regierung außerdem den Verkauf bestimmter Rindfleischprodukte im eigenen Land.
00:49:10: Der Absatz vom britischen Rindfleisch bricht massiv ein.
00:49:14: Und in Straßenumfragen aus dieser Zeit hört man auch, wie verunsichert die Bevölkerung ist.
00:49:37: Für mich, nein.
00:49:55: Also man merkt, besonders Kinder und junge Leute fürchten, selbst zu den nächsten Opfern zu gehören.
00:50:01: Denn bislang sind alle Infizierten relativ jung.
00:50:03: Und da gibt es eine Theorie zu, in Schulen und Kantinen aßen Jugendliche mehr britisches Rindfleisch und verarbeitete Produkte.
00:50:11: Aber man zieht auch in Betracht, dass die neue Variante, also die VCRK, bei älteren Menschen oft übersehen wird, weil sie mit der klassischen CRK verwechselt wird.
00:50:20: Der europäische Rindfleischmarkt kollabiert.
00:50:23: Vier Komma vier Millionen Rinder werden allein in Großbritannien wegen BSE Not geschlachtet.
00:50:29: Auch in anderen Ländern werden aus Großbritannien importierte Rinder schnellstmöglich vernichtet.
00:50:34: Auch in Deutschland greift die Panik um sich.
00:50:37: In TV-Nachrichten sieht man zuckende, taumelnde Rinder und hört von Menschen, die am Rinder-Wahnsinn verenden sollen.
00:50:44: Der Konsum fällt auch in Deutschland, nineteenhundert, neunzig, dramatisch, teils um die Hälfte.
00:50:50: Jetzt wird allen klar, BSE ist kein Scherz, Menschen sterben, und das auf schreckliche Weise.
00:50:56: Ja, ich erinnere mich, etwa zu dieser Zeit wird vielleicht ein bisschen später gewesen sein.
00:51:00: Da war ich mit meinen Eltern an der mecklenburgischen Seenplatte auf einem Campingplatz und habe Rots und Wasser geheuert, weil da abends Rindfleisch auf dem Grill landen sollte.
00:51:11: Und ich nicht wollte, dass meine Eltern das essen, weil ich sicher war, dass sie daran elendig sterben werden.
00:51:16: Also, ich hab vorher als Kind schon ungern Fleisch gegessen und so wurde mir das erzählt, als ich klein war, hab ich immer die Wurst auf dem Frühstückstisch gestreichelt und arme Schweine gemummelt.
00:51:25: Aber BSE hat mir dann wirklich den Rest gegeben und war dann letztendlich auch der Grund dafür, dass ich raus war aus dem Fleischgame und zwar für immer.
00:51:35: Da helfen dann auch die Warnrufe meiner Oma nichts mehr.
00:51:38: Ja, also die BSE-Panik ist ab nineteenhundertsechsundneinzig auch in Deutschland ausgebrochen und das wird in der Zeit natürlich von einer Person mit Interesse verfolgt, und zwar von der Tierärztin Margaret Herbst, die ja bereits nineteenhundertneinzig versucht hatte, möglicherweise Infizierte-Rinder aus dem Verkehr zu ziehen, damit deren Fleisch nicht hinter der Theke landet.
00:52:05: Jetzt, wo klar ist, dass sie mit ihrer Vermutung recht behalten sollte, ist sie noch immer arbeitslos.
00:52:11: Herbst ist in der Branche verbrannt.
00:52:13: Die angstpotenzielle Arbeitgeberin ist zu groß, dass sie Schwierigkeiten machen könnte.
00:52:18: Sie hat durch ihre große Enthüllung alles verloren, ihren Job, ihr Ansehen und auch den Prozess gegen ihren Arbeitgeber, den Landkreis und gegen den Schlachthof, für den sie einmal gearbeitet hat.
00:52:28: Seitdem hat sich ihr Leben grundlegend geändert, wie sie später in einem Interview mit dem ARD-Magazin Plus Minus verrät.
00:52:35: Nach der Kündigung musste ich den arbeitslosen Geld und arbeitslosen Hilfe beantragen, so dass ich praktisch kaum in der Lage war, meine Kinder finanziell zu unterstützen.
00:52:46: Sie muss mit ihren Kindern in eine kleine Wohnung ziehen, viele Habseligkeiten verkaufen, sogar ihr geliebtes Pferd.
00:52:52: Doch in dem Jahr ist das Blatt.
00:52:54: Das Kündigungsschutzverfahren wird neu aufgerollt und diesmal bekommt Herbst recht.
00:52:59: Das Oberlandesgericht Schleswig stellt fest, dass die Richterinnen zuvor zu Unrecht von ausgeräumten BSE-Verdachtsfällen ausgegangen waren und Herbst's Pflicht zur Verschwiegenheit nicht ausreichen gegen ihre Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit abgewogen hatten.
00:53:15: Der Vorsitzende Richter empfiehlt, die Kündigung erneut zu prüfen.
00:53:18: Eingestellt wird Herbst trotzdem nicht.
00:53:21: Stattdessen verklagt ihr ehemaliger Arbeitgeber sie auf Schadensersatz und Unterlassung.
00:53:25: Immerhin ohne Erfolg.
00:53:27: Im Urteil von nineteenhundertsehntonneunzig heißt es, es dränge sich der Verdacht auf, dass den staatlichen Stellen durchaus im Einklang mit den fleischerzeugenden und verarbeitenden Betrieben sehr daran gelegen war, einen amtlichen BSE-Nachweis, wenn irgend möglich, zu verhindern.
00:53:45: Das Problem ist, genauso zaghaft wie damals bei den Rindern, die Symptome zeigten, reagiert jetzt die deutsche Politik auch, wenn es um den Fleischkonsum geht.
00:53:54: Die gibt nämlich Entwarnung, wie hier in einer Pressekonferenz im Jahr nineteenhundertsechserneunzig der damalige Landwirtschaftsminister Jochen Borchardt von der CDU und der damalige Umweltminister Horst Seehofer von der CSU.
00:54:07: Also ich esse gern Rindfleisch und empfehle allen Markenfleisch aus Deutschland zu essen.
00:54:11: Ich füge auch absolut das gleiche hinzu und so würde jedenfalls in Bayern empfehlen, auch noch besonders auch bayerisches Rindfleisch.
00:54:19: Ihr wisst, es ist eine schöne Tradition.
00:54:21: Also bis heute hat das Verherrlichen von Fleischkonsum bei CSU-Vorsitzenden großen Stellenwert.
00:54:27: Jedenfalls sind sich Borchardt und Seehofer damals einig, in dem was sie nach außen kommunizieren wollen.
00:54:32: Deutsches Fleisch sollte sicher sein, nur Britisches ist gefährlich, und da Deutschland sowie die meisten anderen Länder den Import britischer Rinder gestoppt hat und auch die Verfütterung von Tiermehl, ein Wiederkäuerjahr bereits seit nineteenhundertvierneunzig durch die EU verboten ist, sei hier alles in bester Ordnung.
00:54:49: Doch damit gibt es ein Problem.
00:54:51: Erstens, ob Deutschland sicher ist, das weiß zu dem Zeitpunkt eigentlich niemand, weil die Inkubationszeit der neuen Kreuzfeld-Jakob-Variante ja so lang sein kann.
00:55:00: Also diese Kramkeitsymptome, die zeigen sich ja oft erst viele Jahre später.
00:55:03: Vielleicht gibt es zu dem Zeitpunkt also schon Infizierte.
00:55:07: Und so eine Umstellung der Futtermittelbetriebe dauert ja auch eine Zeit lang.
00:55:11: Und es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass auch nach dem EU-Verbot versehentlich oder illegal die Kosten günstiger Variante verfüttert wird, beispielsweise weil man Restbestände aufbrauchen möchte oder so.
00:55:24: Auch Großbritannien hatte nach dem eigenen Tiermehlverbot trotzdem weiterhin kontaminiertes Tiermehl in andere Länder exportiert.
00:55:32: Und tatsächlich dauert es nicht lang, da wird bekannt, dass es bereits Ende nineteenhundertsechsundneunzig in NRW ein totes Rind gab, dessen Todesursache sich sicher auf BSE zurückführen ließ.
00:55:43: Ein aus England stammendes Galloway-Rind.
00:55:47: Alle aus Englern stammenden Rinder und ihre Nachfolgegeneration sollen darauf hinnotgeschlachtet und entsorgt werden.
00:55:53: Die Politik behält das Narrativ bei, das Problem heißt Großbritannien, unsere deutschen Rinder sind sicher.
00:56:00: Aber auch dieser Glaube geht verloren, spätestens als das erste BSE-Rind in Deutschland bestätigt ist, dass keine Verbindung nach Großbritannien hat.
00:56:08: Und an dieser Stelle kann man sich ja fragen, wenn laut Tierschutzschlachtverordnung keine kranken Tiere in die Lebensmittelproduktion gelangen dürfen?
00:56:16: Wieso werden jetzt nicht Leute Ding festgemacht?
00:56:22: Und die Antwort liegt vor allem darin, dass sich damals Verstöße kaum nachweisen lassen.
00:56:26: Es war zwar so, dass BSE bei betroffenen Tieren zur auffälligem Verhalten oder motorischen Störung geführt hat, aber die Anzeichen waren auch oft unspezifisch und leicht zu übersehen.
00:56:36: Vor allem in Betrieben, in denen täglich hunderte Tiere durchliefen.
00:56:41: Und dann kommt ja auch noch hinzu, dass BSE zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht im Katalog der meldepflichtigen Tierkrankheiten steht.
00:56:48: Also die Schlachtverordnung war auf diesen Fall gar nicht vorbereitet.
00:56:52: Es gibt damals noch kein System, dass das alles klar regelt und da Wohinweise auftauchen fehlen, aber auch oft beweise, dass jemand wirklich wissentlich gehandelt hat.
00:57:01: In der Folge der BSE-Krise beschließt die Bundesregierung umfangreiche Maßnahmen.
00:57:05: Bis zwei tausend zwei werden in Deutschland rund vierhunderttausend Rinder aufgekauft, geschlachtet und vernichtet.
00:57:12: Die Kosten belaufen sich auf etwa zwei Milliarden Mark.
00:57:15: Kritik kommt vor allem von Landwirtinnen und Tierschützer innen.
00:57:18: Sie betonen, viele der Tiere hätten nie Tiermehl gefressen und seien daher kaum ein Risiko.
00:57:23: Die eigentliche Gefahr gehe von Rindern aus, die mit möglicherweise BSE-verseuchtem Tiermehl gefüttert wurden.
00:57:30: Doch weil man damals weder jeden Futterweg zurückverfolgen noch alle Tiere einzeln testen kann, setzt die Politik auf Massenkeulungen als Vorsichtsmaßnahme.
00:57:39: Die Kritikerinnen sprechen von Symbolpolitik, die die Betriebe hart trifft, ohne die wirklichen Ursachen zu beseitigen.
00:57:46: Doch der Protest verhält.
00:57:48: Im Zuge der BSE-Krise treten schließlich Gesundheitsministerin Andrea Fischer von den Grünen und Landwirtschaftsminister Karl Heinz Funke von der SPD zurück.
00:57:57: Gleichzeitig steigt hier die Angst, dass das erste menschliche Opfer von BSE in Deutschland bald Wirklichkeit werden könnte.
00:58:03: Wie man hier in dem Fernsehbeitrag von Panorama hört.
00:58:16: Deutschlands Kliniken sind aufgefordert, jeden Verdacht zu melden.
00:58:20: Während in Deutschland die Angst vor der neuen Variante der Kreuzfeld-Jakob-Krankheit erst richtig Fahrt aufnimmt, muss sich in Großbritannien ein Elternpaar damit abfinden, dass die neue Variante der Erkrankung offenbar ihr Kind als erstes Todesopfer gefordert hat.
00:58:34: Nachdem bei Steven Churchill eine histopathologische Untersuchung des Gehirn stattfand und dort die typischen Prionproteinablagerungen gefunden werden konnten, gibt es keine Zweifel mehr.
00:58:44: Steven ist der weltweit erste bestätigte VCJK Todesfall.
00:58:49: Für dort und Dave bedeutet das aber nicht, dass ihr Kampf zu Ende ist.
00:58:52: Im Gegenteil.
00:58:53: Bisher war es ein Kampf um Sichtbarkeit und um Antworten.
00:58:56: Jetzt, wo die Churchills beides haben, geht es um den nächsten und noch viel wichtigeren Schritt, Gerechtigkeit.
00:59:03: Wer für sie schuldig an dem Verlust ihres Sohnes ist, erklärt Dave Churchill in einem Interview.
00:59:29: Also Dave sagt, es sei, als hätte jemand der Fahrerflucht begangen, hat ihren Sohn getötet und ein Jahr lang hätten sie nicht gewusst, wer verantwortlich ist.
00:59:36: Und jetzt steht aber für sie fest, es ist die britische Regierung.
00:59:50: Wenn die Disease zuerst bemerkt wurde, war es langsam zu reagieren zu dem Feed-Problem, der es kreiert hatte.
00:59:57: Dann, als es berichtet wurde, dass es ein Risiko für die humaner Gesundheit war, war es langsam zu reagieren zu dem Feed-Problem.
01:00:03: Und es gab zwei Jahre, um es in den Platz zu bringen.
01:00:05: Und wie Dotte gesagt, hat er die Verkaufung jahrelang über die Jahre gelangt.
01:00:09: Die britische Politik, wir in ganzes Fall, würde gerne wissen, ob sie es immer richtig bekommen, wenn sie es immer weiterersteckt.
01:00:16: Wann ist es richtig?
01:00:17: Wird niemand wissen?
01:00:18: Dort und Delft Churchill werfen der Regierung vor, in jeder Phase der BSE-Krise zu spät reagiert zu haben, erst auf die Futterkrise und dann auf die möglichen Risiken für Menschen.
01:00:28: Die Vorsichtsmaßnahmen seien immer nur verschärft worden, wenn es eigentlich schon zu spät war.
01:00:32: Wann man es endlich richtig machen wolle, fragen sich die Churchill's.
01:00:37: Sie und andere Familien fangen an sich zu organisieren und die nächste Phase ihres Kampfes einzuleiten.
01:00:43: Ihre erste Forderung, ein Untersuchungsverfahren, das genau herausfinden soll, an welcher Stelle Versäumnisse bei der Aufklärung der BSE-Krise stattgefunden haben.
01:00:52: Schließlich haben Wissenschaftlerinnen schon vor den BSE Gefahren gewarnt, als sie Politik noch jahrelang die Gefahr heruntergespielt hatte und einige sogar vor Kameras ihre Töchter mit Rindfleischbörgern füttern wollten.
01:01:04: Dank der öffentlichkeitswuchsamen Kampagne der Familie Churchill und anderen Angehörigen verstorbener wird im Dezember.
01:01:17: Das reicht den Churchills allerdings noch nicht.
01:01:19: So eine Untersuchung dauert Jahre und es ist unklar, zu welchem Ergebnis sie am Ende kommt.
01:01:24: Dort und Dave schließen sich der Nationalen CJD Support Group, einer Selbsthilfeorganisation für Angehörige von Kreuzwelt-Jakob-Patientinnen an und gründen die Human-BSE Foundation, um anderen betroffenen Familien zu helfen.
01:01:37: Bei einer Anhörung, und dann zu einem Hundertundneunzig, sagt ein Gutachter, Steven und andere seien nicht eines natürlichen Todes gestorben, sondern aufgrund eines unglücklichen Ereignisses.
01:01:48: Als Dot das hört, bricht sie in Tränen aus.
01:01:51: Für sie ist es kein Unglück, sondern Folge großer Versäumnisse im großen Stil.
01:01:57: Inzwischen sind neununddreißig Menschen infiziert oder bereits tot.
01:02:01: Es geht darum, dass Politikerinnen wie John Gammar viel zu lange entwahnt, verzögert oder heruntergespielt haben, um die allgemeine Stimmung zu beruhigen oder Wirtschaftsinteressen zu schützen.
01:02:12: Ende der Neunziger beginnen die Churchills und andere betroffene Familien rechtliche Schritte vorzubereiten.
01:02:17: Sie werfen der Regierung vor, die Bevölkerung dem Risiko von BSE versäuchten Brinnfleisch ausgesetzt zu haben und fordern Entschädigungen für das Leid, die Pflegekosten und die finanziellen Belastungen durch die Erkrankungen.
01:02:29: Doch noch bevor es zu einem Prozess kommt, kündigt die Regierung im Oktober zweitausend ein Multi-Millionen-Kompensationspaket für die Familien, der inzwischen dreiundsiebzig BSE-Opfer an.
01:02:40: Es ist keine gerichtliche Verurteilung, sondern eine politische Entscheidung, getroffen unter wachsendem Druck und kurz vor Veröffentlichung des offiziellen BSE-Enquiry-Berichts.
01:02:51: Dieser Bericht kommt schließlich zu dem Schluss.
01:02:53: Die Krise wurde verschleppt, ausgelöst durch die Fleischindustrie, die Kosten sparen wollte.
01:02:59: Aber verschlimmert wurde sie durch den Versuch der verantwortlichen Politikerinnen eine Gesundheitspanik zu verhindern, durch schlechte Kommunikation der Regierungsinstitutionen und bürokratische Verzögerungen trotz wissenschaftlicher Warnungen vor den Risiken.
01:03:13: Die Öffentlichkeit wurde nie über die Einschätzung von Wissenschaftlerinnen informiert.
01:03:18: Familie Churchill zieht sich immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück.
01:03:22: Sie braucht endlich die Ruhe, die sie jahrelang nicht haben konnte, weil sie für Gerechtigkeit gekämpft hat.
01:03:28: Dort und Dave haben zwar die finanzielle Kompensation erhalten, die ihnen im Alltag hilft, ihren Sohn werden sie aber nie mehr zurückbekommen.
01:03:35: So wie alle Familien, der insgesamt hundert und siebzig Toten, die bis zu zwei tausend vierundzwanzig in Großbritannien an VCJK starben.
01:03:45: In Deutschland wird, der erste BSE-Schnelltest zugelassen.
01:03:50: Als im Jahr zweitausend das erste in Deutschland geboren und aufgewachsene Rind offiziell mit BSE diagnostiziert wird, waren zehn Jahre vergangen, seit Margret Herbst das erste Stolpern der Rinde im Schlachthof gesehen hat.
01:04:03: Ab.
01:04:03: da ist amtlich, was sie schon vor einer Dekade vorher gesehen hat.
01:04:07: Es gibt BSE auch in Deutschland, bei deutschen Rindern.
01:04:11: Ab dem Jahr zweitausend treten in Deutschland immer mehr BSE-Fälle auf.
01:04:14: Es werden insgesamt dreihundertsechsunddreißig bestätigte Fälle bis zweitausendneun.
01:04:19: In dieser Zeit werden hier mehr als hunderttausende Rinder geschlachtet.
01:04:23: Unzählige Arbeiterinnen in der Fleischindustrie verlieren ihren Job.
01:04:27: Wie viele es auch vorher schon in Deutschland gab, die unter dem Radar gelaufen sind und zu Fleisch verarbeitet wurden, werden wir und Margaret Herbst nie erfahren.
01:04:36: Immerhin dreht sich irgendwann der Wind für sie.
01:04:38: Im Jahr.
01:04:38: es wird Margaret Herbst einen Whistleblowerpreis verliehen.
01:04:41: Und in dem Jahr wird sie für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen.
01:04:45: Herbst stellt eine Bedingung.
01:04:47: Ihre ehemaligen Arbeitgeber müssen anerkennen, dass sie im Recht ist.
01:04:52: Weil das nie passiert, lehnt sie das Bundesverdienstkreuz ab.
01:04:55: Herbst findet nie wieder Arbeit und lebt bis heute in bescheidenen Verhältnissen.
01:05:00: Sie hat ein reines Gewissen, sagt sie.
01:05:03: Abgesehen davon haben ihr Mut und ihre Integrität für sie nur Nachteile.
01:05:08: Heute ist sie eighty-fünf Jahre alt und gibt mittlerweile schon länger keine Interviews mehr, hat sie uns gesagt.
01:05:14: Bis heute ist in Deutschland die Verfütterung bestimmter tierischer Proteine in Futtermitteln gesetzlich untersagt.
01:05:20: Mittlerweile wurde auch eine zentrale Prüfstelle eingerichtet, die alle Verdachtsfälle von BSE untersucht und stichprobenartig rindertestet.
01:05:27: Dort arbeitet unsere Expertin Dr.
01:05:29: Christine Fast heute.
01:05:32: Ein Ermittlungsverfahren aller Großbritannien gab es in Deutschland nie und das liegt vielleicht auch daran, dass hier bislang kein einziger menschlicher Fall offiziell als durch BSE-bedingte Variante bestätigt wurde.
01:05:44: Wie knapp man daran vorbeischramte, das bleibt Spekulation.
01:05:48: Denn auch in Deutschland kann man davon ausgehen, dass wie in Großbritannien das Problem heruntergespielt wurde, teilt, weil die Interessen der Fleischindustrie über das Wohlergehen der Bevölkerung gestellt wurden.
01:05:58: Die BSE-Krise entstand, weil es mehr darum ging, Fleisch billig und profitabel zu machen, als auf Ethik, Gesundheit und Tierwohl zu achten.
01:06:07: Und das kostete am Ende nicht nur Steven Churchill, sondern weltweit zweihundert bis zweihundertfünfzig Menschen das Leben, wie uns unser Experte Dr.
01:06:15: Peter Herrmann erzählte.
01:06:17: Der letzte, ihm bekannte Fall ist erst zehn Jahre her.
01:06:22: Ja.
01:06:24: Also, ich weiß, es ist kein typischer Mordlustfall.
01:06:26: Ich habe mir den Fall aber ausgesucht, weil ich mich sehr für so Krisen und Skandale interessiere, die durch politisches Handeln oder in dem Fall auch Nicht-Handeln ausgelöst wurden.
01:06:36: weil wirtschaftliche Interessen eventuell im Vordergrund stehen, ist noch nicht allzu lange her.
01:06:40: Da habe ich euch von dem Kontagarenfall erzählt und auch da sollte ein bestimmter Markt geschützt werden.
01:06:46: Ich finde, die Fälle haben so ein paar Parallelen.
01:06:49: Allerdings lag ja da die Verantwortung vielmehr auf dem einen Unternehmen, das Kontagaren vertrieben hat.
01:06:54: Aber allein diese gesetzlichen Regelungen haben auch da den Nährboden dafür gegeben, dass so was passieren kann.
01:07:00: Also in beiden Fällen haben wirtschaftliche Interessen dazu geführt, Exporte und Konsum aufrecht zu erhalten.
01:07:06: Und das hat offenbar eine viel größere Rolle gespielt, als gesundheitliche Risiken ernst zu nehmen, zumindest für eine lange Zeit.
01:07:14: Denn ich meine also Fachleute, die halt nicht gehört wurden, aber... Die waren trotzdem da, haben es schon in der Jahr- und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und-und.
01:07:43: Auch da hieß es ja, dass sich der Verdacht aufdrängt, dass den staatlichen Stellen sehr daran gelegen war, einen amtlichen BSE-Nachweis, wenn irgend möglich, zu verhindern.
01:07:52: Und das finde ich schon wirklich sehr bezeichnend.
01:07:55: Und auch wenn ich das absolut unverantwortungslos finde, wie da gerade die britische Regierung versucht hat, das alles unter den Teppich zu kehren, kann ich gleichzeitig Zumindest verstehen, dass man versucht hat, der Panik so ein bisschen entgegenzuwirken.
01:08:09: Das hätte man meiner Meinung nach anders machen müssen, als zu sagen, von dem Fleisch geht gar keine Gefahr aus.
01:08:16: Aber mein Gefühl dazu.
01:08:20: Also, ich meine, ich war auch noch ein Kind, aber ich habe damals gedacht, dass es eine riesige Bedrohung für die gesamte Menschheit war, weil dieser Aufschrei so riesig war.
01:08:29: Da ist natürlich generell nicht verkehrt in der Politik da so ein bisschen auch gegenzulenken und keine Massenpanik auszulösen.
01:08:36: Ich glaube, was daran so beängstigend war, ist, dass es ja theoretisch in jeder Wurst hätte sein können.
01:08:41: Und ich meine, dass wir in Deutschland keinen einzigen nachgewiesenen Fall hatten.
01:08:47: Obwohl es damals Jahr zwei bis drei neue Verdachtsmeldungen pro Woche dieser neuen Kreuzfeld-Jakob-Variante gab, das wusste ich bis zur Recherche diesesfalls nicht.
01:08:57: Also in meinem Kopf war das alles riesengroß.
01:08:59: Jetzt habe ich mich natürlich gefragt, wieso ist denn das eigentlich so?
01:09:03: Weil, wenn es so viele registrierte Rinder gab.
01:09:06: Und wir wissen ja, dass die Margaret Herbst da schon zehn Jahre vorher die ersten Straucheln in Rinder gesehen hat.
01:09:12: Da sind ja auf jeden Fall auch in Deutschland infizierte Rinder hinter der Theke gelandet.
01:09:18: Also theoretisch hätten sich hunderttausende oder sogar Millionen Menschen infizieren können.
01:09:23: Und darüber haben wir auch mit Dr.
01:09:24: Peter Hermann gesprochen.
01:09:26: Wie kann es sein, dass es weltweit bislang nur etwa zweihundert bis zweieinhalbfünfzig bestätigte Todesfälle von dieser neuen Variante, von der Kreuzfeld-Jagdkorkrankheit gibt?
01:09:35: Warum sind das nur so wenige?
01:09:37: Und er sagt, wahrscheinlich spielen da mehrere Faktoren eine Rolle, also einmal genetische Unterschiede, aber auch individuelle Empfänglichkeit und die Infektionsdosis.
01:09:47: Also, manche Menschen würden wohl selbst dann nicht erkranken, wenn sie mit kontaminiertem Material in Berührung kommen.
01:09:53: Und es kommt wohl auch darauf an, wie viel Prion Proteine man zu sich nimmt.
01:09:58: Aber wenn man sich damit infiziert, dann ist das, wie gesagt, das absolute Todesurteil.
01:10:04: Abschließend ist das Ganze aber bis heute noch nicht erforscht.
01:10:06: Es gibt da noch einige Fragezeichen.
01:10:09: Ja, ich habe es eben angesprochen.
01:10:10: Die Geschichte erinnert mich so ein bisschen an den Kontagonfall und nicht nur weil auch aus dem Fall hier neue Gesetze und strengere Kontrollen und zentrale Meldestellen hervorgegangen sind, sondern auch weil beide Fälle von mutigen Menschen handeln, die sich mit sehr viel mächtigeren Gegnern anlegen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.
01:10:29: Und leider zeigt er aber auch, dass die, die das wagen, oft einen hohen Preis dafür zahlen.
01:10:34: Die Menschen, die wie Maghret Herbst das Richtige tun, die werden zumindest, ist es in dem Fall hier so, am Ende bestraft und es dauert ewig, bis sie rehabilitiert sind.
01:10:44: Und ehrlicherweise auch ewig wisse ich in Deutschland jemand darum kümmert, dass es Menschen wie Margret Herbst in Zukunft nicht so ergehen wird.
01:10:51: Denn erst im Juli, im Jahr Jahrzehnte nach Margret Herbstfall gibt es jetzt in Deutschland mit dem Hinweisgeberschutzgesetz klare Regeln, um Whistleblower besser zu schützen.
01:11:03: Also Unternehmen und Behörden müssen jetzt interne Meldestellen einrichten.
01:11:07: Und es gibt auch externe Stellen, bei denen man Missstände auch anonym anzeigen kann, damit halt niemand mehr seine oder seinen Wohlergehen riskieren muss, nur weil die Person auf ein wichtiges Problem hinweist.
01:11:19: Ja, denn wer weiß, wenn man Menschen wie Margret Herbst, vor allem natürlich britische Margret Herbst, damals schon ernst genommen hätte.
01:11:27: Vielleicht hätten dann Menschen wie Steven Churchill nicht sterben müssen, weil sie ein Burger gegessen haben.
01:11:33: So, das war jetzt ein kleiner Abstecher in einer etwas untypischere Modbus-Folge.
01:11:38: Ich hoffe, euch hat es trotzdem interessiert.
01:11:41: Nächste Woche geht es hier wieder um ein brutales Verbrechen, das einen so absurden Hintergrund hat, dass man ihn fast nicht glauben will.
01:11:47: Und Laura ist dann auch wieder am Start.
01:11:49: Ich freue mich auf dich, Schmu.
01:12:06: Rechtliche Abnahme und Beratung abelben Kollegen.
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