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#217 Der schnelle Tod

Shownotes

Triggerwarnung: In dieser Folge geht es um Gewalt gegen Kinder.

Leila und Fadi sind mit ihren zwei Kindern auf dem Weg ins Wochenende. Gerade haben sie noch im Supermarkt eingekauft und die Lebensmittel im Kofferraum verstaut, als Leila plötzlich auf der Landstraße etwas am Horizont erkennt. Ein entgegenkommender Audi taucht mit waghalsiger Geschwindigkeit auf ihrer Spur auf, kommt immer näher. Fadi am Steuer versucht noch zu bremsen – vergeblich. Nur Sekundenbruchteile später fliegt die Familienkutsche durch die Luft. Nicht nur die Polizei fragt sich, warum die Frau im Audi nicht gebremst hat und dadurch das Leben der Familie für immer in einen Albtraum stürzte.

In dieser Folge von „Mordlust – Verbrechen und ihre Hintergründe” geht es um einen Fall, der sich so jedes Jahr tausendfach auf deutschen Straßen abspielt – tausendfach gut geht, hier jedoch schrecklich endet. Ein Fall, der zeigt, dass die Entscheidung darüber, was ein Mord ist, alles andere als einfach zu beantworten ist.

Expert:innen in dieser Folge sind die Verkehrspsychologin Nicole Adam und der Strafverteidiger und Fachanwalt für Verkehrsrecht Uwe Lenhart.

Credit Produzentinnen/Hosts: Paulina Krasa, Laura Wohlers Redaktion: Paulina Krasa, Laura Wohlers, Daniel Hinz Schnitt: Pauline Korb Rechtliche Abnahme: Abel und Kollegen

Quellen (Auswahl) Urteil 1 Ks 39 Ks 12-22 BGH 4 StR 350/23 Urteil 2 Ks 40 Ks 224 Calenberger Online News: Kirchdorfer Rehr: Staatsanwaltschaft klagt Fahrer wegen Mordes und Beihilfe an - Angeklagte streiten das ab

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Transkript anzeigen

00:00:11: Bekommen bei Mott Lust, einem Podcast der Partner in Crime.

00:00:13: Hier geht's um wahre Verbrechen und ihre Hintergründe.

00:00:15: Mein Name ist Paulina Graser und normalerweise sitzt hier mit mir meine Kolleginnen und Freundin Laura Wolas, mit der ich immer einen bedeutsamen wahren Kriminalfall nacherzähle.

00:00:25: Gemeinsam ordnen wir den ein, erörtern oder diskutieren die juristischen, psychologischen oder gesellschaftlichen Aspekte und sprechen mit Menschen mit Expertise.

00:00:33: Heute aber fühle ich euch allein durch diese Folge.

00:00:36: Hier geht's um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.

00:00:39: Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.

00:00:40: Das machen wir auch, selbst dann, wenn wir zwischendurch mal etwas abschweifen.

00:00:43: Das ist für uns eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektelig gemeint.

00:00:49: Bevor wir mit der heutigen Folge starten, in der wir über einen Fall von grenzenloser Selbstüberschätzung reden, die zu einem absoluten Unheil geführt hat, will ich mit euch noch kurz über einen Mann sprechen, der sich ganz schön verzockt hat.

00:01:02: Nämlich einer der Verurteilten im Fall von Giselle Pelicot.

00:01:05: Wir haben ihren Fall ja ausführlich in Folge hundred und achtzig besprochen.

00:01:09: Giselle wurde über Jahre von ihrem Ehemann heimlich mit Medikamenten betäubt und wiederholt vergewaltigt von fremden Männern, die ihr Ehemann über das Internet einlut, sie sexuell zu missbrauchen.

00:01:19: Insgesamt standen einundfünfzig Männer, darunter ihr Ex-Mann Dominik Pelikot vor Gericht.

00:01:26: In den Jahren im Jahr ist der Fall Erik Internationales Aufsehenweil Giselle öffentlich für ihren Prozess eintrat, um sexualisierte Gewalt zu thematisieren.

00:01:41: Und nur einer dieser Verurteilten legte letztendlich Berufung ein und behauptete weiterhin, dass er nicht gewusst habe, dass Giselle geschlafen habe und stritt somit auch eine Vergewaltigung ab.

00:01:51: Das war eh die Verteidigungsstrategie von vielen der Täter damals vor Gericht, aber dieser eine, der hielt nun eben auch nach dem Urteilsspruch daran fest.

00:02:00: Und der bekam jetzt im Berufungsverfahren eine schärfere Strafe.

00:02:04: Zu neun Jahren wurde er im ersten Prozess verurteilt und jetzt nach dem Berufungsverfahren so ein Zehnt raus geworden, dass er überhaupt Berufung eingelegt hatte, sei für die Staatsanwaltschaft ein Beweis dafür gewesen, wie tief Vergewaltigungskultur verankert sei.

00:02:18: In Frankreich ist das so, dass das Berufungsgericht in bestimmten Fällen das Strafmaß neu bemessen kann, auch höher.

00:02:25: Begründet wird das dort mit der vollen Tatsacheninstanz der Berufung.

00:02:29: Das Gericht prüft alles noch einmal komplett inhaltlich, also nicht nur Verfahrensfehler, so wie das in Deutschland üblich wäre, sondern auch Schuldumfang und Strafhöhe.

00:02:37: Giselle sprach von einer fünfjährigen Tortur, die nun hinter ihr liege.

00:02:41: Sie wolle nie wieder in ihrem Leben vor Gericht erscheinen müssen.

00:02:45: Und danach, diesen Prozess auch der letzte der Verurteilten, das Urteil endlich akzeptiert hat, muss sie das hoffentlich auch nicht.

00:02:53: So, jetzt geht es hier aber los mit einem Fall, der eine Diskussion darüber ausgelöst hat, was eigentlich als Mord zu werden ist und welche Taten tatsächlich mit der härtesten Strafe, die das deutsche Recht kennt, bestraft werden sollten.

00:03:07: Alle Namen haben wir geändert und die Trigger-Warnung findet ihr in der Folgenbeschreibung.

00:03:11: Hinter den benetzten Fensterscheiben des weißen Nissans ziehen links und rechts die Felder entlang, über denen gerade noch so die letzten sich durchkämpfenden Strahlen der Sonne hängen.

00:03:21: Es ist ein Freitag-Nachmittag Ende Februar, und auf der Landstraße, auf der Layla und Fadi unterwegs sind, herrscht Feierabendverkehr.

00:03:29: Es nieselt.

00:03:30: Während ihr siebenunddreißigjähriger Mann Fadi das Auto lenkt, wie könnte er nicht immerhin, ist er Taxifahrer von Beruf, tut sich hinter Layla auf der Rückbank das Kinderreich auf.

00:03:39: Decken, Trinkflaschen, Feuchttücher und Kindersitze, auf denen der sechsjährige Amir und der zweijährige Josef angeschnallt sitzen.

00:03:46: Der Kofferraum der Familienkutsche ist voll mit dem, was man am Wochenende brauchen könnte.

00:03:51: Orangensaft, Milch, Joghurt und Küchenrolle.

00:03:54: Das haben die neunzwanzigjährige Layla und ihre Familie eben noch in einem Supermarkt gekauft, bevor sie Richtung Egestorf aufgebrochen sind.

00:04:00: Die Straße auf die Layla und ihr Mann blicken, ein dunkler Streifen als Fall zwischen weiten Feldern, auf denen man in der Entfernung Windräder erkennen kann, zieht sich in einer langgezogenen Kurve nach links.

00:04:11: Eine herkömmliche Umgehungsstraße, eine Spur pro Fahrbahn.

00:04:16: Die Art von Straße, die ortskundige Blind zu kennen glauben, doch genau das ist der Irrtum.

00:04:21: Straßen verändern sich zwar nicht, aber Situationen tun es.

00:04:25: Jede Begegnung ist unvorhersehbar und die, die die Familie machen wird.

00:04:29: Noch dazu tödlich.

00:04:32: Fadi fährt gerade hinter zwei Autos her, knapp unter-siebzig kmh der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, als sich am Horizont plötzlich einer der entgegenkommenden PKW, ein schwarzer Audi, auf die Gegenfahrbahn schiebt.

00:04:44: Auf die, auf der auf die Familie von Leyla und Fadi fährt.

00:04:47: Plötzlich heulen zwei Motoren auf, so laut, als würden sie nicht hier hingehören und als hätten sie die Ruhe der Felder nicht verstanden.

00:04:55: Sie kommen schnell näher, viel zu schnell.

00:04:58: Gerade noch so kann sich der schwarze Audi vor den Wagen schieben, neben dem er gerade noch gefahren ist und zurück auf die richtige Spur einscheren.

00:05:06: Auch, weil der erste der zwei Wagen Vorleiler und Fadi nach rechts ausschert und damit auf dem Grünstreifen landet.

00:05:13: Aber die Bewegung des Audi ist zu hart, zu unruhig, als hätte jemand zu doll am Lenkrad gezerrt.

00:05:19: Der schwarze Audi gerät ins Schleudern und rutscht dann seitlich mehrere Meter, jetzt fast in Querlage über die Straße.

00:05:25: Der Wagen direkt vor der Familie kann einen Crash nicht mehr verhindern.

00:05:28: Mit voller Wucht knallt er mit der Hecksseite des schlingernden Audi zusammen, der sich im Bruchteil einer Sekunde dreht und durch diesen Aufprall in eine Seitenlage gerät.

00:05:37: Layla's Mann Fadi drückt noch auf die Bremse, doch es gibt auch für sie kein Ausweichen.

00:05:41: Der schwarze Audi kollidiert mit dem Nissan mit Layla auf dem Beifahrersitz.

00:05:45: Dann wird es tosend laut.

00:05:47: Metall auf Metall, Glas, das springt, Kunststoff, der reißt.

00:05:52: Das Auto in dem Layla ihr Mann und ihre beiden Kinder sitzen, hebt durch den Aufprall ab.

00:05:56: Zuerst die Hinterreifen, dann die gesamte Karosserie und fliegt mehrere Meter durch die Luft.

00:06:02: Als es auf der angrenzenden Pferdekoppe landet, überschlägt es sich und bleibt schließlich auf dem Dach liegen.

00:06:08: Layla hängt Kopf über in ihrem Gurt.

00:06:10: Die Welt ist unter ihr.

00:06:12: Sie ist eingeklemmt.

00:06:13: Durch ihre rechte Schulter zieht ein brennender Schmerz, der all die anderen Eindrücke überstrahlt.

00:06:18: Alle außer der Angst.

00:06:20: die Angst um ihren Mann und vor allem um ihre Kinder.

00:06:23: Neben und hinter ihr ist es still.

00:06:25: Und es ist eine Stille, die Unheil verspricht.

00:06:27: Als sie laut im Stimmen wirft, war weicht, wird es hektisch.

00:06:30: Fremde Hände greifen ans Blech, weit weg hört man sie reden, die mit jeder Sekunde lauter werden.

00:06:35: Hinten im Auto schiebt sich ein Mann durch die zerbrochenen Scheiben ins Innere des Wagens.

00:06:39: Die ersten Helfer müssen zwischen Lebensmitteln, die sich vom Kofferraum in das Wagen Innere verteilt haben und Kindersitzen nach Leila's Söhnen greifen.

00:06:47: Ein Polizist zieht ein Messer und zerschneidet die Gute, die die Kinder noch immer umschlingen.

00:06:51: Noch immer hat Layla kein Mux von ihrer Familie.

00:06:54: Weder von hinten, noch von der linken Seite.

00:06:57: Nur eine Frauenstimme, die sich von außen neben sie kniet und ihr gut zuredet.

00:07:01: Während sich draußen auf dem halbgefrorenen Boden der Pferdekoppelmenschen mit Uniform und Sanitätsausrüstung über kleine Kinderkörper beugen, spürt Layla, die sich der Wagen unter ihr ruckartig bewegt.

00:07:11: Ihr Mann ist mittlerweile wieder bei Bewusstsein, sein Gesicht ist blutverschmiert.

00:07:15: Dann dreht sich ihre Welt plötzlich um neunzig Grad.

00:07:18: Das Auto ist auf die Seite gekippt worden.

00:07:20: Dann hört sie lautes Segen und Reißen, Metall splittert, bis sich das Dach öffnet und wieder ein Streifen blauer Himmel über Lele erscheint.

00:07:28: Die umliegenden Felder und Bäume sind mittlerweile getränkt in das flackernde Blaulicht der Polizei- und Rettungswagen.

00:07:33: Hubschrauber fliegen über den Feldern, ein Schneiden von Rotoren, das die Luft zerteilt.

00:07:38: Einer setzt am Wegrand auf, Leila wird unter Schmerzen und in Angst darüber, was mit ihrem Mann und ihren Kindern ist, auf eine Trage geschneit und in den Helikopter verfrachtet.

00:07:47: Dann hebt er ab.

00:07:48: In einem nahegelegenen Krankenhaus soll Leila auf der Intensivstation versorgt werden.

00:07:53: Was mit ihrer Familie ist, weiß sie in dem Moment nicht.

00:07:57: Während das Geräusch, dass sich entfernden Hubschraubers am Unfallort immer leiser wird, gleich die abgesperrte Landstraße mittlerweile einer endlosen Kolonne aus Einsatzfahrzeugen von Feuerwehr, Polizei, Notärztinnen und Rettungskräften.

00:08:11: Etliche Einsatzkräfte wuseln, um Herumverletzte zu versorgen.

00:08:15: Immerhin waren sie schnell vor Ort.

00:08:16: Einer der Wagen hatte einen sogenannten E-Call ausgelöst, einen automatischen Notruf, der bei bestimmten Aufbräuwerten selbstständig Kontakt zur Leitstelle aufnimmt und Standoutdaten übermittelt.

00:08:26: Deswegen laufen auch die ersten Bergungsmaßnahmen schon, als noch niemand so richtig begriffen hat, was für ein dramatisches Ausmaß dieser Unfall verursacht hat.

00:08:35: Da der Fahrer des ersten Autos in der Reihe des Gegenverkehrs ja noch nach rechts lenken konnte, steht der Wagen nun auf der Grünfläche.

00:08:42: Der Mercedes dahinter hatte nicht so viel Glück.

00:08:45: Durch den Zusammenprall mit dem Audi wurde die gesamte linke Seite des Mercedes eingedrückt und er kam ebenfalls von der Fahrbahn ab.

00:08:52: Nachdem der schwarze Audi dann in Rotation weiter über die Gegenfahrbahn schleuderte, kollidierte er mit dem Nissan der Familie, da mittlerweile ohne Dach etwa fünfzig Meter rechts abseits der Straße auf der Koppel noch immer auf der Seite liegt.

00:09:04: Ebenfalls einen Totalschaden erlitt ein roter Ford, der hinter dem Nissan der Familie fuhr und auch noch mit dem Audi zusammen stieß.

00:09:12: Der demolierte Audi selbst schleuderte schließlich auf dem von ihm aus rechtsgelegenen Acker und kam dort zum Stehen.

00:09:19: Vier Autos befinden sich jetzt mit total Schaden auf bzw.

00:09:23: neben der Fahrbahn.

00:09:25: Die Straße, auf der wenige Minuten zuvor noch Menschen von der Arbeit unterwegs in ihren erhorsamen Feierabend waren, gleicht einem einzigen langgezogenen Trümmerhaufen.

00:09:34: Der Asphalt ist gesprengkelt mit Blasstaub, mit Kunststoffen, die aus dem Inneren der Fahrzeuge geschlagen wurden, in den Gräben und auf der Weide liegen Tüten und Kleidungsstücke.

00:09:43: Mindestens sechs Personen wurden verletzt und müssen medizinisch versorgt werden.

00:09:47: Noch während die Teams die Verletzten versorgen, lässt sich schon absehen, dass eines von ihnen seine Bemühungen bereits einstellen muss.

00:09:54: Beide Jungen, die hinten im Nissan saßen, mussten noch auf der Stelle reanimiert werden.

00:09:58: Der Zweijährige hat es nicht geschafft.

00:10:01: Nur noch für seinen Bruder, der nun auf dem Weg ins Krankenhaus ist, gibt es noch Hoffnung.

00:10:05: Die Polizei sperrt die Straße mit rot-weißem Abschwerband ab, leuchtet sie wegen der aufkommenden Dunkelheit aus, stellt Kameras auf, spannt Marsbänder und markiert mit Kreide, wo welche Trümmerteile liegen.

00:10:16: Der Unfallort ist jetzt offiziell der Tatort eines mutmaßlichen Tötungsdelikts.

00:10:22: Während die ersten Spuren gesichert werden, werden die Augenzeug-Innen in den Rettungswagen der Feuerwehr betreut.

00:10:28: Die Polizei will von ihnen wissen, was sie in den wenigen Sekunden vor dem Crash erlebt haben, um die Puzzleteile zusammenzusetzen und herauszufinden, wie es zu dieser Tragödie kommen konnte.

00:10:37: Ein Ehepaar berichtet, dass es gerade mit seinem Hund spazieren ging, als es zwei Fahrzeuge aus dem Kreisverkehr fahren sah, einen schwarzen Audi und einen grünen Cupra.

00:10:46: Gleich nach dem Kreisel hätten beide beschleunigt und hintereinander einen Wagen überholt.

00:10:51: Der Kubra sei dann wieder auf seine Fahrbahn, der schwarze Audi hätte weiter zum Überholen angesetzt.

00:10:56: Was die Frauen den Mann verwundert hätten, weil die Landstraße doch recht unübersichtlich sei.

00:11:00: Ich habe zu meinem Mann gesagt, was machen die denn da, was ist denn mit dem Gegenverkehr, berichtet die Frau.

00:11:07: Als die beiden Pkw an ihnen vorbeigefallen seien, hätten sie noch wahrgenommen, dass der Audi wieder auf seine Spur wechseln wollte.

00:11:13: Das wäre ja gerade noch mal gut gegangen, habe die Frau zu ihrem Mann gesagt, doch direkt danach habe es zweimal laut und dumpf geknallt.

00:11:20: Eine zweite Hundebesitzerin, die gerade Gasse ging, sagt, dass das erste, was sie wahrgenommen habe, diese unfassbar lauten Geräusche der Fahrzeuge gewesen seien.

00:11:29: Deshalb habe sie vom Feldweg zur Straße geblickt, wo sie den schwarzen Audi und den grünen Cuprasar die Parallel nebeneinander voren.

00:11:36: Sie haben noch gedacht, dass die beiden langsamer fahren müssen.

00:11:39: Dann habe sie den Gegenverkehr wahrgenommen und kurz darauf Bremsgeräusche und den Sound wie Blech aufeinander trifft.

00:11:45: Das Pärchen, das in dem ersten Auto saß, das dem Audi entgegenkam und gerade noch nach rechts auf den Grünstreifen ausweichen konnte, berichtet, dass die beiden Autos mit hoher Geschwindigkeit aus der Kurve kamen.

00:11:55: Nachdem sie den Zusammenprall gerade so verhindern konnten, habe der Fahrrad zu seiner Freundin noch gesagt, was stimmt denn nicht mit denen?

00:12:03: Aus den Befragungen kann die Polizei vorerst schließen, dass offenbar zwei Autos mit überhöhter Geschwindigkeit aus dem Kreise kamen und der Audi sich nach dem Überholen in der langgezogenen Kurve nicht mehr auf seiner Spur halten konnte und somit den Unfall verursachte.

00:12:18: Was ein fehlgeschlagenes Überholmanöver oder steckt mehr dahinter?

00:12:22: Und das herauszufinden, bittet die Polizei darum, dass sich weitere Zeuginnen bei ihnen melden und leitet Ermittlungen unter anderem wegen fahrlässiger Tötung ein.

00:12:30: Doch wie viele Todesopfer die Kollision am Ende fordert, ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar.

00:12:36: Einen Tag später liegt Layla allein in einem sterilen Krankenhausbett.

00:12:40: Ihre Schulter ist bandagiert, weil sie beim Unfall ausgekugelt wurde, der unterarm gebrochen und geschient.

00:12:45: Außerdem hat sie innere Verletzungen erlitten, sowohl am dünnen Darm als auch am dicken Darm und zusätzlich eine starke Prellung am Becken.

00:12:52: Pochende Flächen aus Schmerz bedecken ihren ganzen Körper.

00:12:56: Doch der schlimmste Schmerz durchschießt sie erst, als sie erfährt, was mit ihrer Familie passiert ist.

00:13:01: Mit ihren Kindern.

00:13:02: Ihr Kleinstar Youssef ist beim Unfall gestorben.

00:13:05: Vor Ort konnte man nichts mehr für ihn tun.

00:13:07: Sein Rückenmark und eine der größten Blutadern im Körper, die Hohlwene, wurden beim Aufprall vollständig durchtrennt.

00:13:13: Der massive Blutverlust führte in seinem kleinen Körper zu einem Kreislaufschock, den er nicht überlebte.

00:13:18: Ihr zweites Kind, der sechsjährige Amir, erfährt Layla, kam vom Unfallort sofort in den OP, wo die Ärztinnen im Gleisenden Neonröhrenlichte Intensivmedizin alles taten, was in ihrer Macht stand.

00:13:29: Doch auch bei ihm waren die Verletzungen am Ende zu gravierend.

00:13:33: Sein Gehirn schwoll durch die Verletzungen so stark an, dass der Druck lebenswichtige Funktionen von Herz und Atmung lahmlegte.

00:13:39: Ursächlich war ein Riss in einer wichtigen Arterie an der Wirbelsäule.

00:13:44: Ihre beiden Kinder sind tot.

00:13:46: Leylas Herz springt in tausend Teile.

00:13:48: Und die Person, die sie vermutlich am meisten bräuchte, ist nicht bei ihr.

00:13:52: Denn ihr Mann Fadi liegt in einem anderen Krankenhaus.

00:13:54: Auch er wurde schwer verletzt, mit einem gebrochenen Nasenbein, Prellungen am Brustkorb und am Bauch eingeliefert.

00:14:00: Nicht mal vierundzwanzig Stunden, nachdem die vier noch gemeinsam in dem Familienwagen fuhr und die Welt noch in Ordnung war, ist sie für Layla nun zur Hölle geworden.

00:14:09: Nachdem bekannt wird, dass zwei Kinder bei dem Unfall ums Leben gekommen sind, wird in den Medien bereits heftig spekuliert.

00:14:16: Zwar hatte der Fahrer des Grünen Kupra, der neunundreißigjährige Fabio Moretti, der als einziger der beiden beteiligten nicht im Krankenhaus war und noch vor Ort Aussagen konnte, beteuert, dass es sich definitiv nicht um ein Rennen gehandelt habe, doch allein die Aussagen der Zeuginnern, dass sein Kupra und der Audi so lang in einem Affentempo nebeneinander hergefahren sind, erregt den Verdacht, dass es vielleicht doch ein illegales Straßenrennen war.

00:14:39: Kein Wunder, immerhin hört man immer häufiger von solchen Renten.

00:14:42: Der Tagesspiegel hat kürzlich bei den Innenministerien der Länder nachgefragt, demnach stieg die Zahl der registrierten illegalen Kfz-Rennen seit im Jahr seit Jahrzehnt auf ca.

00:14:51: sieben Tausend im vergangenen Jahr an.

00:14:53: Und gegenüber Jahrzehnt ist das ein Anstieg von rund sechzig Prozent.

00:14:58: Und hier geht es ja nur um Renten, die vor Gericht verhandelt wurden.

00:15:00: Also die Dunkelziffer dürfte wohl um einiges höher liegen.

00:15:05: Wenn wir uns auf die Rennen in NRW konzentrieren, von denen die Polizei Wind bekommt, dann kann man sagen, dass etwa zwanzig bis zwanzig Prozent in einem Unfall enden.

00:15:12: Also es ist ein sehr gefährliches Hobby, sag ich jetzt mal zynisch.

00:15:16: Und das ist natürlich nicht nur für allen selbst, sondern auch für andere Verkehrsteilnehmende.

00:15:21: Ich weiß nicht, wie es euch geht, ob ihr mal so Rennen mitbekommen habt.

00:15:24: In Berlin habe ich das irgendwie leider ziemlich häufig.

00:15:27: Dass ich da im Auto Menschen begegne, wo ich denke, die messen sich jetzt hier irgendwie auf der Straße und ich denke mir immer, was zum Teufel geht in ... Diesen Köpfen vor.

00:15:36: Also was läuft da oben falsch, dass man jetzt denkt, so was machen zu müssen, so rasen zu müssen?

00:15:41: Darüber haben wir mit Nicole Adam gesprochen.

00:15:42: Sie ist Verkehrspsychologin und bereitet seit Jahren Menschen auf die medizinische psychologische Untersuchung vor, also auf die MPU.

00:15:49: Und sie sagt, dass da ein enormer Geltungsdrang hintersteckt.

00:15:52: Sie sagt, die sogenannte fehlende Anpassungsbereitschaft, das haben einige, also beispielsweise Lkw-Fahrerinnen, die unter Zeitdruck stehen zum Beispiel, richtig problematisch wird das aber bei der fehlenden Anpassungsfähigkeit.

00:16:06: Die fehlende Anpassungsfähigkeit ist schon etwas schwerwiegender und auch die Motive sind anders.

00:16:12: Also da habe ich vielleicht so sensation seeking oder ich muss mich emotional abreagieren, habe eine extreme Selbstwertproblematik, identifiziere mich über das Auto, über das Schnellfahren.

00:16:23: Jetzt bei so rasanten Geschwindigkeit oder wo man vielleicht von einem Geschwindigkeitsrausch sprechen kann, wird natürlich auf ganz viele Dopamin und Adrenalin ausgeschüttet.

00:16:33: was dann auch irgendwie so ein Tunnelblick hat.

00:16:37: Und dann blende ich sozusagen die Risiken tatsächlich aus und nehmen sie auch überhaupt nicht mehr wahr und habe vermeintliche Kontrolle, obwohl ich die natürlich überhaupt nicht habe.

00:16:45: Ja, das ist ja Dopamin, was das macht.

00:16:49: Dieser Kick, dieses Gefühl, sich abzugrenzen und größer zu fühlen als andere, das leben manche dann nicht nur für sich alleine aus, sondern es gibt auch eine richtige Szene.

00:17:00: Verabredet wird sich über Social Media oder Messengergruppen.

00:17:03: Bei so Treffen werden dann meist die Autos präsentiert auf Parkplätzen oder am Stadtrand.

00:17:08: Und dann gibt es auch Rennen untereinander, zum Beispiel beim Ampelstart oder Beschleunigungsfahrten über mehrere Hundert Meter.

00:17:14: Solches sind vor allem in Großstädten verbreitet, aber auch auf breiten Ausfallstraßen oder Autobahnabschnitten.

00:17:21: Man muss sich das jetzt aber nicht wie so ein Motorradclub vorstellen, sondern eher wie ein loses Netzwerk, das sich halt verbunden fühlt durch so Dinge wie die Liebe für Geschwindigkeit, aber auch Status-Symbole und das Brechen von Regeln.

00:17:33: Das Problem ist, Nicole Adam hat uns erzählt, dass sich die meisten, die Rennen fahren, für besser als den Durchschnitt halten, für die Sorte Mensch, die Kontrolle nicht nur hat, sondern sie verkörpert.

00:17:45: Ein kognitiver Bias, der, und das ist das Fatale mit jeder unfallfreien Fahrt, wächst.

00:17:50: Also das Gehirn speichert, ja es geht gut, also kann ich das, nur halt, dass dieser Schluss falsch ist, weil er Zufall und Können verwechselt.

00:17:58: Die meisten, die Rennen fahren, die haben eines gemeinsam und das ist das Geschlecht.

00:18:02: Die Szene zeigt nämlich eine ganz klare Männerdominanz, hat uns Nicole Adam erklärt.

00:18:07: Also statistisch gesehen sind Männer überrepräsentiert, ganz klar, Frauen tauchen wenig auf.

00:18:12: Also ich habe jetzt diese Praxis seit vielen Jahren, also wir kommen jetzt so spontan drei Frauen ins Gedächtnis, die mal irgendwie eine Punkte-MPU gemacht haben.

00:18:19: Ja, warum ist das so?

00:18:20: Also, ja, junge Männer sind besonders risikofreudig, dann unreif.

00:18:25: Also der Prefrontale Cortex ist vielleicht auch noch nicht ausgebildet, so richtig, ne?

00:18:28: Das weiß man ja heute, dass das erst ab fünfundzwanzig vielleicht so ist, wo eben Risiko auch abgewogen wird.

00:18:34: Auch deren Bedürfnis nach Anerkennung in Peer Groups ist stärker als die innere Bremse, sagt Adam.

00:18:39: Warum Frauen aufs Gas treten?

00:18:41: Dazu ist relativ wenig bekannt, sagt die Expertin.

00:18:44: Also bei Frauen gibt es nicht viele Daten und auch nicht viele Studien, warum Frauen dann zu rasern werden.

00:18:50: Also da gibt es natürlich auch eine gewisse Risikofreude, aber dann sagt man erst, dass es eher situativ ist und aus einem Effekt heraus passiert, um vielleicht sich emotional abzureagieren bei Depressionen, bei schwierigen Lebensumständen.

00:19:04: Wir merken, Frauen gibt es kaum in der Szene.

00:19:06: und genau das ist der Punkt, weshalb sich in unserem Fall manche die Frage stellen, war das wirklich ein illegales Autorennen?

00:19:14: Denn in dem Audi, der dafür verantwortlich war, dass zwei Kinder bei dem Überholmanöver gestorben sind, saß eine Frau.

00:19:22: Die neununddreißigjährige Martha Novak, eine verheiratete Frau mit drei Kindern, einem Sohn und zwei Töchtern, wovon eine bereits ebenfalls ein Kind hat, ist mit nicht mal vierzig, also bereits Oma.

00:19:33: Nach einer Ausbildung als Friseurin hat sie in Spanien im Umland von Alicante als Helferin bei der Weidenlese gearbeitet und dort vor achtzehn Jahren ihren jetzigen Ehemann und Vater ihrer Kinder kennengelernt.

00:19:43: Gemeinsam haben sie zwischenzeitlich auch acht Jahre in Polen gelebt.

00:19:46: Martha ist dort auch geboren, allerdings sind sie vor neun Jahren wieder zurück nach Deutschland gekommen.

00:19:51: Seit Jahrzehnte arbeitete sie bei einer Kosmetikfirma, wo sie in der Produktion angestellt ist.

00:19:56: Und von dort ist sie auch am Unfalltag mit ihrem Audi A-Sex nach Hause Richtung Basinghausen gefahren.

00:20:01: Dort wohnt sie in einer Mehrfamilienwohnanlage.

00:20:04: Sie fährt den Weg also fast jeden Tag.

00:20:06: Marta befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt noch im Krankenhaus, auch sie wurde bei dem Crash verletzt und mit einem Rettungswagen eingeliefert.

00:20:13: Die mittlerweile ausgewettete Blutprobe zeigt, dass Marta weder unter dem Einfluss von Drogen noch von Alkohol stand.

00:20:20: Noch im Krankenhaus wird Marta von der Polizei der Führerschein abgenommen und ihr die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen.

00:20:26: Nach den bisherigen Erkenntnissen kennen sich Marta Novak und Fabio Moretti nicht.

00:20:31: Das Einzige, was die beiden gemeinen haben, ist die Nähe ihrer Arbeitsstelle.

00:20:35: Der Cupra-Fahrer, der neben Marta offenbar in einem ähnlich hohen Tempo vor, kam ebenfalls gerade von der Arbeit.

00:20:41: Fabio leitet einen Supermarkt in der Nähe der Landstraße.

00:20:44: Der Cupra ist ein Firmwagen.

00:20:46: Fabio nutzt ihn täglich, um damit von zu Hause zum Laden und abends wieder zurückzufahren.

00:20:51: Auch sein Heimweg führte ihn an diesem Tag über die Landstraße in Basinghausen.

00:20:57: In dem Supermarkt, mit dem er sich selbstständig gemacht hat, trägt er die Verantwortung für fünfzig Mitarbeitende.

00:21:02: Auch Fabio ist seit über zehn Jahren verheiratet und er hat Kinder.

00:21:05: Seine beiden Söhne sind acht und zwei Jahre alt.

00:21:07: Auch sein Leben klingt zunächst auf dem Papier nach Verlässlichkeit.

00:21:11: Die große Frage, die nun im Raum steht.

00:21:13: Haben zwei Menschen, die eine Familie zu Hause haben und die in der Mitte ihres Lebens stehen, tatsächlich an einem Freitagnachmittag im Feierabendverkehr ihr Leben und das von Unschuldigen so dermaßen riskant aufs Spiel gesetzt?

00:21:25: Diese Frage soll nun bald von einem Gericht geklärt werden.

00:21:28: Einige Monate nach dem Unfall im Sommer-Zweißen-Zwanzig liegt der Staatsanwaltschaft nämlich endlich das verkehrstechnische Gutachten vor.

00:21:36: Und nachdem das und die Ermittlungsakte ausgewertet wurde, soll es nun zur Anklage gegen Martha Nowak und Fabio Moretti kommen.

00:21:42: Was in der Ermittlungsakte steht, kommt vor Prozessbeginn natürlich nicht an die Öffentlichkeit, aber immerhin scheint der Inhalt belastend und schwerwiegend genug zu sein, um gegen Martha einen Haftbefehl zu erlassen.

00:21:54: Die neunundreißigjährige soll die Zeit bis zur Verhandlung in Untersuchungshaft verbringen.

00:21:58: Doch als die Polizei den Haftbefehl vollstrecken will, kommt es anders als gedacht.

00:22:03: Denn die Beschuldigte ist unter ihrer Adresse nicht auffindbar.

00:22:06: Martha Nowak hat sich offenbar abgesetzt.

00:22:11: Nachdem Martha Nowak in Deutschland nicht ausfindig gemacht und sie deswegen auch nicht in Untersuchungshaft gesteckt werden kann, erlässt die Staatsanwaltschaft einen europäischen Haftbefehl gegen sie und verhandelt international nach der Frau mit welligem, rötlichen Haar und dem großflächigen, farbigen Tattoo, das ihren dinken Arm bedeckt und bis zum Hals reicht.

00:22:29: Im September, sieben Monate nach dem Unfall, kann sie schließlich von der polischen Polizei in Polen ausfindig gemacht und gefasst werden.

00:22:36: Anfang Oktober wird sie nach Deutschland ausgeliefert.

00:22:39: Während Marta in einem Frauengefängnis auf ihrem Prozess wartet, darf Fabio Moretti seine Zeit bis dahin weiterhin ohne Gitter um sich herum verbringen.

00:22:47: Als es Ende Februar, im Jahr Jahrzehnte, vor das Landgericht Hannover geht, fast auf den Tag genau ein Jahr nach der schicksalzhaften Heimfahrt, bekommen die Kameras der angerückten Presse im Saal hundertundzwanzig nicht mehr als einen hellgelben Aktenordner vor die Linse, der von Gutmann die Kürtenfinger negeln gehalten wird.

00:23:05: Martha Novak trägt an diesem Tag neben den Handschellen, mit denen sie ins Gericht geführt wird, eine schlichte blaue Jeans mit einem dunkelblauen Oberteil, auf dem sich ihre zurechtgemachten roten Haare besonders abheben.

00:23:16: Fabio Moretti, der ebenfalls angeklagte Cupra-Fahrer, trägt ein dunkelblaues Hemd, sein Gesicht bedeckt er zur Hälfte mit einer dunklen FFP-Zweimaske.

00:23:24: Layla und ihren Mann Fadi sucht man heute vergebens im Gerichtssaal.

00:23:28: Für sie ist ihr Nebenklagevertreter bekommen.

00:23:31: Die zwei Menschen auf der Anklagebank, die sich offenbar nicht kennen, ein nun ein ähnliches Schicksal, zumindest wenn es nach der Anklage der Staatsanwältin geht.

00:23:39: Denn die, die den Unfall verursacht haben, werden wegen Mordes und Beihilfe zum Mord angeklagt, außerdem wird ihnen die Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeug, Rennmethodesfolge und Gefährdung des Straßenverkehrs vorgeworfen.

00:23:52: Und hier muss ich an der Stelle mal kurz einhaken, denn über zweite Anklagepunkte, also sowohl die Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeug-Rennen als auch den Mordvorwurf in Bezug auf so ein Rennen, wird bis heute hitzig diskutiert.

00:24:06: Und das alles fing damals am Kudam an, falls ihr euch erinnert.

00:24:09: Wir haben den Fall hier mehrfach besprochen.

00:24:11: Zwei junge Männer rasen, mit über hundertsechzig kmh durch die Innenstadt.

00:24:15: Beirot, mitten in der Nacht.

00:24:18: Einer von ihnen trifft dann einen Jeep, der bei Grünen gerade aus einer Seitenstraße kommt.

00:24:22: Der Fahrer dieses Jeeps stürbt noch am Unfallort.

00:24:25: Jetzt war es bis dato so, dass man in der Rechtsprechung immer gesagt hat, naja... Selbst wenn sich da jemand nicht an die Straßenverkehrsordnung gehalten hat, auch wenn der Verstoß gravierend ist, dann hatte die Person ja noch lange keinen bedingten Tötungsvorsatz.

00:24:39: Ihr wisst, das heißt, dass man dann den Tod nicht unbedingt will, aber billigend in Kauf nimmt.

00:24:44: Und das haben die gesagt, das haben die hier nicht und erst recht keine Tötungsabsicht, hat uns Verkehrsjuris und Experte Uwe Lehn hat erklärt.

00:24:50: Also, bis zum Jahr zwei Jahrzehnte waren verbotene Kraftfahrzeug-Rennen in Deutschland nur als Ordnungswidrigkeit nach der Straßenverkehrsordnung strafbar oder eben Ordnungswidrig.

00:25:00: Selbst wenn es dabei zu schweren Unfällen kam, war eine direkte Bestrafung wegen der Durchführung eines Rennens oder der Beteiligung an einem Rennen selbst nicht möglich.

00:25:07: Strafbar war lediglich das konkrete Unfallgeschehen, also etwa Straßenverkehrsgefährdung, fahrlässige Körperverletzung oder fahrlässige Tötung.

00:25:14: So, und für fahrlässige Tötung bekommt man maximal fünf Jahre.

00:25:17: Und jetzt hat man sich aber den Kudampfer angesehen und sich gefragt, ob das trotz des Tempos, des Risikos und dieser Rücksichtslosigkeit wirklich noch als eine Art Verkehrsunfall zu werden ist oder... Ob man solche Menschen, ich sage es jetzt mal, Salopp, nicht auch irgendwie anders rankriegt.

00:25:33: Und dann sind zwei Dinge passiert.

00:25:34: Einmal hat die Politik reagiert und hat im Jahr zwei Jahrzehnte eine Lücke geschlossen, indem sie einen neuen Paragraph im Entstrafgesetzbuch eingeführt hat, nämlich den dreihundertfünfzehnt D, die Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeug rennen.

00:25:45: Uwe Lehn hat erklärt, was es damit auf sich hat.

00:25:48: Die Begründung war, illegale Renngefährten leib und leben unbeteiligter Menschen.

00:25:53: Anders als ein einfacher Geschwindigkeitsverstoß, seien sie planmäßig auf Höchstgeschwindigkeit und Wettbewerb angelegt und das oft auch in Innenstädten.

00:25:59: Der Gesetzgeber sah hier eine abstrakte Gefährdungslage, die eine höhere Strafandrohung rechtfertigen würde.

00:26:04: Ähnlich wie bei der Drunkenheit im Verkehr, da muss ja nichts passieren.

00:26:08: Wenn man mit so einem Gefahren ist, macht man sich strafbar.

00:26:11: Das Ziel war natürlich auch Abschreckung.

00:26:13: Wer sich an einem illegalen Rennen beteiligt, als Fahrer oder Veranstalter, sollte künftig mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren rechnen.

00:26:19: In besonders schweren Fällen kommt es zum Tod eines anderen Menschen sogar mit bis zu zehn Jahren.

00:26:24: Heißt, seit der Einführung kann man nun eben auch rennen bei den Leuten rücksichtslos durch den Straßenverkehrpreschen angemessener bestrafen und das auch ohne dass jemand dabei verletzt werden muss.

00:26:35: Jetzt habe ich mich gefragt, wenn ich an der Straße stehe und zwei so PS-stärke Autos nebeneinander sehe und die drücken dann nach dem grünen, wurde jetzt beide richtig doll aufs Gas.

00:26:46: Ab wann geht das jetzt als rennen?

00:26:49: Genau das ist auch einer der zentralen Kritikpunkte, hat uns Experte Uwe Lehn hat erklärt.

00:26:53: Denn der Paragraf habe zwar eine Lücke geschlossen, aber auch neue Grauzonen aufgemacht.

00:26:58: Das Gesetz nennt zwar drei Varianten, also echte Rennen zwischen mehreren Autos, spontane Wettrennen oder das Rennen gegen sich selbst.

00:27:07: Aber wo die Grenze zwischen normaler Raserei und einem renntypischen Verhalten verläuft, das ist oft Auslegungssache erklärt Lehn hat.

00:27:15: Da steht nicht drin, ab wann genau dieses Verhalten beginnt.

00:27:18: In der Schweiz ist ab der bestimmten Geschwindigkeit, die konkret genannt ist, keine Ordnungsbuße mehr, sondern eine Straftat.

00:27:24: Fährt jemand schon einen Rennen, wenn er auf einer leeren Landstraße mal ordentlich aufs Gas drückt oder wenn er bei grün etwas schneller anzieht, um vor einem anderen Auto an der nächsten Ampel zu sein?

00:27:33: Das liegt alleine im Auge des Betrachters, also des Richters.

00:27:35: Und das ist im Strafrecht gefährlich, weil hier empfindliche Strafen im Raum stehen.

00:27:39: Ich habe Verfahren gesehen, in denen die Staatsanwaltschaft aus einer einmaligen Beschleunigung schon einen Rennvorgruf gebastelt hat.

00:27:45: Und das öffnet Tür und Tor für Ausuferung.

00:27:47: Das Strafrecht muss aber klar und vorhersehbar sein.

00:27:49: Man muss als Bürger vorher wissen, was verboten ist und was nicht.

00:27:52: So oder so, dieser Paragraf, der war ja erst als Reaktion auf die Kudamrasa im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, im Oktober, Und ihnen das, glaub ich da gesagt, egal war, sie ist also billigend in Kauf genommen haben.

00:28:25: Und damit gab es nach Ansicht der Richterinnen einen bedingten Tötungsvorsatz.

00:28:29: Und nach einem langen juristischen Hin und Her wurden die beiden dann im Jahr endgültig wegen Mordes bzw.

00:28:35: wegen versuchten Mordes verurteilt.

00:28:36: Das hat der BGH so bestätigt und seitdem landen immer wieder Fälle wie der von Marta und Fabio wegen Mordes vor Gericht bzw.

00:28:44: wegen Beihilfe.

00:28:45: Bei Fabio ist es ja so, dass er den tatsächlichen Unfall nicht mit seinem Auto verursacht hat, also er sei zwar mitgefahren, so die Staatsanwaltschaft, aber weil sein Auto niemanden getroffen hat, hat er die unmittelbare Tötungshandlung nicht begangen.

00:28:58: wie man auf Juradolch sagt.

00:29:00: Die Staatsanwaltschaft macht beim Prozessauftakt gegen Marta und Fabio klar, dass das, was vor einem Jahr passierte, nicht als tragischer Unfall bezeichnet werden solle.

00:29:09: Denn das sei es nicht gewesen.

00:29:10: Die beiden seien über einen langen Weg weit mehr als die erlaubten Siebzig kmh gefahren und hätten sich dabei ein illegales Rennen geliefert.

00:29:18: Während Marta Nowak und Fabio Moretti hören, was ihnen von der Staatsanwältin vorgeworfen wird, beginnen beide zu schluchzen.

00:29:25: Beide befinden sich seit dem Unfall im psychiatrischer Behandlung und beide bestreiten, was ihnen zur Last gelegt wird.

00:29:31: Es sei ein Unfall gewesen.

00:29:33: Fabio lässt von seinem Verteidiger vortragen, dass es kein illegales Straßenrennen von seiner Seite ausgegeben habe.

00:29:39: Er sei an jenem Tag mit den Gedanken bei seiner Familie und Musik hören gerade ausgefahren und habe, nachdem er den ersten Wagen nach dem Kreisverkehr überholt hatte und wieder auf seiner Spur war, beschleunigt, weil er freie Fahrt hatte.

00:29:51: Als er dann in die lang gezogene Kurve kam, habe er sich richtig erschrocken, als er eine Motorhaube links neben sich sah.

00:29:58: Er habe daraufhin abgebremst, um dem Audi von Marta noch ein Einschern zu ermöglichen.

00:30:02: Dass die beiden Kinder tot sein, tut ihm wahnsinnig leid.

00:30:06: Die angeklagte Martha hingegen möchte für sich selbst sprechen.

00:30:09: Unter Tränen sagt sie, dass sie nur schwer damit leben könne, für den Tod zwei junger Menschen verantwortlich zu sein.

00:30:15: Im ersten Moment nach dem Unfall sei sie zwar froh gewesen, selbst lebend, wenn auch nur schwer verletzt aus dem Wrack gekommen zu sein, als aber der erste Schock nachgelassen und sie die Folgen des Unfalls realisiert habe, wünschte sie, dass sie anstelle der beiden Kinder gestorben wäre.

00:30:29: Für Sie sei es kam zu ertragen, mit dieser Schuld zu leben.

00:30:32: Zumal sie ja selbst Mutter von drei Kindern ist.

00:30:35: Fabio habe sie nicht bekannt, fügt sie hinzu.

00:30:37: Und definitiv habe es weder vor, noch während der Fahrt Absprachen zu einem Rennen gegeben.

00:30:43: Wenn es nach Matas Zwillingsbruder geht, der vor Gericht als Zeuge geladen wird, dann habe Matas für den Verkehr nie eine Gefahr dargestellt.

00:30:50: Oft seien sie gemeinsam in die Heimat Polen gefahren und nie habe er sich unsicher gefühlt.

00:30:55: Er beschreibt seine Schwester als eine Frau, als eine Mutter, die sich kümmert, die empathisch ist, die in einer Familie groß geworden ist, in der die Mutter früh an Krebs erkrankte und in der Verantwortung nicht etwas war, das man lernte, sondern etwas in das man früh hineingewachsen ist.

00:31:10: Eine verantwortungsvolle Fahrerin also?

00:31:13: Da haben Matas Arbeitskolleginnen die vor Gericht Aussagen andere Eindrücke.

00:31:18: Die Kolleginnen berichten von riskanten Überholmanövern, von durchgezogenen Linien, die nicht galten und dass sie sich dachten, Es war nur eine Frage der Zeit.

00:31:26: Ein Kollege der Kosmetikfirma sagt, dass Martha öfter geprahlt habe, wenn sie mal wieder geblitzt worden sei und dass sie ihren eigenen Rekord in welcher Zeit sie es von ihrem Zuhause bis zur Arbeit schaffe ständig unterbieten wollte.

00:31:37: Er habe ihr geraten Geschwindigkeit dorthin zu tragen, wo sie hingehört, auf eine Rennstrecke an die Nordschleife.

00:31:43: Das ist ein Teil des Nürburgrings und nicht auf eine Landstraße, auf der Menschen mit Kindern unterwegs sind.

00:31:49: Ein anderer Kollege findet ähnliche Worte.

00:31:51: Ich bin einmal bei ihr mitgefahren, weil wir die gleiche Schicht hatten, danach nie wieder", sagt er.

00:31:58: Martha sei damals aggressiv und gleichzeitig unsicher gefahren.

00:32:01: Weil sie denselben Weg hätten, sei er ihr noch öfter auf der Straße begegnet.

00:32:05: Wenn ich sie in meinem Rückspiegel gesehen habe, war nie die Frage, ob sie überholt, sondern nur wann.

00:32:11: Auch auf Strecken, auf denen sonst niemand überholen würde, weil sie so unübersichtlich sein.

00:32:15: Er habe sie immer als Schumi oder Bleifuß bezeichnet.

00:32:19: Die Blitzer App sei außerdem schon eingeschaltet gewesen, als sie den Arbeitsplatz noch nicht einmal ganz verlassen hatte.

00:32:24: Die Belegschaft hätte sich außerdem über Martha ständig wechselnde hochmotorisierte Fahrzeuge gewundert.

00:32:30: Audi, Mercedes, Land Rover, in fünf Jahren habe sie fünf oder sechs unterschiedliche Autos gehabt.

00:32:35: Was verwunderlich gewesen sei, denn bis vor kurzem habe Martha in der Firma noch als Putzhilfe gearbeitet.

00:32:40: Man habe getuschelt, wie sie sich die Karren leisten konnte.

00:32:43: Gemunkelt wurde, dass ihr Ehemann damit vielleicht etwas zu tun hat, der saß nämlich längere Zeit mal in Haft.

00:32:50: Die sehen Martha selbst und ihre Verteidigung zeichnen ein ganz anderes Bild, als ihr Arbeitsumfeld oder ihr Vorstrafenregister.

00:32:57: Vor Gericht wird bekannt, dass Martha bereits einmal mit Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wurde.

00:33:05: Trotzdem setzte sie sich knapp zwei Monate später erneut hinter Steuer und wurde auch dabei erwischt und diesmal wegen Fahrends ohne Fahrerlaubnis verurteilt.

00:33:14: Und das blieb nicht das einzige Mal, dass sich Martha nicht vom Fahren abhalten ließ.

00:33:19: Denn obwohl ihr der Führerschein nach dem Unfall auf der Landstraße auch diesmal vorläufig entzogen wurde, hatte der Arbeitskollege, der bei ihr in der Nähe wohnt, danach auf ihrem Stammparkplatz einen Passat gesehen, aus dem sie auch einmal aus der Fahrerseite ausgestiegen sei.

00:33:33: Selbiges Fahrzeug war auch von anderen KollegInnen auf dem Firmparkplatz gesehen worden und eine Person hatte sie damit definitiv auch einmal vom Gelände fahren sehen.

00:33:42: Bei den Ermittlungen kam heraus, dass Marta im Juni, also vier Monate nach dem Crash, eine Überweisung an einen Autohändler in Höhe von über dreiunddreißigtausend Euro tätigte.

00:33:53: Auch Zahlungen an eine Autoversicherung und eine Zulassungsstelle, also da, wo man ein neues Kfz-Kennzeichen bezahlen muss, ließen sich nachweisen.

00:34:02: Dem Passat habe sie für einen Freund gekauft, sagt Marta vor Gericht.

00:34:05: Der habe ihr früher mal unter die Arme gegriffen, als jemanden uhaft gesessen habe, ergänzt sie.

00:34:10: Sie habe ihm ein privates Darlehen gegeben.

00:34:13: Doch als dieser Freund vor Gericht aussagt, verstrickt er sich in Widersprüche, was die Rückzahlungsraten angeht, was die Geschichte, die Martha dem Gericht aufgetischt hat, wenig glaubwürdig erscheinen lässt.

00:34:23: Verhält sich so jemand, der räumütig ist?

00:34:26: Auch der Polizist, der Marta am Tag nach dem Unfall den Führerschein und die Fahrerlaubnis abnehmen sollte, berichtet, dass Marta auf die Nachricht, dass beide Kinder bei dem Unfall gestorben seien, eher gleichgültig reagiert habe.

00:34:38: Allerdings könne er nicht sagen, ob das nicht vielleicht auch an der Sprachbarriere gelegen habe oder Marta unter dem Einfluss von Medikamenten stand.

00:34:45: Andere Polizistinnen berichten, dass ihnen wiederum die Reaktion von Fabio auf den Unfall merkwürdig vorgekommen sei.

00:34:52: Der habe sich nämlich noch am Unfallort auffallend empathilos gezeigt.

00:34:56: Ein Polizist berichtet, dass Fabio als sein Cupra zur Sicherung abgeschleppt wurde, sich mehrfach erkundigt habe, wer für eventuell entstehende Kratzer aufkomme, statt zu fragen, wie es beispielsweise den Kindern gehe.

00:35:09: Vor Ort fand der Beamte das ungewöhnlich, sagt er.

00:35:12: Er kenne das eher so, dass man sich genau nach den Verletzungen anderer erkundigt.

00:35:18: Für Layla und Fadi, die abgesehen vom ersten Prozesstag jeden Tag auf der Nebenklagebank sitzen und dem Prozess bei wohnen, ist es schwer, diese Details zu ertragen.

00:35:27: Beide tragen noch immer die Folgen des schweren Unfalls mit sich.

00:35:30: Layla leidet auch körperlich noch bis heute.

00:35:33: Sie hat immer noch Wasser im Bauch und Platten im Arm.

00:35:35: Außerdem hat sie Atemprobleme.

00:35:37: Nun sitzt sie den beiden gegenüber, die ihr nicht nur das angetan haben, sondern auch das Leben ihrer beiden Kinder auf dem Gewissen haben.

00:35:45: Oft muss Fadi Leila im Arm halten, während ihn beiden Tränen die Wangen runterlaufen.

00:35:50: Trotzdem hören sie tapfer zu, während einer der Polizisten, die die Kinder hinten aus dem Pkw zogen, erzählt, dass allein der Anblick der Kopfverletzungen, das Kleine Jussef, ihm jede Hoffnung auf ein gutes Ende nahm.

00:36:01: Und dass er jemandem vor Ort dem Code eins-null-sieben durchgab, damit die Eltern nicht verstanden, worum es ging.

00:36:06: Dann eins-null-sieben, so sagt der Polizist, sei bei ihnen ein Code für Leiche.

00:36:12: Nur manchmal schafft Layla es nicht, im Gerichtssaal zu bleiben, dann tritt sie raus vor die Tür, etwa als der Pathologe seinen Bericht vorträgt, in dem die genauen Verletzungen ihrer Jungen beschrieben stehen und in dem Fest gehalten ist, dass sich die Gurtmarken tief in die kleinen Kinderkörper eingeschnitten haben.

00:36:28: Layla bleibt auch dem Prozess fern, als klar wird, dass der gesamte Gerichtssaal nochmal die Sekunden vor dem Unfall gemeinsam erleben soll, und zwar per Video.

00:36:38: Denn im Fort des seventy-fünfjährigen Mannes, der als Letztes von Marta getroffen wurde, befand sich eine Dashcam.

00:36:44: Das dreiminutenlange Video, auf dem das Tatgeschehen zu sehen ist, soll jetzt im Prozess abgespielt werden.

00:36:50: Man erkennt, dass leichter Nieselregen herrscht, die Scheibenwische sind eingeschaltet.

00:36:55: Bei Sekunde neunundvierzig erkennt man, dass der Fort, in dem die Dashcam angebracht ist, einen Kreisverkehr verlässt und sich hinter dem Nissan von Layla und Fadi einreit.

00:37:03: Als das Auto in einer leichten Kurve fährt, erkennt man auch den Mercedes vor der Familie und einen zweiten Nissan davor.

00:37:10: Bei einer Minute und sieben Sekunden erkennt man durch den Blick durch die Frontscheibe, wie in der Linkskurve hinter einem leichten Anstieg der Straße plötzlich am Horizont zwei Fahrzeuge ins Bild ziehen.

00:37:20: Der Audi Asex von Martha und der Grüne Cupra, die nicht nacheinander, sondern über längere Strecke nebeneinander fahren und beschleunigen.

00:37:27: Der Audi reist von seiner Seite aus nach rechts, gerät ins Schleudern, knallt in das Heck des vor der Familie fahrenden Mercedes, dreht sich gegen den Uhrzeigersinn und dann mehrere hundert Meter quer über die Fahrbahn und steckt seitlich in den weißen Nissan der Familie ein, worauf der Wagen der Familie mit einer Staubfahne von der Straße abhebt, sich überschlägt und auf der angrenzenden Wiese liegen bleibt, während Splitter und Teile durch die Luft wirbeln.

00:37:50: Dann wird er fortgetroffen, indem sich die Dashcamp befindet.

00:37:54: Das ist der Ablauf aus Sicht des Gegenverkehrs.

00:37:57: Sekunde für Sekunde aufgenommen ohne Verfälschung durch Erinnerungslücken oder subjektive Wahrnehmung.

00:38:02: Doch mehr als den Ausschnitt der Opferseite kann das Video nicht sichtbar machen.

00:38:06: Deshalb ruft das Gericht als nächstes einen Gutachter auf, der nicht nur Frame für Frame des Videos analysiert hat, sondern auch die Black Box von Matas Audi ausgewertet hat.

00:38:16: Ein Volltreffer, wenn es um die Spurensicherung bei Autounfällen geht, wie uns Verkehrsjurist Uwe Lehn hat erzählt hat.

00:38:22: Der Rekorder speichert technische Fahrzeugdaten kurz vor, während und kurz nach einem Unfall.

00:38:28: Meist ca.

00:38:28: fünf Sekunden vor und ich glaube, Null, drei Sekunden nach dem Aufprall.

00:38:33: Aufgezeichnet werden Geschwindigkeit des Fahrzeugs, Bremsbetätigung, Stellung des Gaspedals, Linkwinkel und so weiter.

00:38:41: Der Rekorder wird aktiv, wenn Sensoren eine Unfallrelevanz erkennen, z.B.

00:38:45: starke Verzügerung, Erbeckauslösung, Aufprallerkennung.

00:38:49: Bei einem normalen Fahrbetrieb werden diese Daten wie bei einer Deskeng immer wieder überschrieben und nicht dauerhaft gespeichert.

00:38:56: Wenn nach einem Unfall der Verdacht auf ein Fehlverhalten oder eine Straftat besteht, beschlagnimmt die Staatsanwaltschaft das Fahrzeug und lässt durch einen Sachverständigen den entsprechenden Speicher auslesen.

00:39:05: Abgesehen vom Sichten des Stashcam-Videos und vom Auswerten der Blackbox hat der Gutachter am Tatort auch die Abstände gemessen, die Geschwindigkeiten zurückgerechnet und die Lenkbewegungen der ausgelesenen Fahrzeugdaten eingeordnet und dadurch für das Gericht eine Unfallchronologie hergestellt.

00:39:21: Eine Chronologie, die gegen die Umgebung nach Hause beginnt, als Martha an diesem Tag von der Arbeit nach Hause fahren will.

00:39:27: so wie sie es immer tut, auf einer Strecke, die sie mittlerweile fast blind fahren könnte.

00:39:31: Fabio beendet zeitgleich seine Arbeit in seiner Filiale.

00:39:34: Luftlinie der Arbeitsstätten sind gerade einmal hundertfünfzig Meter.

00:39:38: Sie könnten sich also auf dem Weg zum Unfallabschnitt auf dieser achtminütigen Fahrt zum Unfallort schon begegnet sein.

00:39:45: Doch sicher ist nur, dass sie nach einem Kreisel gemeinsam dieselbe Ausfahrt nehmen und ca.

00:39:49: einen Kilometer lang auf der Landstraße fahren.

00:39:52: Nach dem Kreisverkehr fahren beide hintereinander.

00:39:54: Es sind etwa vierzig Meter Überholverbot mit durchgestrichener Linie.

00:39:58: Dann zieht Fabio auf die Gegenfahrbahn, überholt einen Wagen vor ihm, zieht dann wieder auf seine Fahrspur.

00:40:04: Zur gleichen Zeit zieht Martha hinter ihm auf die Gegenfahrbahn.

00:40:07: Sie bleibt auf der linken Seite im Gegenverkehr.

00:40:10: Bei erlaubten siebzig kmh beschleunigen die beiden jetzt auf einer Strecke von fast fünfhundert Metern parallel nebeneinander.

00:40:17: Spätestens hier geht das Rennen los.

00:40:19: Über einen gewissen Zeitraum fahren sie im etwa selben Tempo um die Hundertsechzig Kmh.

00:40:24: Das geht aus den Bildern der Dashcam hervor, weil beide Autos auf gleicher Höhe bleiben.

00:40:28: Als es in die leichte Rechtskurve geht, beschleunigt Martha noch einmal auf Hundertsechzig Kmh, mindestens aber auf Hundertsechzig Kmh.

00:40:35: Der Unfallanalytiker kann aus der Blackbox lesen, dass sie, als sie den Gegenverkehr bemerkt, das Gaspedal zu Hundert Prozent durchgedrückt hat, um den Cupra doch noch zu überholen, um vor ihm einschärmen zu können.

00:40:46: Doch da ist es längst zu spät.

00:40:49: Die Straße fällt aus der Richtung, aus der sie kommt, leicht ab.

00:40:51: Der Gegenverkehr fährt auf eine Anhöhe zu.

00:40:54: Martha ansieht die anderen Fahrzeuge erst, als ein Einscheren vor den Cupra unmöglich ist, ohne den Gegenverkehr zu gefährden.

00:41:01: Als sie es trotzdem macht, reißt sie der Steuer zu sehr rum, so dass das Auto ins Schleudern kommt.

00:41:07: Dann knallt es.

00:41:09: Dank der Augenzeug-Innen und dem ausführlichen Gutachten des Unfallanalytikers ist mittlerweile allen Anwesenden klar, die These von einem Missglückten über Hümanöver ist unglaubwürdig.

00:41:19: Fabio hatte angegeben, dass er maximal hundertzwanzig Kmh gefahren sei.

00:41:23: Dieser Aussage scheint nun wiederlegt und dennoch hält er an seiner Version fest.

00:41:28: Erst zu Beginn der langgezogenen Kurve habe er links neben seinem Fahrzeug Mata's Motorhaube wahrgenommen und sich in dem Moment richtig erschrocken.

00:41:36: Er habe dann sofort gebremst und den Fuß vom Gas genommen, um Mata das Einschärmen in seine Spur zu ermöglichen.

00:41:42: Die Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn habe er erst wahrgenommen, als es geschäppert habe.

00:41:47: Als Martha vom Vorsitzenden mit dem Gutachten konfrontiert wird, sagt sie, sie habe drei Fahrzeuge nacheinander überholt.

00:41:53: Sie habe an diesem Tag schnell nach Hause gewollt, weil sie länger als geplant gearbeitet habe und ihre Tochter zu Hause darauf gewartet habe, dass sie Mittagessen koche.

00:42:02: Auf diese Aussage folgen fragende Gesichter angesichts dessen, dass ihre Tochter siebzehn Jahre alt ist und es schon nach sechzehn Uhr war.

00:42:09: Sie habe keinerlei Intention gehabt, sich mit irgend jemandem zu messen.

00:42:13: Beteuert sie weiter.

00:42:14: Der grüne Cupra von Fabio sei der letzte Wagen vor ihr gewesen.

00:42:18: Als sie gemerkt habe, dass er sich nicht ohne weiteres überholen ließ, sei sie unsicher gewesen, was sie tun sollte.

00:42:24: In ihr habe noch der Impuls des Überholens gesteckt.

00:42:27: Der ganze Vorgang habe nur Sekundenbruchteile gedauert.

00:42:30: Als sie dann den Gegenverkehr erkannt und die Gefährlichkeit der Situation verstanden habe, habe sie sich erschrocken und sei in eine psychische Ausnahmesituation geraten.

00:42:39: Sie sei noch immer im Überholmodus gewesen.

00:42:41: Ihr Mann habe ihr vorher immer gesagt gehabt, sie dürfe in einer Kurve nicht bremsen, da sonst Kontrollverlust drohen würde.

00:42:47: Es sind Aussagen wie diese, die die psychiatrische Gutachterin zu dem Schluss kommen lassen, dass Martha dazu neigt, Verantwortung von sich zu weisen.

00:42:55: Beim Überholen habe sie nicht gebremst, da ihr Mann ihr gesagt hatte, Bremsen in Kurven sei zu gefährlich.

00:43:00: Der Überholvorgang habe nicht erfolgreich geklappt, weil der Kubra sie nicht reingelassen habe.

00:43:05: Dass sie damals, nachdem sie mit Alkohol am Steuer erwischt wurde, nicht hätte weiter Autofahren dürfen, habe sie nicht gewusst, ihr Anwalt habe ihr das immerhin nicht gesagt.

00:43:13: Und andere würden noch schneller fahren, als sie, sie würde sich dagegen immer an die Regeln halten.

00:43:18: Man sieht, Martha lehnt nicht nur ihre eigene Verantwortung ab und wählt die Schuld auch noch auf andere.

00:43:23: Ihre Selbsteinschätzung lässt auch zu wünschen übrig.

00:43:26: Zum Beispiel allein aus ihren Vorstrafen und den ganzen Strafzetteln, wie sie auf ihre Zwillingsschwester-Schob hervorgeht, dass sie Regeln im Straßenverkehr generell gerne mal missachtet.

00:43:36: Ein zweiter psychiatrischer Sachverständiger kommt zu dem Schluss, dass Martha geltungsbedürftig manipulativ und empathilos sei.

00:43:42: Als der Gutachter einmal die toten Kinderansprach weinte sie zwar ganz kurz, sagte dann aber, sowas könne mal passieren.

00:43:49: Besonders auffallend sei auch gewesen, dass sie über ihre eigenen Kinder relativ emotionslos, blass und farblos rede, wenn sie allerdings ihren Audi beschreibe, seien die Schilderungen lebhaft.

00:44:00: Einmal habe sie gesagt, dass sie in den Audi verliebt gewesen sei.

00:44:03: Außerdem leide sie unter völliger Selbstüberschätzung.

00:44:06: Selbst bei hoch riskanten Situationen auf der Straße sei Martha der Meinung immer noch richtig reagieren zu können.

00:44:13: Auch diesmal habe sie wieder darauf vertraut, dass alles gut gehen würde.

00:44:16: Gleiches gilt auch für Fabio.

00:44:18: Genau wie Marta habe er auf einen positiven Ausgang des Rennens vertraut.

00:44:22: Und dennoch gehört eben auch zur Wahrheit, dass ein Auto bei dieser Geschwindigkeit auf einer Landstraße kein Instrument der Kontrolle mehr ist, sondern ein gefährliches Spiel mit dem eigenen Leben und mit dem Leben anderer.

00:44:34: Doch ob es tatsächlich so bewertet wird, ob das Gericht davon ausgeht, dass Fabio und insbesondere Marta wirklich davon überzeugt waren, alles unter Kontrolle zu haben, niemanden zu gefährden, wird bei der Urteilsverkündung eine große Rolle spielen.

00:44:47: Das muss nämlich die Kammer letztendlich entscheiden.

00:44:50: Als am siebzehnten April, das Urteil gefällt wird, sind Layla und Fadi voller Hoffnung, dass die beiden Angeklagten eine lange Haftstrafe bekommen.

00:44:58: Mindestens zehn Jahre wünschen Layla und Fadi sich.

00:45:02: Als der Vorsitzende Richter das Urteil verließt, wird klar, dass die Kammer den Angeklagten in den meisten Punkten keinen Glauben schenkt, zumindest was das Rennen angeht.

00:45:11: Der Vorsitzende erläutert, dass es nicht glaubhaft sei, dass die beiden sich erst beim Überholen von Martha das erste Mal bemerkt haben.

00:45:17: Wahrscheinlicher ist, dass ihnen der hochmotorisierte Wagen das jeweils anderen schon vor dem Kreise aufgefallen ist.

00:45:23: Ob es da schon eine Rennabrede gegeben haben, konnte das Gericht nicht mit Sicherheit feststellen.

00:45:28: Spätestens aber.

00:45:29: Als Fabio das Auto vor ihm überholte, wie da rechts einschärte, Martha auf der linken Spur aufs Gastrad und Fabio ebenso weiter beschleunigte, haben sich beide ganz ohne ein Wort zu sagen, dazu entschieden ein Rennen zu fahren.

00:45:42: Erkennbar am Verhalten.

00:45:43: Ganz offensichtlich wollten sie sich messen.

00:45:46: Ein spontanes unausgesprochenes Duell.

00:45:49: Es ging darum, über etwa einem halben Kilometer möglichst schnell zu werden und zu zeigen, wer von beiden schneller ist.

00:45:56: Von Sekundenbruchteilen kann nicht die Rede sein.

00:45:59: Das Gericht wettet die Geschichten von Martha und Fabio.

00:46:02: Es habe sich um ein unglückliches Überholmanöver gehandelt, also als Schutzbehauptung.

00:46:06: Denn Martha hätte sich irgendwann auf dem halben Kilometer spätestens aber, als sie in ca.

00:46:10: Hundertsechzig Metern Entfernung den Gegenverkehr bemerkte, zurückfallen lassen müssen, statt weiter Gas zu geben, um den Kupra noch zu überholen und so wieder auf ihre Spur zu wechseln.

00:46:20: Hat sie aber nicht.

00:46:22: Was das Gericht aber verneint, ist, dass Martha oder Fabio mit Tötungsvorsatz gehandelt haben.

00:46:27: Das heißt, sie wussten zwar, dass ihr Rennen gefährlich ist und dass dabei Menschen sterben könnten, aber sie haben nicht damit gerechnet, dass es wirklich passiert.

00:46:35: Sie glaubten ernsthaft daran, dass alles gut geht.

00:46:38: So das Gericht.

00:46:39: Bei Martha spielt vor allem eine Rolle, dass sie sich selbst genauso in Lebensgefahr gebracht hat wie die Menschen im Gegenverkehr.

00:46:46: Denn wenn jemand bei einer riskanten Handlung auch sich selbst in erhebliche Lebensgefahr bringt, ist das ein Hinweis darauf, dass er nicht damit gerechnet oder sich damit abgefunden hat, dass jemand anderes schwer verletzt wird oder gestirbt.

00:46:58: Weil, so die Annahme des Gerichts, man davon ausgehen müsse, dass niemand sein eigenes Leben riskieren will.

00:47:04: Wenn also jemand so handelt, dass sein Tod genauso wahrscheinlich ist wie der Tod anderer, spricht das dafür, dass die Person auf einen guten Ausgang vertraut hat.

00:47:12: Auch Fabio ging offenbar davon aus, dass nichts Schlimmes passieren würde.

00:47:16: Er fuhr zwar zu schnell, aber auf seiner eigenen Spur.

00:47:19: Und er konnte darauf vertrauen, dass Martha, wenn Gegenverkehr kommt, abbremsen und wieder hinter ihm einscheren würde.

00:47:24: Dass er trotzdem durch ihre Kollision selbst in Lebensgefahr geraten ist, werdet das Gericht als weiteres Zeichen dafür, dass auch er nicht mit einem tödlichen Ausgang rechnete, sondern auf einen guten Verlauf vertraute.

00:47:36: Und wenn es keinen bedingten Tötungsvorsatz gab, dann kann auch kein Urteil wegen Mordes fallen.

00:47:41: Hier überwiegen die vorsatzkritischen Elemente, sagt der Vorsitzende.

00:47:45: Die beiden Angeklagten hätten sich zudem nicht in der Autorennszene bewegt, anders als die Kudamraser.

00:47:50: Marta erhält sechs Jahre Freiheitsstrafe wegen verbotenen Kraftfahrzeugrens mit Todesfolge und hat einheit mit vorsitzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung.

00:48:00: Fabio, vier Jahre.

00:48:02: Layla und ihr Mann erleben diesen Moment nicht als Gerechtigkeit, sondern als neue Unwucht, als würde der Boden, der unter ihnen schon nachgeben wollte, noch einmal nachgeben.

00:48:12: Sie sind sichtlich schockiert.

00:48:15: Nach der Urteilsverkündung stellt sich Fadi Tapfer vor die Presse, auch mit Wut.

00:48:19: Layla steht neben ihm, als er sagt, der Richter hat uns bestraft.

00:48:23: Meine Kinder sind tot und die anderen spielen gerade Playstation.

00:48:27: In ein paar Jahren geht das Leben der angeklackten normal weiter.

00:48:30: Meine Frau wurde schon zweimal operiert und muss erneut operiert werden.

00:48:34: Wir bekommen unsere Kinder nie wieder zurück.

00:48:36: Mit diesem Urteil sind sie alles andere als zufrieden.

00:48:40: Genauso wenig wie die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung, die immer noch darauf pocht, dass es ein missglücktes Überholmanöver war.

00:48:46: Folglich gehen alle Beteiligten in Revision.

00:48:50: Im Februar ist der Bundesgerichtshof mit dem Fall.

00:48:54: Der BGH bestätigt zwar, dass es sich um ein illegales Rennen gehandelt hat, aber er kritisiert, wie das Landgericht Hannover den Tötungsvorsatz bewertet hat.

00:49:02: Die Richter in Karlsruhe sagen, das Landgericht hat zu einseitig betrachtet, warum Martha keinen Vorsatz gehabt haben soll.

00:49:10: Denn wer weiß, dass er mit Hundert Achtzig auf der Gegenfahrbahn fährt und dass da jemand entgegen kommen kann, erkennt auch, dass dadurch Menschen sterben könnten.

00:49:19: Und wenn man das erkennt und trotzdem weitermacht, dann kann das sehr wohl auf Vorsatz hendeuten.

00:49:25: Der Fall muss zur neuen Verhandlung ans Landgericht Hannover zurück.

00:49:29: Der zweite Prozess beginnt im Juli, aber mit einem anderen Grundton.

00:49:35: Denn vor der neuen Kammer geht es nicht darum, Rennen oder nicht, sondern darum, was die Angeklagten wussten und was sie in Kauf nahmen.

00:49:43: Neu ist also, wie man ihre innere Motivation und Haltung bewertet.

00:49:47: Wieder sind Layla und Fadi dabei.

00:49:49: Wieder steht ihnen ein nervenaufreibender Prozess bevor, den sie mutig antreten.

00:49:54: Als Martha sich von der Anklagebank entschuldigt und erneut beteuert, sie hätte lieber ihr Leben gegeben, zeigen sich Layla und Fadi unbeeindruckt.

00:50:01: Auch als Fabio beteuert, dass es für ihn ebenfalls nicht leicht sei, noch einmal eine Verhandlung durchmachen zu müssen und ihnen dreißigtausend Euro als Wiedergutmachung anbietet, bleibt Fadi unbeirrt ruhig.

00:50:12: Der nur dreißigjährige antwortet, Entschuldigung, machen meine Kinder nicht wieder lebendig und meine Frau nicht mehr gesund.

00:50:19: Die Wiedergutmachungszahlung schlägt er aus.

00:50:21: Für mich ist Geld nichts wert.

00:50:23: Der Mensch muss wissen, was er tut, sagt er in Richtung Fabio und Martha.

00:50:27: Fabio überrascht daraufhin mit einer Einsicht, die es in sich hat.

00:50:31: Er sagt, das Urteil war richtig.

00:50:33: Ich wollte mir damals nicht eingestehen, dass es ein Rennen war.

00:50:37: Eine Hundertachtzig-Grad-Wende hatte er doch noch im letzten Prozess behauptet, er hätte Musik hören an seine Familie gedacht.

00:50:44: Aber jetzt, wo er nicht mehr zur Debatte steht, ob es ein Rennen war, sondern lediglich, was sich die Angeklagten dabei dachten, sieht er wohl keinen Grund mehr, die Unwahrheit zu sagen.

00:50:53: Seit dem Unfall sei er arbeitslos und gilt beim Amt als unvermittelbar.

00:50:58: Auch sein Familienleben leide seitdem, genau wie er sei sein älterer Sohn im psychischer Behandlung.

00:51:03: Ich will mich nicht beklagen, da das Leben der anderen Familie schlimmer getroffen ist.

00:51:07: Aber mein Leben ist den Bach runtergegangen, sagt er, während seine Stimme bricht.

00:51:13: Nachdem auch die Stimmen aus dem letzten Prozess erneut vernommen, dass Dashcam-Video erneut gesichtet und Gutachten erneut gehört wurden, beantragt die Staatsanwaltschaft die lebenslange Haftstrafe wegen zweifachen Mordes und sechsfachen versuchten Mordes und Rennensmethodesfolge.

00:51:27: Auch Fabio soll wegen Beihilfe in diesen Fällen schuldig gesprochen werden.

00:51:31: Am vierzwanzigsten Juli, zwei-tausend-vier-zwanzig, fällt das neue Urteil.

00:51:35: Und das bringt jetzt zwei Überraschungen mit sich.

00:51:39: Denn die Vorsitzende Richterin der neuen Kammer sagt, Beide haben gleichzeitig und bewusst das Rennen fortgesetzt.

00:51:45: Beide wussten, dass sie in dieser unübersichtlichen Kurve niemandem mehr ausweichen konnten.

00:51:50: Beide machten die Straße demnach zu.

00:51:53: Und beide haben trotzdem nicht aufgehört.

00:51:56: Und wer in so einer Situation weiterfährt, weiß, dass Menschen sterben können und nimmt das in Kauf.

00:52:01: Es war ein gemeinsamer Tatentschluss, so die Richterin, und deswegen haben sich beide des heimtückisch begangenen Mordes mit einem gemeingefährlichen Mittel aus niedrigen Beweggründen und des versuchten Mordes schuldig gemacht.

00:52:13: Fabio ist demnach mit Täter gewesen, entscheidet das Gericht.

00:52:18: So, und das ist jetzt hier ein Ding, denn eigentlich wurde Fabio schuldgemessen an Matas immer als geringer eingestuft.

00:52:26: Also im vorherigen Prozess hatte er ja auch nur vier Jahre bekommen.

00:52:29: Für Mord gibt es aber zwingend eine lebenslange Freiheitsstrafe.

00:52:34: Doch diesmal nicht.

00:52:35: Denn die Staatsanwaltschaft hatte die Revision gegen Fabio später wieder zurückgenommen, weil sie im Nachgang davon ausgegangen ist, dass diese doch nicht erfolgreich werden würde, weil die Kammer im Bezug auf Fabio das Urteil genügend begründet habe, so die Staatsanwaltschaft.

00:52:49: Jedenfalls blieb im Fall von Fabio dann nur noch seine eigene Revision.

00:52:53: Und in dem Fall gilt das Verschlechterungsverbot.

00:52:56: Was es genau ist, hat unser Anwalt des Vertrauens Benedikt Müller für uns nochmal eingeordnet.

00:53:01: Das Verbot soll verhindern, dass Menschen, die eine für sie nachteilige Entscheidungen erhalten haben, Rechtsmittel nur deshalb nicht einlegen, weil sie befürchten müssen, dass sie die Entscheidung damit zu ihren Ungunsten verändern könnten.

00:53:13: Dabei gilt kein Grundsatz ohne Ausnahme, wenn die, wenn Anführungszeichen gegenseite, im Strafrecht ist es beispielsweise, die Staatsanwaltschaft, wenn die mitzieht, also auch ein Rechtsmittel einlegt und gerade beantragt, dass es für den Anklagten schlechter ausgehen soll, dann greift das Verschlechterungsverbot nicht mehr.

00:53:33: Es gilt also nur in Fällen, in denen eine Änderung der Entscheidung ausschließlich zugunsten des oder der Betroffenen beantragt wird.

00:53:40: Zusammenfassend, wenn nur der Angeklagte Selbstrevision einlegt, dann darf das neue Urteil für ihn nicht schlimmer ausfallen als das Alte.

00:53:49: Sein Strafmaß darf also nicht höher werden.

00:53:52: Jetzt ein kurzer Verweis zu unserem Anfang der Folge.

00:53:55: Weil der Angeklagte beim Pelikur-Prozess trotzdem eine höhere Strafe bekommen hat, muss die Staatsanwaltschaft also auch Berufung eingelegt haben.

00:54:02: Denn auch in Frankreich gibt es ein Verschlechterungsverbot, so Benedikt Müller.

00:54:06: Bei unserem Fall hier hat die Staatsanwaltschaft ihre Revision ja aber nun zurückgezogen.

00:54:12: Deswegen bedeutet dieses Verschlechterungsverbot für Fabio jetzt, dass auch wenn das Gericht ihn für einen Mörder hält, es ihn nicht härter bestrafen darf als zuvor.

00:54:21: Seine Strafe, obwohl er des Mordes schuldig gesprochen wird, bleibt bei vier Jahren, obwohl dieses Strafmaß natürlich eigentlich nicht zur neuen Bewertung passt.

00:54:29: Layla steht nach der Urteilsverkündung ein letztes Mal vor der Presse neben ihrem Mann Fadi.

00:54:33: Der sagt, dass er sich bei der Staatsanwältin und der Vorsitzenden Richterin bedanken will, weil sie Gerechtigkeit herbeigeführt haben.

00:54:40: Ich weiß, dass meine Kinder sowieso nicht zurückkommen.

00:54:43: Seine Stimme bricht und Layla fängt an zu weinen.

00:54:46: Meine Frau wird eine lange Zeit noch weiter leiden.

00:54:48: Sein Wunsch ist, dass die nächste Generation nicht die gleichen Fehler macht, damit der Vater die Mutter nicht weinen müssen wie wir, sagt er, damit die nachdenken, bevor die fahren.

00:54:58: Dann nimmt Erleiler in den Arm.

00:55:00: Die Strafe ist nur ein kleiner Trost, wenn überhaupt.

00:55:04: Fabio kann bei guter Führung sicherlich mit freigang und verkürzter Haftzeit schon bald rauskommen und seine zwei Söhne wieder in die Arme schließen.

00:55:12: Auch Martha hat ihre Familie zwar noch.

00:55:14: Auch wenn sie sie seit einigen Jahren und noch deutlich länger nur noch zu bestimmten Zeiten hinter den Mauern einer JVA sehen darf.

00:55:22: Bei jedem Geburtstag den Layla und Fadi feiern hingegen.

00:55:25: Bei jedem Weihnachts- oder Familienfest fehlen zwei.

00:55:28: Zwei Jungs, die nie erwachsen werden, die immer weiter zwei und sechs Jahre alt sein werden.

00:55:34: Immer wieder werden die Fragen hochkommen.

00:55:35: Was würde sich Jussef zu seinem Geburtstag wünschen, wenn er noch da wäre?

00:55:39: Was hätte Armin für Hobbys?

00:55:41: Wie würde ihm die Grundschule gefallen?

00:55:43: Leila und Fadi werden die Antworten darauf nie erfahren.

00:55:47: Sie werden nie wieder ein Geburtstagsgeschenk für Yusuf und Amir kaufen, nie wissen, wie es ihnen geht.

00:55:53: Für Leila und Fadi ist jeder Tag eine neue Variation derselben Frage, die einfach nicht verschwinden wird.

00:55:59: Wieso wir?

00:56:00: Wieso unsere Kinder?

00:56:04: Oh mein Gott, was für ein Fall!

00:56:08: Also es gibt Video-Interviews von Layla und Fadi, die so in Wahrheit ja gar nicht heißen nach dem Urteil.

00:56:15: Und mir hat es das Herzen zerrissen.

00:56:18: Also was für eine Horrorvorstellung, dass du ins Wochenende mit deiner Familie fährst und so etwas passiert und du kannst null, null selber dafür.

00:56:28: Ich mein gut, das ist in den meisten Kriminalfällen so, aber dass so etwas passiert und dann kannst du deine eigenen Kinder nicht... schützen vor dieser Wucht dieser Kollision, die jemand anders verursacht hat.

00:56:40: Und deswegen, also ich finde es richtig, dass das Strafrecht Mittel hat solche Fälle halt nicht, als diese Verkehrsdelikte abzutun, so wie das früher der Fall war, sondern eine schwere Strafe anzusetzen, wenn Menschen leben, durch so was Dummes wie Rücksichtslosigkeit und Adrenalinkig und Ego zerstört werden.

00:57:01: Und wenn jemand weiß, wie riskant er fährt und trotzdem Gas gibt, dann gehört das auch konsequent geahndet.

00:57:07: Aber hier in dem Fall gibt es verschiedene Stellen, wo mir so ein bisschen der Schuh drückt.

00:57:13: Und eine Frage lässt mich nicht los.

00:57:14: Ist Fabio wirklich genauso schuldig wie Marta?

00:57:17: Also ja, er hat auf seiner Strecke beschleunigt und an einem Rennenteil genommen.

00:57:23: Das sollte man nicht bagatellisieren.

00:57:26: Aber er ist ja nicht auf der Gegenfahrbahn gefahren.

00:57:28: Und letztendlich war es ja Matas Auto, das nicht auf der eigenen Spur gefahren ist und das auch nicht zurückgeschert ist.

00:57:34: Sie hätte das ja tun können.

00:57:36: Sie hätte das ja tun können.

00:57:37: Und dann wäre das natürlich trotzdem noch eine absolute dumme Aktion gewesen, die meiner Meinung nach auch bestraft hätte werden müssen.

00:57:43: Aber ich sehe hier die Schuld, dadurch dass Marta die Gegenfahrbahn blockiert hat und das auch ihr Auto war, bei dem sie das Gaspedal in den letzten fünf Sekunden vor dem Unfall nochmal auf hundert Prozent durchgedrückt hat.

00:57:55: anstatt sich zurückfallen zu lassen, sehe ich bei ihr mehr Schuld.

00:57:59: Das ist mein Gefühl dazu.

00:58:01: Also versteht mich nicht falsch.

00:58:02: Ich frage mich auch, ob hier die vier Jahre nicht tatsächlich zu wenig sind, die Fabio bekommen hat.

00:58:07: Aber wenn die Staatsanwaltschaft ihre Vision nicht zurückgezogen hätte, dann hätte er jetzt ebenfalls eine lebenslange Haftstrafe bekommen.

00:58:14: Und da muss ich sagen, da habe ich irgendwie ein komisches Bauchgefühl bei.

00:58:17: Und es gibt viele Leute, die nach Verurteilung wegen Mordes bei Rennen generell kritisch gegenüberstehen, so wie beispielsweise unser Experte Uwe Lehnhardt.

00:58:25: Das Verkehrsraser in Deutschland mittlerweile auch als Mörder verurteilt werden können, halte ich für hochproblematisch.

00:58:30: Der Mordtatbestand ist auch vorsätzliches Töten zugeschnitten, also auf jemanden, der den Tod eines Menschen will oder zumindest billigenden Kauf nimmt.

00:58:37: Beim klassischen Raserfall sprechen wir aber meist von jungen Männern, die sich in ein momentvölliger Selbstüberschätzung und Verantwortungslosigkeit ein illegales Rennen liefern, nicht aber davon, dass sie jemanden töten wollen.

00:58:48: Ich will die Raser nicht verharmlosen, die sollen schon entsprechend beschraft werden, aber Mord ist die höchste moralische und rechtliche Schuldform reserviert für diejenigen, die tatsächlich töten wollen.

00:58:59: Wenn wir anfangen, diesen Begriff auszuweiten, verlieren wir die Klarheit und Berechenbarkeit des Strafrechts.

00:59:05: Ja, viele sehen auch das Risiko, dass ein sehr weit interpretierter Vorsatzbegriff den Mordtatbestand verwässert und In vielen Fällen dann vielleicht doch eher eine Fahrlässigkeit gerechtfertigt wäre.

00:59:16: Zumal man, und das muss man ja auch jetzt sehen, man hat ja auch den threehundertfünfzehn D eingeführt, damit man die Rennen eben jetzt nicht mehr nur wegen fahrlässiger Tötung verurteilen muss.

00:59:25: Und das ist ja schon ein scharfes Instrument.

00:59:27: Und ich denke mir so, also die Strafe für Mord ist ja die schwerste Strafe, die unser Gesetzbuch so zu bieten hat.

00:59:35: Und ich frage mich, ob das jetzt gerade hier im Fall von Fabio nicht etwas überzogen ist.

00:59:40: Gleichzeitig, und das zerreißt mich hier ein bisschen, es geht ja in unserem Recht darum, dass man bei Tötungsdelikten bei manchen Fällen einen bedingten Vorsatz annehmen kann und deswegen dann wegen Totschlags oder Mordes verurteilen muss.

00:59:52: Und das sehe ich hier natürlich, dass die Leute, die rasen, wissen und billigend in Kauf nehmen, dass dabei Menschen verletzt und getötet werden können.

01:00:01: Und deswegen ist natürlich eigentlich die einzige Möglichkeit, dass man dann wegen Mordes verurteilen muss, sobald ein Mordmerkmal erfüllt ist, was halt bei Renja eben auf die Heimtücke oder die gemeingefährlichen Mitte ist.

01:00:12: Und daher bleibt ja, so wie unser Recht ausgelegt ist, uns gar nichts anderes übrig, als sie dafür zu verurteilen.

01:00:18: Und trotzdem habe ich dann in der Konsequenz irgendwo ein Störgefühl.

01:00:24: Vielleicht könnt ihr das nachvollziehen.

01:00:26: Das war's auf jeden Fall jetzt hier zu dieser Rennenfolge.

01:00:29: Nächste Woche könnt ihr euch auf Frau Wohlers freuen.

01:00:32: Die erzählt dann mit mir einen Fall über eine junge Liebe im Alter, die die beiden Tutteltauben nicht glücklich machte, woraufhin eine der beiden Personen einen tödlichen Ausweg aus der Beziehung wählte.

01:00:44: Bis dahin!

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