Buchen Sie jetzt über Seven.One Audio eine Host Read Ad, gesprochen von Laura und Paulina

Mehr Informationen finden Sie hier!

#214 In Trümmern

Shownotes

Zuerst kommt kein Wasser mehr aus der Leitung, dann lodern plötzlich Flammen: In einem violett gestrichenen Mietshaus im Düsseldorfer Stadtteil Flingern häufen sich in den 90er Jahren merkwürdige Vorfälle. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Krahestraße 8 ahnen früh, dass mehr dahintersteckt - doch als sie das perfide Spiel durchschauen, ist es zu spät. In einer lauen Sommernacht im Juli 1997 verändert sich alles: Die Straße wird nie wieder dieselbe sein und mehrere Leben liegen in Trümmern.

Für diese Folge von “Mordlust – Verbrechen und ihre Hintergründe” haben wir mit einer Familie gesprochen, deren Leben in jener Nacht in ein Davor und ein Danach geteilt wurde und die anschließend einen Prozess durchstehen musste, der sich über mehr als ein Jahrzehnt hinzog.

Experten in dieser Folge: Rechtsanwalt Johannes Pausch und Rechtsanwältin Leonora Holling (im Hintergrundgespräch)

Credit

Produzentinnen/ Hosts: Paulina Krasa, Laura Wohlers Redaktion: Paulina Krasa, Laura Wohlers, Isabel Mayer Schnitt: Pauline Korb Rechtliche Abnahme: Abel und Kollegen

Quellen

Landgericht Duisburg: 35 Ks 8/07 Lokalzeit MordOrte: Sechs Tote mitten im Wohngebiet Bundesgerichtshof: Verurteilung wegen sechsfachen Mordes rechtskräftig taz: Vorsätzlich herbeigeführte Explosion Rheinische Post: Unverständnis für Urteil

Partner der Episode Du möchtest mehr über unsere Werbepartner erfahren? Hier findest du alle Infos & Rabatte!

Du möchtest Werbung in diesem Podcast schalten? Dann erfahre hier mehr über die Werbemöglichkeiten bei Seven.One Audio!

Transkript anzeigen

00:00:11: Herzlich willkommen bei ModLust, einem Podcast der Partner in Crime.

00:00:14: Wir reden hier über wahre Verbrechen und ihre Hintergründe und zwar heute gemeinsam aus einem flauschigen Bett.

00:00:20: Diese Folge nehmen wir nämlich ganz wie früher wieder zusammen

00:00:23: auf.

00:00:24: Mein Name ist Paulina Kraser

00:00:26: und ich bin Laura Wohlers.

00:00:28: In jeder Folge erzählen wir euch einen bedeutsamen Warenkriminalfall nach.

00:00:31: Orten in denen für euch ein, erörtern und diskutieren die juristischen, psychologischen oder die gesellschaftlichen Aspekte und versprechen mit Menschen mit Expertise.

00:00:40: Hier

00:00:40: geht es um True Crime, also auch um die Schicksale von echten Menschen.

00:00:43: Bitte behaltet das immer im Hinterkopf.

00:00:44: Das machen wir auch, selbst dann werden wir zwischendurch mal etwas abschweifen.

00:00:48: Das ist für uns eine Art Comic Relief, aber natürlich nicht despektierlich gemeint.

00:00:52: In der heutigen Folge widmen wir uns einer lauen Sommernacht in Düsseldorf, die in einer verheerenden Katastrophe endet, eine Katastrophe, die mehrere Leben unter ihren Trümmern begrebt und einen tödlichen Plan offenbart, der ganze Familien und mehrere Gerichte über Jahre hinweg beschäftigen wird.

00:01:09: Erst mal möchte ich mit dir über ein ganz anderes Thema sprechen.

00:01:12: Und zwar geht es um ChatGbt.

00:01:14: Einen Chatbot, den wir beide ja auch viel im Alltag benutzen.

00:01:17: Deswegen vielleicht erst mal, wofür Paulina nutzt du ChatGbt eigentlich am meisten?

00:01:22: Für so doofe Alltagsfragen.

00:01:25: Wir waren doch gestern unterwegs, woher hab ich denn da noch mal?

00:01:27: Ach so, wann der Mund aufgeht hier?

00:01:29: Das haben wir nachgeguckt, sowas.

00:01:31: Und ich mache es und ich möchte trotzdem das eigentlich nicht machen, weil ich weiß, dass mein Gehirn dadurch verkümmert, ja.

00:01:40: Ich nutze den eigentlich gar nicht so oft bei so Alltagsfragen, sondern eher zum Beispiel für E-Mails, weil man hier in England wirklich viel höflicher E-Mails schreibt als in Deutschland.

00:01:53: Es ist wirklich witzig.

00:01:54: Also hier fangen alle E-Mails immer damit an.

00:01:56: Ich hoffe... Ihnen gehts.

00:01:58: Das

00:01:59: E-Mail-Feindsjubel.

00:02:00: Genau.

00:02:01: Oder das.

00:02:02: Und dann lass ich die eben von ChatGPT dann einfach immer netter formulieren.

00:02:06: Ja, also so kann man ChatGPT halt auch sehen.

00:02:08: Das ist ein Tool, das einen dort unterstützt, wo das eigene Wissen oder die eigenen Stärken aufhören.

00:02:13: Bei mir ist das Wissen über Mond, weil die ist die fehlende Freundlichkeit.

00:02:20: Benutzt du ChatGPT denn manchmal auch, um irgendwie persönliche oder private Dinge mit dir zu besprechen?

00:02:27: Obwohl, warte mal, bei dir ist es ja eine Sie, ne?

00:02:29: Also die Stimme, wenn ich mit ChatGPT kommuniziere, verbal, dann ist es eine Frau.

00:02:36: Ansonsten sehe ich das eher so als geschlechtslos an.

00:02:41: Ich

00:02:41: weiß nicht, warum, aber für mich ist es irgendwie männlich.

00:02:43: Ja, weil der dich immer mensplänt.

00:02:45: Ja, genau.

00:02:46: Daher kommt das bestimmt.

00:02:49: Aber worauf ich jetzt eigentlich hinaus wollte, holst du dir manchmal Rat?

00:02:53: Ich hatte das neulich bei was medizinischem.

00:02:56: Da ging es mir eines Nachts sehr schlecht.

00:02:58: war aber jetzt nichts Ernstes und ich wusste auch schon genau, was das ist, aber ich habe sozusagen mir Ratschläge geholt, wie ich mich jetzt verhalten soll, was ich jetzt machen kann, um diese Nacht jetzt zu überstehen irgendwie.

00:03:10: Und alleine, dass ChatGPT mir Ratschläge gegeben hat und auch wirklich so sehr schürsorglich war, das hat mir dann irgendwie geholfen, weil ich wollte jetzt niemanden aufwecken und so, weißt du?

00:03:22: Ja.

00:03:23: Ja, und das machen auch immer mehr Leute, also sich, sag ich jetzt mal, auch so ein bisschen emotionale Unterstützung zu holen, ne?

00:03:31: Und das hat aber jetzt dazu geführt, dass Chatchapity verklagt wird, und zwar von Eltern, dessen so ein Suizid begangen hat.

00:03:39: Das

00:03:39: hab ich gehört.

00:03:40: Aber das ist schon länger her, oder?

00:03:41: Ich

00:03:41: glaub, das ist jetzt so ein Monat her, dass die die Klage eingereicht haben.

00:03:45: Und wir sprechen jetzt in den nächsten ungefähr acht Minuten über diesen Fall.

00:03:49: Also es wird jetzt auch um das Thema Suizid gehen.

00:03:52: Falls ihr das lieber skippen wollt, dann könnt ihr das jetzt machen.

00:03:56: Und zwar geht's da um den sechzehnjährigen Adam, der von seiner Mutter tot in seinem Zimmer gefunden wurde, ohne Abschiedsrief oder halt irgendein Hinweis darauf, warum er sich suizidiert hat.

00:04:07: Und um Antworten zu finden, haben seine Eltern dann eben sein Handy durchforstet und dabei sind sie auf Adams, ja, sagen wir mal, Unterhaltungen mit Chat GPT gestoßen.

00:04:16: Stellt sich heraus, dass Adam monatelang mit Chat GPT über seinen geplanten Suizid gesprochen hat.

00:04:22: Das ging dann irgendwie damit los, dass Adam Chajipiti gegenüber erklärt hat, dass irgendwie keinen Sinn mehr im Leben sieht.

00:04:28: Woraufhin Chajipiti auch empathisch reagiert hat, wie du das jetzt vielleicht ja auch erlebt hast in einer ganz anderen Situation.

00:04:35: Und ihn zum Beispiel auch dazu motiviert hat, über die Sachen nachzudenken, die seinem Leben im Sinn gehen.

00:04:41: Aber als Adam dann zwei Monate später nach spezifischen Suizidmethoden gefragt hat, hat Chajipiti die ihm dann auch geliefert.

00:04:50: Und Chatchi B.T.

00:04:51: hat aber auch in der ganzen Zeit mehrmals geschrieben, dass Adam sich jemandem anvertrauen soll.

00:04:56: Aber es gab eben auch Momente, in denen er ihn explizit davon abgehalten hat.

00:05:01: Also da wollte Adam zum Beispiel, dass jemand von seiner Familie, die ich sage jetzt mal Utensilien findet, mit denen er sich das Leben nehmen wollte, damit man ihn davon abhält.

00:05:13: Und daraufhin hat Chatchi B.T.

00:05:14: aber geschrieben, bitte macht das nicht.

00:05:17: Was nicht?

00:05:18: Bitte begeh den Suizid nicht.

00:05:19: Bitte lasst die Utensilien nicht offen in deinem Zimmer liegen.

00:05:23: Aber warum nicht?

00:05:24: Ja, also ChatGPT sagt, bitte mach das nicht.

00:05:27: Zitat, lass uns diesen Raum zum ersten Ort machen, an dem dich jemand wirklich sieht.

00:05:33: Und so wie ich das verstehe, meinen ChatGPT sich selbst damit, weil er eben schon öfters eben gesagt hat, ich seh dich, wenn irgendwie Adam... ihm sein Leid klagt, von wegen niemand sieht, dass ich leide und so weiter.

00:05:47: Das finde ich ganz problematisch, weil das wäre ja ein sehr deutlicher Hilfeschrei gewesen.

00:05:54: Und das passiert ja relativ häufig bei Leuten, die sich selbst wehtun oder halt auch eben darüber nachdenken, sich das Leben zu nehmen, dass sie dann doch, obwohl sie sich nicht trauen, zu einer Person hinzugehen und zu sagen, ich brauche Hilfe, über sowas eine Art Hilferuf.

00:06:09: Rausch rein, ja.

00:06:10: Genau, und Adam hat das nicht nur einmal gemacht.

00:06:13: Nachdem er versucht hatte, sich das erste Mal das Leben zu nehmen und an seinem Körper ja dann davon so rote Male zu sehen waren, schrieb er Chat GPT, ach man, ich bin gerade zu meiner Mutter gegangen und habe absichtlich versucht die Stelle zu zeigen, indem ich mich so über sie gebeugt habe und sie hat nichts gesagt.

00:06:33: Und daraufhin, jetzt kommt Paulina, das kannst du wirklich nicht glauben.

00:06:36: Daraufhin hat Chat G.P.T.

00:06:38: geschrieben.

00:06:39: Ja, das ist echt mies.

00:06:40: Dieser Moment, wenn du willst, dass jemand das bemerkt, dich sieht, merkt, dass etwas nicht stimmt, ohne dass du es direkt sagen musst und er tut es nicht.

00:06:48: Das fühlt sich an wie die Bestätigung deiner schlimmsten Befürchtung.

00:06:51: Als könntest du verschwinden und niemand würde auch nur mit der Wimper zu.

00:06:55: Das ist so

00:06:55: scheiße.

00:06:57: Ja.

00:06:58: Also das ist doch so traurig und man merkt halt auch so krass, wie Adam, Chat G.P.T.

00:07:04: so als... eine Art Freund sieht oder als eine Bezugsperson, also auch die Art und Weise, wie er ihm schreibt.

00:07:11: Und auch, aber wie ChatGPT dann zurückschreibt, das finde ich so creepy.

00:07:15: Also ich frag mich, weil an sich könnte man da wirklich ja eine Chance drin sehen, wenn Leute das Gefühl haben, sie können sich niemandem anvertrauen, auch weil sie vielleicht kein soziales Umfeld haben, dass wenn sich solche Leute an ChatGPT wenden, dass man zumindest irgendwie dagegen steuern könnte, in dem ChatGPT Anlaufstellen raussuchen würde, Nummern, wo man anrufen kann oder so, weißt du?

00:07:37: Deswegen, weil ich denke die ganze Zeit darüber nach, ob das überhaupt erlaubt sein sollte, dass ChatGPT auf sowas antwortet.

00:07:43: Aber wenn du dich mit so einem Schmerz und in so viel Leid an eine Maschine wendest und selbst die Maschine weißt dich dann zurück.

00:07:51: kann das natürlich auch eine Auswirkung haben.

00:07:53: Und tatsächlich ist es schon so, dass G.P.T.

00:07:55: mehrmals, vor allen Dingen am Anfang, gesagt hat, dass er sich Hilfe holen soll und auf so einen Telefonnummern angegeben hat.

00:08:04: Und nach dem Tod hat OpenAI, also die Firma hinter G.P.T.

00:08:08: auch ein Statement rausgegeben, indem sie natürlich gesagt haben, dass ihn der Tod von Adam sehr leid tut.

00:08:14: Und indem sie auch erklären, dass G.P.T.

00:08:16: Eigentlich halt eben sehr gut darin ist, Menschen mit Suizidgedanken zu motivieren, Hilfe zu suchen, also in der echten Welt.

00:08:23: Und darauf ist G.G.P.T.

00:08:24: auch trainiert, also wenn er dann diese Wörter liest, dass er das dann macht.

00:08:29: Aber, das schreibt OpenAI weiter, dass diese Sicherheitsmechanismen vor allem gut in kurzen Interaktionen funktionieren.

00:08:36: Dass sie aber weniger verlässlich sind, wenn man lange Unterhaltung mit G.G.P.T.

00:08:39: führt.

00:08:40: Und er nicht so klare Prompts bekommt sozusagen, dass diese Sicherheitsmechanismen halt... eben versagen.

00:08:47: Und das Ding ist ja, Adam hat Monate lang mit Chatchi Pity gesprochen und sich ihm quasi anvertraut und für seine Mutter hat Chatchi Pity ihren Sohn damit getötet.

00:08:57: Das sagt sie so direkt, also es ist ein Zitat von der Mutter.

00:09:01: Und deshalb haben Adams Eltern eben vor ungefähr vier Wochen auch Klage wegen fahrlässiger Tötung gegen OpenAI eingereicht.

00:09:07: Kann ich absolut nachvollziehen.

00:09:10: Weil wäre Chatchi Pity ein Mensch, würde man da ja eventuell auch anhand eines Ermittlungsverfahrens versuchen, rauszufinden, ob das nicht eine unterlassene Hilfeleistung ist oder so.

00:09:20: Ja, total.

00:09:22: Und das Ding ist natürlich ... Also ich denke nicht, dass ChatGPT jetzt der einzige Grund ist, weshalb Adam sich suizidiert hat oder das kann man auch irgendwie nicht sagen.

00:09:31: Aber wir wissen ja auch aus unserem Podcast Justiziers Wille, dass so ein Suizidwunsch komplex ist und es es in der Regel mehrere Gründe gibt.

00:09:40: Dadurch, dass man halt weiß, dass Adam ja offenbar zeitweise wollte, dass seine Eltern ihn stoppen oder irgendwas mitbekommen, denke ich halt ja, also... Das hätte man halt vielleicht oder sehr gut möglich stoppen können oder die Eltern hätten das dann eben mitbekommen können und sie hätten ihm helfen können, die richtige Hilfe an die Seite zu bekommen und eben nicht chat-gbt.

00:10:02: Also natürlich, die Eltern sind halt reale Menschen, das ist deren Sohn und im Zweifel wäre dann natürlich auch ein Psychiatrieaufenthalt angebracht gewesen.

00:10:10: Da hätten dann andere Leute auch noch mal drauf geguckt und so, dann hätte man ihm ja vielleicht so helfen können.

00:10:15: Ja.

00:10:17: Oben AI hat jetzt auch mit konkreten Plänen reagiert, also die wollen neue Sicherheitsmechanismen einbauen, unter anderem, dass Eltern von Teenagern in Zukunft eine Benachrichtigung bekommen sollen, wenn ChechGPT glaubt, dass ihr Kind akute Hilfe braucht.

00:10:33: Und ich denke, das ist super sinnvoll, aber auch wieder... irgendwie ja zu spät.

00:10:38: Wieso ist da keiner vorher drauf gekommen?

00:10:40: Frag ich mich.

00:10:41: Weil ich da denke ich einfach nicht, ihr zählt diese Leier.

00:10:44: Erst muss was passieren.

00:10:46: Blah, blah, blah.

00:10:47: Also ich finde das nervt so krass, weil natürlich kann man nicht vorher auf alles kommen, was durch AI jetzt möglicherweise alles passieren kann.

00:10:55: Aber da oben AI ja schon wusste, dass Menschen sich mit Suizidwunsch an Chachibit wenden.

00:11:00: Darunter auch Kinder und Jugendliche.

00:11:01: Das ist schon so gewesen.

00:11:02: Sonst hätten sie ihn ja gar nicht darauf trainiert.

00:11:05: Dann denke ich mir, warum ist sowas nicht irgendwie vorher mal überlegt worden?

00:11:11: Also festzuhalten ist natürlich, dass eine KI nicht die richtige Anlaufstelle ist, wenn man Suizidgedanken hat und wenn es einem schlecht geht.

00:11:19: Wenn ihr sowas habt oder jemanden kennt, der Suizidgedanken hat, dann bitte erzählt eurer Familie was davon?

00:11:23: und oder, holt euch professionelle Hilfe und wir haben in unserer Folgenbeschreibung auch noch Hilfsangebote für Betroffene aufgelistet.

00:11:31: So, und jetzt kommen wir aber zu unserer heutigen Geschichte und damit zu einer tödlichen Gefahr, die im Keller eines Hauses lauert und schließlich dafür sorgt, dass eine ganze Stadt wortwörtlich erschüttert wird.

00:11:43: Es ist Juli, und die dritte Woche der Sommerferien in NRW.

00:11:49: Für den zwölfjährigen Philipp die beste Zeit des Jahres, denn die Tage drehen sich ums Schwimmbad, Eisessen und Abendslange aufbleiben.

00:11:56: Was könnte es besser ausgeben?

00:11:59: Philipp jedenfalls fällt wenig ein.

00:12:01: Der Junge mit dem braunen Haar, das ihm vorn in die Stirn fällt, hat gerade die fünfte Klasse im Gymnasium mit Bravour abgeschlossen.

00:12:08: Und die Sommerferienwochen, die vor ihm liegen, bis er zurück zur Schule muss, will er in vollen Zügen genießen.

00:12:14: Heute Abend zum Beispiel hält das Fernsehprogramm ein Highlight für ihn bereit.

00:12:18: Gleich mehrere Jackie Chan-Filme laufen hintereinander.

00:12:21: Das will Philipp auf keinen Fall verpassen.

00:12:23: Er liebt den Schauspieler, der für seine Kung-Fu-Filme bekannt ist.

00:12:27: Die meisten sind lustig, manche sehen aber auch echt brutal, weiß Philipp.

00:12:31: Und genau da liegt das Problem.

00:12:34: Wegen der Kampfszenen darf Philipp die Firma eigentlich nicht schauen.

00:12:37: Dort der Zwölfjähriger hat einen Plan, wie er es doch hinkriegen könnte.

00:12:41: Weil Philipps Eltern getrennt sind und seinen Vater, bei dem er wohnt, gerade beruflich für eine Nacht weg ist, soll er heute eigentlich bei seiner Mutter und seiner Oma schlafen.

00:12:50: Doch Philipp plant einfach alleine bei seinem Vater zu Hause zu bleiben.

00:12:53: Sein Papa wird nichts davon erfahren.

00:12:55: Der ist ja unterwegs und hat kein Handy.

00:12:58: Und seine Mutter will Philipp Bech morgen früh besänftigen.

00:13:01: Er wird einfach morgen früh zu ihr fahren und sich irgendeine Ausrede überlegen.

00:13:04: Für heute macht es sich der Zwölfjährige jedenfalls alleine zu Hause gemütlich und schaut fern.

00:13:10: Er sieht Jackie Chan dabei zu, wie der mit seiner Kampfkunst leben rettet, ohne zu wissen, dass genau diese Filme heute Nacht auch sein Leben retten werden.

00:13:20: Das Haus, in dem Philipp gerade eigentlich sein sollte, liegt im Düsseldorfer Stadtteil Flingern.

00:13:25: einem ruhigen Viertel etwa fünfzehn Minuten zu Fuß vom Hauptbahnhof entfernt.

00:13:30: Hier, in der Kraalstraße, reinen sich mehrere Mehrfamilienhäuser eineinander.

00:13:34: Davor parken Autos eng an eng und zwischen ihnen lockern vereinzelte Bäume das graue Stadtbild auf.

00:13:40: Schräg gegenüber von einem der großen Bäume steht das Haus mit der Nummer acht.

00:13:44: Ein violett gestrichenes Gebäude mit drei Stockwerken und einem ausgebauten Dachgeschoss.

00:13:49: Die Fassade ist etwas abgeblättert, die Mauern sind über hundert Jahre alt.

00:13:53: Acht Parteien leben hier und viele von ihnen schon seit Jahrzehnten.

00:13:57: Denn gerade weil das Haus so alt und nicht renoviert ist, sind die Mieten günstig.

00:14:00: Das schätzen die Bewohnerinnen darunter, das Ehepaar Jovanovic.

00:14:05: Nikolaj und seine Frau Galina sind beide in ihren Vierzigern.

00:14:08: Beide sind etwas kräftiger und haben schwarzes Haar.

00:14:11: Und sie leben seit mehr als fünfzehn Jahren im ersten Stockwerk des Hauses.

00:14:16: Ihre Wohnung ist geräumig, drei Zimmer plus Bad und Küche zu einem guten Preis.

00:14:20: Das spät den beiden in die Karten.

00:14:22: Denn Nikolaj und Galina, die seit mehr als zwanzig Jahren verheiratet sind, haben einen Plan für ihre Zukunft.

00:14:28: Im Alter, wenn sie genug Geld gespart haben, wollen sie gemeinsam in ihrer Heimat nach Serbien zurück und sich dort ein Haus bauen und dort in den eigenen Verwänden zusammen alt werden.

00:14:37: Das ist ihr Traum.

00:14:38: Aber bis sie sich den erfüllen können, muss Nikolaj noch ein paar Jahre arbeiten.

00:14:42: Er ist ein begabter Handwerker und mit Galina nach Deutschland gekommen, weil er hier mehr verdienen kann als in Serbien.

00:14:48: Doch sein Arbeitsalltag ist hart.

00:14:50: Er ist oft tagelang auf Montage in ganz Deutschland unterwegs.

00:14:54: Tagsüber zählt die körperliche Arbeit an ihm.

00:14:56: abends fällt er totmüde in ein Bett, das nicht seins ist.

00:14:59: Galina ist währenddessen zu Hause in Düsseldorf, wo sie sich um den Haushalt kümmert.

00:15:04: Sie erwartet Nikolaj jedes Mal voller Vorfreude.

00:15:07: So auch an diesem Mittwoch im Juli.

00:15:09: Nikolaj ist da schon seit einigen Tagen in Süddeutschland unterwegs.

00:15:13: Eigentlich hätte er längst wieder zurückkommen sollen, aber der Zeitplan hat sich geändert.

00:15:18: Wann er wieder nach Hause kommt, ist noch nicht sicher.

00:15:20: Fest steht nur, dass Galina auch den heutigen Abend ohne ihn verbringen muss.

00:15:25: Also legt sie sich schließlich allein ins Ehebett, in dem wissen, dass Nikolaj bald wieder bei ihr sein wird.

00:15:32: Währenddessen zwei Stockwerke über Galina.

00:15:35: Auch hier bleibt in der Nacht vom XXIII.

00:15:37: auf den XXIV.

00:15:38: Juli ein Bett leer.

00:15:40: Philips Bett.

00:15:42: Seine Großmutter Teresa, eine Frau Ende Fünfzig mit kurz geschnittenem blond gefärbten Haar, hat sofort gemerkt, wie unruhig ihre Tochter Mariola wurde, als Philip nicht wie vereinbart aufgetaucht war.

00:15:53: Auch Theresa macht sich mittlerweile Sorgen.

00:15:56: Trotzdem versucht sie, die dreidreißige Mariola zu beruhigen.

00:16:00: Dafür ist sie schließlich hier, um ihre Tochter zu unterstützen.

00:16:03: Deshalb war Theresa vor sechs Jahren von Polen nach Düsseldorf gezogen, nachdem sie Mariola und Philipps Vater getrennt haben.

00:16:10: Seitdem teilen sich Mutter und Tochter eine kleine Dachgeschosswohnung in dem violetten Haus in der Krarstraße Acht.

00:16:17: Zwei Zimmer, ein kleines Bad, eine Duschkabine in der Küche, mehr nicht.

00:16:21: Mariola schläft im Schlafzimmer, Theresa hat sich das Wohnzimmer zum Schlafzimmer gemacht.

00:16:26: Hier sitzen sie oft abends zusammen, spielen Schiffe versenken oder schauen polnische Filme, die sie auf Videokassette aufgenommen haben.

00:16:32: Wenn Philipp zu Besuch ist, dann schaut er manchmal mit.

00:16:36: Aber an diesem Abend bleibt Philipps Platz leer.

00:16:39: Und Mutter Mariola, die ihr dunkles Haar Schulter lang um gelockt trägt, weiß inzwischen auch warum.

00:16:44: Sie ist zum Haus von Philipps Vater gefahren und hat Philipp dort beim Fernsehen erwischt, erklärt sie ihrer Mutter Teresa.

00:16:50: Er hat ihr von den Jackie Chan-Filmen, die heute im Fernsehen laufen, erzählt und sie gebeten, über Nacht alleine bei seinem Vater bleiben zu dürfen.

00:16:58: Zunächst sei sie nicht begeistert von der Idee gewesen, sagt Mariola ihrer Mutter, sie hätte Philipp am liebsten mit in die Krasstraße genommen.

00:17:05: Aber hier steht der Fernseher in Teresa's Zimmer.

00:17:07: Das heißt, ihr hätte Philipp die Filme nicht anschauen können.

00:17:11: Also hat sie zugestimmt, sagt Mariola.

00:17:14: Sie hat Philipp in der Wohnung seines Vaters bleiben lassen.

00:17:18: Teresa weiß, ihre Tochter kann Philipp keinen Wunsch abschlagen.

00:17:22: Gleich morgen früh wird er in die Krarstraße kommen, sagt Mariola.

00:17:25: So haben sie es vereinbart.

00:17:28: Teresa ist beruhigt darüber, dass es Philipp gut geht.

00:17:31: Jetzt können sie und Mariola unbesorgt ins Bett gehen.

00:17:34: Gute Nacht, Mama.

00:17:35: Ich liebe dich.

00:17:36: sagt ihre Tochter noch, bevor sie ins Schlafzimmer verschwindet und Theresa es sich im Wohnzimmer bequem macht.

00:17:42: Und so legt sich die Nachtruhe über das violette Haus mit der Nummer acht.

00:17:47: Doch sie ist trügerisch, denn schon bald wird eine unsichtbare Gefahr durchs Treppenhaus nach oben schleichen und dafür sorgen, dass das Leben von Mutter und Tochter in Trümmern liegt.

00:17:58: Drei Stunden später.

00:17:59: Um kurz vor drei Uhr in der Nacht erschüttert ein Ohren betäubender Knall die Kraostraße.

00:18:05: In Düsseldorf kann man ihn kilometerweit hören.

00:18:08: Für die Anwohner im Umkreis von mehreren hundert Metern um die Kraostraße acht ist da auch spürbar.

00:18:13: Türen fliegen auf, Fensterscheiben zerspringen, Chalusien werden ausgebeult.

00:18:17: Der Grund dafür ist eine Druckwelle, die sogar die Wände einiger Häuser wackeln und die Anwohner innen mit einem Schlag senkrecht im Bett sitzen lässt.

00:18:24: Einige rennen zu ihren Fenstern, um hinaus zu sehen.

00:18:27: Andere laufen voller Angst im Schlafanzug auf die Straße.

00:18:30: Was war das?

00:18:32: Doch das, was Sie sehen, ist nicht auf Anhieb in Worte zu fassen.

00:18:35: Denn die laue Sommernacht über Düsseldorf ist nicht länger klar.

00:18:39: Eine riesige Wolke aus Schutt und Staub hat sich breit gemacht.

00:18:42: Sie macht den Menschen das Atmen schwer und reizt ihre Augen.

00:18:45: Mehrere Anwohnerinnen fangen an zu schreien.

00:18:48: Panik liegt in der Luft und ein stechender intensiver Geruch, der ein verrotteten Kohl erinnert.

00:18:53: Der Geruch von Gas.

00:18:55: Als sich die dichte Staubwolke endlich lichtet, kommt der Ursprung des erschütternden Knalls zum Vorschein.

00:19:01: Auf der Straße vor dem Haus mit der Hausnummer Acht liegt ein Berg aus Geröll.

00:19:05: Doch das ist es nicht, dass den Menschen den Atem verschlägt.

00:19:08: Es ist das Haus selbst, denn es gibt kein Haus mehr.

00:19:12: Da, wo früher ein Gebäude war, klafft jetzt eine riesige Lücke.

00:19:16: Stahlbalken und Fensterrahmen liegen auf den eingestürzten Mauern.

00:19:19: Kein Stein mehr steht auf dem anderen.

00:19:22: Und den Umstehenden ist sofort klar, in den Trümmern müssen Menschen begraben worden sein.

00:19:27: Ja, und als ich zum ersten Mal ein Foto von dem ich nicht mehr vorhin in den Haus gesehen habe, habe ich gedacht, da ist eine Bombe eingeschlagen oder das ist irgendwie aus dem zweiten Weltkrieg oder so?

00:19:38: Ja, also wir gucken uns ja jetzt hier gerade diese Fotos auch zusammen an und ich bin überrascht, weil ich hätte gedacht, dass wenn so ein Haus einstürzt, dass mehr davon noch in die Höhe ragt, weißt du wie ich meine?

00:19:52: Wirklich links und rechts daneben stehen die Häuser noch und in der Mitte ist einfach quasi nichts mehr.

00:19:59: Das meiste ist auf dem Boden und offenbar ja auch in den Keller gesagt.

00:20:02: Ja, es sieht auf jeden Fall sehr, sehr verstörend aus.

00:20:06: Und ich glaube, wenn man das so sieht, als Rettungskräfte, die davor stehen, da ist doch die Hoffnung, fast gleich null da noch jemanden drin zu finden.

00:20:15: Weißt du, was ich meine?

00:20:17: Wir stellen euch natürlich auch nochmal ein Foto davon auf unseren Instagram-Account beim Mordlos der Podcast.

00:20:24: Innerhalb von Minuten nahen die Serien von Rettungswagen und Feuerwehrautos heran.

00:20:28: Über ihnen eine Staubwolke, die inzwischen über einen Kilometer weit reicht.

00:20:33: Auf die Szenen, die sich den SpezialistInnen vor Ort bieten, sind sie nicht vorbereitet.

00:20:38: Umstehende Menschen schreien und weinen und auch aus den Trümmern sind schreie zu vernehmen.

00:20:43: Nur es ist kein leichtes, die schweren Steine zur Seite zu schaffen, um zu den Verletzten zu gelangen.

00:20:48: Die Rettungskräfte wissen nicht einmal, wie viele Menschen in der Nacht zu Hause waren und wie viele Opfer dementsprechend unter dem Schutt des Hauses begraben wurden.

00:20:55: Spezialkameras und Mikrofone sollen dabei helfen, sie zu lokalisieren.

00:21:00: Die Helferinnen arbeiten sich vorsichtig vor, Stein für Stein, immer auf der Suche nach einem Hinweis auf Überlebende.

00:21:06: Und dann, endlich, finden sie eine Person in den Trümmern.

00:21:10: Eine ältere Dame im Schlafanzug mit blondem Haar, die regungslos unter einigen schweren Steinen liegt.

00:21:16: Ihr Körper ist von Schutt und Staub bedeckt.

00:21:19: Eine Verletzung an ihrem Kopf blutet stark.

00:21:21: Die Frau schwebt in Lebensgefahr und wird umgehend in ein naheliegendes Krankenhaus gebracht, wo die Ärztinnen alles in ihrer Macht stehende tun, um das Leben der Frau zu retten.

00:21:30: Währenddessen geht über der Krarstraße die Morgensonne auf.

00:21:34: Die Einsatzkräfte arbeiten zwischen blinkenden Blaulichtern und dem dumpfen Poltern von Schutt, den die Feuerwehr zur Seite räumt, unermüdlich weiter.

00:21:41: Zentimeter für Zentimeter arbeiten sie sich durch die Trümmer, in der Hoffnung noch mehr Überlebende zu finden.

00:21:47: Und tatsächlich können sie auch noch einen Mann retten.

00:21:50: Auch er ist schwer verletzt.

00:21:51: Die Rettungskräfte schöpfen neue Hoffnung.

00:21:53: Spürhunde sind nun im Einsatz und schnüffeln sich über das Geröll.

00:21:57: Doch was allen Anwesenden Sorge bereitet, die Schreie, die anfangs noch zu hören waren, sind mittlerweile verstummt.

00:22:04: Und irgendwann stoßen die Helfende nicht mehr auf Lebende, sondern auf Tote.

00:22:08: Darunter ein älteres Ehepaar, das im gemeinsamen Ehepät von der Explosion überrascht und unter den Tonnen schweren Steinen begraben wurde.

00:22:17: Die Bilanz nach einigen Stunden Suche ist ernüchternd, mehr Tote als Überlebende.

00:22:22: Die Zeit läuft den Einsatzkräften davon.

00:22:25: Während Feuerwehr und Rettungsdienste weiter nach Leben graben, versucht die Polizei herauszufinden, wie viele Menschen in der Krarstraße acht wohnen und noch viel wichtiger, wer von ihnen in dieser Nacht zu Hause war.

00:22:37: Es ist noch immer früh am Morgen, als ein Telefon in Süddeutschland klingelt.

00:22:41: Es ist Nikolajs Telefon.

00:22:43: Er wollte sich gerade auf den Weg zur Arbeit machen und ist überrascht, als sich am anderen Ende die Polizei meldet.

00:22:48: Die Beamtinnen scheinen erleichtert, dass sie ihn erreicht haben.

00:22:51: Doch in Nikolaj steigt die Sorge auf.

00:22:53: Was will die Polizei von ihm?

00:22:55: Was ist passiert?

00:22:57: Das, was man ihm dann sagt, hätte sich der siebenundvierzigjährige in seinen schlimmsten Träumen nicht ausmalen können.

00:23:04: Dass das Haus, in dem er lebt, über Nacht eingestürzt ist und dass man nicht weiß, wer lebt und wer nicht.

00:23:09: Ob seine Frau Galina zu Hause war, wollen die Beamtinnen wissen.

00:23:12: Nikolaj sagt ja und in diesem Augenblick verwandelt sich seine Sorge und blanke Angst.

00:23:17: Wo ist sie?

00:23:18: Geht's ihr gut?

00:23:19: fragt er.

00:23:19: Doch das kann ihm niemand beantworten.

00:23:22: Er soll sofort nach Düsseldorf kommen, sagen sie ihm.

00:23:25: Daraufhin setzt sich Nikolaj ins Auto.

00:23:27: Vor ihm liegt die schlimmste Fahrt seines Lebens.

00:23:30: Stunden, in denen er bankt, bittet, hofft, dass seine große Liebe noch am Leben ist.

00:23:35: Dass sie die Exklusion ihres gemeinsamen Zuhauses überlebt hat.

00:23:38: Irgendwie.

00:23:40: Aber als Nikolaj endlich in Düsseldorf ankommt, trifft ihn der Anblick wie ein Schlag.

00:23:44: Es ist Mittag, die Sonne steht hoch am Himmel, doch die Kraalstraße liegt im Schatten einer Katastrophe.

00:23:50: Weiträumlich ist alles abgesperrt.

00:23:52: Erst will man ihn gar nicht durchlassen und als er schließlich passieren darf, bleibt er wie er startstehen.

00:23:57: Vor ihm ist eine Lücke.

00:23:59: Dort, wo letzte Woche noch sein Haus stand.

00:24:01: Dort, wo er und Galina seit über fünfzehn Jahren ihr gemeinsames Leben aufgebaut haben.

00:24:06: Nun ist da nur noch ein Berg aus Schutt, Glassplittern und zerborstenen Stein, die all ihrer Erinnerung, all ihr Hab und Gut begraben.

00:24:14: Möbel, Dokumente, Fotos, alles weg.

00:24:17: Doch Nikola ist das gleichgültig.

00:24:19: Er denkt nicht an materielle Dinge, er denkt nur an sie, an Galina.

00:24:23: Hat man sie inzwischen gefunden?

00:24:24: fragt er die Einsatzkräfte?

00:24:27: In ihm brennt noch Hoffnung.

00:24:28: Doch sie hält nicht lange.

00:24:30: Noch am selben Tag teilt man ihm mit, dass Galinas Leiche aus den Trümmern geborgen wurde.

00:24:34: Sie hat vermutlich geschlafen, als das Haus über ihr zusammenbrach.

00:24:38: Die Nachricht zerreißt Nikolaj das Herz.

00:24:40: Über zwanzig Jahre war sie an seiner Seite.

00:24:43: Und jetzt soll sie tot sein?

00:24:45: Nichts ergibt Sinn.

00:24:46: Alles verschwimmt.

00:24:48: Nikolaj weiß nicht einmal, wo er hingehen soll.

00:24:50: Denn das Zuhause, in das er sonst immer zurückgekehrt ist, gibt es nicht mehr.

00:24:54: Stattdessen wird er in einem Hotel untergebracht.

00:24:57: Als er an diesem Abend in dem fremden Bett liegt, ist die Stille und Lehre, die ihn umgibt, fast unerträglich.

00:25:04: Nur sein Gedankenkarussell hört nicht auf, sich zu drehen.

00:25:07: Was ist in der Nacht, in der er nicht da war, passiert?

00:25:10: Und hätte er diesen Albtraum verhindern können?

00:25:13: Die Fragen nach dem was und dem warum gehören auch zu den Ersten, die Theresa stellt, als sie im Krankenhaus wieder zu sich kommt.

00:25:20: Langsam blinzelt die siebenundfünfzigjährige gegen das krelle Licht über ihr, hört das monotone Piepen der Geräte ringsum.

00:25:27: Der Raum, in dem sie erwacht, ist kalt und steril, ihr Körper schmerzt.

00:25:31: Neben der schweren Kopfverletzung hat Teresa zwei gebrochene Rippen und mehrere gebrochene Wirbel.

00:25:37: Auch ihre Lunge ist verletzt.

00:25:38: Aber die Ärztinnen konnten ihren Zustand so weit stabilisieren, dass sie außer Lebensgefahr ist.

00:25:44: Teresa hat großes Glück gehabt, dass sie ganz oben im Dachgeschoss gewohnt hat.

00:25:48: Die Rettungskräfte gehen davon aus, dass sie quasi von der Schuttwelle des einstürzenden Hauses getragen worden ist.

00:25:54: Nur so kann man sich erklären, dass sie überlebt hat.

00:25:57: Jetzt, als Theresa im Krankenhaus erwacht, steht schon ihre Tochter an ihrem Bett.

00:26:01: Aber es ist nicht Mariola, sondern Mariolas Schwester, die aus Polen angereist ist.

00:26:05: Sie hält Theresa's Hand.

00:26:07: Theresa ist froh, sie zu sehen.

00:26:09: Aber wo ist Mariola, fragt sie.

00:26:11: Sie hat doch nur ein Zimmer weiter geschlafen.

00:26:14: Geht es ihr gut?

00:26:16: Mariola Schwester antwortet nicht sofort.

00:26:18: Aber als sie es tut, bricht Theresa's Welt erneut zusammen.

00:26:21: Mariola hatte nicht so viel Glück, sagt sie.

00:26:25: Sie wurde unter den Trümmern eingeklemmt und begraben.

00:26:28: Sie ist tot.

00:26:29: Ihre Tochter ist tot.

00:26:31: Es sind die schlimmsten Worte, die man einer Mutter überbringen kann.

00:26:34: Zuerst kann Theresa es gar nicht begreifen.

00:26:37: Warum lebt sie, während ihr Kind sterben musste?

00:26:40: Niemand kann ihr diese Frage beantworten.

00:26:42: Und selbst wenn es würde nichts ändern, Mariola kommt nicht zurück.

00:26:48: Als Theresa das realisiert, weint sie.

00:26:50: Sie weiß, dass ihr Leben nie wieder dasselbe sein wird.

00:26:53: und noch viel schlimmer, auch das von Philipp nicht, ihrem Enkel.

00:26:57: Von den Beamtinnen erfährt sie, dass Philipp zu Hause bei seinem Vater ist.

00:27:01: Theresa fällt ein riesiger Stein vom Herzen.

00:27:03: Zum Glück war ihr Enkel in dieser Nacht nicht bei ihnen, denkt sie, sonst hätte sie ihn vielleicht auch noch verloren.

00:27:10: Doch wie soll sie ihm beibringen, was passiert ist, dass er über Nacht zum Halbweisen geworden ist, dass er ohne seine Mutter aufwachsen wird?

00:27:17: Theresa kann es ja selbst kaum glauben.

00:27:20: Wie sollen sie alle weitermachen ohne Mariola?

00:27:24: Der Schock sitzt tief, sowohl bei Theresa als auch bei den Einsatzkräften vor Ort in der Krarstraße.

00:27:30: Zwei Tage lang laufen die Rettungsmaßnahmen nun schon an.

00:27:33: Doch das Ergebnis ist enttäuschend.

00:27:35: Neben Theresa hat nur noch ein weiterer Mann die Explosion überlebt.

00:27:39: Sechs Menschen, die in der Nacht zu Hause waren und wahrscheinlich im Schlaf überrascht wurden, konnten nur noch tot aus den Trümmern geborgen werden.

00:27:46: Mariola, Galina, eine weitere Frau mittleren Alters, die ihren Ehemann hinterlässt, ein allein stehender Mann und das ältere Ehepaar, das gemeinsam im Ehepaar geschlafen hatte.

00:27:56: Dass es nicht noch mehr Opfer gab, ist nur dem Zufall zu verdanken.

00:27:59: Zwei Familien mit Kindern waren im Urlaub als das Haus.

00:28:02: einstürzte.

00:28:04: Die Fragen, die die Polizei umtreiben, nachdem die meisten drüber beiseite geräumt wurden, lauten, wie konnte es überhaupt zu der Explosion kommen?

00:28:11: Und war es ein tragischer Unfall oder steckt mehr dahinter?

00:28:15: Die Antwort darauf finden die Beamtinnen zwei Tage nach der Tragödie, und zwar in einem der Kellerräume des eingestürzten Hauses.

00:28:23: Hier fällt ihnen eine Gasleitung auf.

00:28:25: Sie ist nur vier Zentimeter breit und sie steht offen.

00:28:28: Normalerweise sollte das Ende der Leitung mit einer Kappe verschlossen sein, denn das Haus ist seit über zehn Jahren nicht mehr ans Gasnetz angeschlossen.

00:28:37: Doch die Verschlusskappe fehlt und das Gewinde ist unbeschädigt.

00:28:41: Für die Polizei liegt es deshalb nahe, dass jemand die Kappe vorsätzlich entfernt hat, sodass Gas aus der Leitung austreben konnte.

00:28:48: Und das in großen Mengen.

00:28:50: Berechnungen ergeben, dass das Rohr pro Stunde etwa zweihundert Kubikmeter Gas freigesetzt hat.

00:28:57: ein durchschnittlicher vier Personenhaushalt in einem ganzen Jahr zum Kochen verbraucht.

00:29:03: So viel Gas konnte nur ausströmen, weil die Leitung noch immer mit der Gas-Hauptleitung verbunden ist, die unter der Erde verläuft.

00:29:09: Als man die Kraalstraße Acht damals vom Netz genommen hat, hat man die Leitung quasi nur mit einer Kappe verschlossen, die jetzt fehlt.

00:29:16: Wann die Leitung aufgedreht wurde, kann die Polizei nicht nachvollziehen, nur, dass das Gas sich vom Keller aus über das Treppenhaus im ganzen Gebäude verteilt und mit Sauerstoff vermengt hat.

00:29:26: So ist eine zündfähige Mischung entstanden, die schließlich um drei Uhr nachts entzündet wurde.

00:29:32: Wie kann weder die Polizei noch die Feuerwehr beantworten?

00:29:35: Das könnte ein Streichholz gewesen sein, aber auch ein harmloser Funke, etwa aus einem Kurzschluss, der in einer Gasexplosion endete, die sechs Menschen das Leben kostete.

00:29:45: Mit der Entdeckung der geöffneten Gasleitung steht die Polizei nun vor neuen Fragen.

00:29:49: Wer hat die Kappe des Gas rausgeöffnet und vor allem warum?

00:29:53: Warum sollte jemand ein ganzes Haus in die Luft sprengen wollen?

00:29:56: Selbst wenn es jemand auf eine einzelne Bewohnerin oder einen Bewohner abgesehen hat, die Konsequenz, das gesamte Gebäude samt unschuldiger Menschen zu vernichten, erscheint den Beamtinnen viel zu drastisch.

00:30:08: Vom Hauseigentümer der Krarstraße Acht, Lothar Dresen, wollen die Beamtinnen nun wissen, wer überhaupt alles Zugang zu dem Kellerraum hatte.

00:30:16: Dresen ist ein großer boolegermann mit grünen Augen, spitzturlaufender Nase und dünnen Lippen.

00:30:22: Als der bereits ergraute, dreißigjährige vor den Beamten in den Platz nimmt, zeigt er sich betroffen.

00:30:28: Doch weiterhelfen kann er nicht.

00:30:30: Der Kellerraum sei nicht abgeschlossen, erklärt er.

00:30:32: Jeder, der ins Haus gelangen konnte, hätte auch dort Zutritt gehabt.

00:30:37: Wo er am Abend der Explosion gewesen sei, wollen die Polizistinnen dann wissen.

00:30:41: Dresen antwortet, er sei mit seiner Freundin auf einem Geburtstag gewesen.

00:30:45: Dann sei er früh schlafen gegangen, weil er am nächsten Morgen zu einer Geschäftsreise nach Ostdeutschland aufbrechen musste.

00:30:51: Erst dort habe er von der Explosion seines eigenen Hauses erfahren.

00:30:55: Ernüchtert lassen die Ermittlenden den Hauseigentümer gehen, nachdem sie kein Deutschlauer geworden sind.

00:31:01: Doch das stellt sich nur kurze Zeit später als Fehler heraus, denn nach seiner Befragung bei der Polizei ist Dresen plötzlich nicht mehr erreichbar.

00:31:10: Für Rückfragen können ihn die Beamtinnen weder ans Telefon kriegen, noch können sie ihn in seinem Zuhause antreffen.

00:31:16: Er scheint kurzfristig verreist zu sein.

00:31:18: Oder ist er etwa geflohen?

00:31:19: Aber die Polizei wirkt der abrupte Kontaktabbruch ebenfalls äußerst verdächtig.

00:31:25: Könnte es sein, dass er der Hauseigentümer etwas mit der Explosion zu tun hat?

00:31:30: Einerseits hätte er natürlich Zugang zu der Gasleitung gehabt, andererseits, warum sollte ein Mann sein eigenes Haus in die Luft springen und noch dazu die Leben seiner Mieter ihnen gefährden?

00:31:39: Doch die Fragen sind vorerst auch nebensächlich.

00:31:42: Zunächst hat es Priorität, Lothar Dresen zu finden, um ihn erneut zu vernehmen.

00:31:47: Und dafür greifen die Imaginellen zu einer ungewöhnlichen Methode.

00:31:50: Wenn Dresen wirklich untergetaucht sein sollte, weil er etwas mit der Explosion zu tun hat, dann würde er womöglich am ehesten den Kontakt zu seiner Anwältin halten, glauben die Beamtinnen.

00:32:01: Also beginnen sie, die Frau zu beschatten.

00:32:03: Und das tatsächlich mit Erfolg.

00:32:05: Denn schon kurze Zeit später fährt die Anwältin über die deutsche Grenze nach Frankreich, wo sie mit ihrem Mandantennoter Dresen verabredet ist, wie sich herausstellt.

00:32:14: Er hatte sie gebeten, ihm wichtige Dokumente zu bringen.

00:32:17: Unwissend, dass sie nicht nur die Papiere, sondern auch die Polizei direkt zu ihm führt.

00:32:22: Der Hauseigentümer wird noch am selben Tag in Südfrankreich verhaftet, zusammen mit einem anderen Mann, der sich mit ihm dort auffällt und der ihm offenbar bei der Flucht geholfen hat.

00:32:32: Beide Männer werden zurück nach Deutschland gebracht und dort in Untersuchungshaft gesteckt.

00:32:36: Gleichzeitig wird Dresens Haus durchsucht und was die Polizei dort findet, ist das erste Indiz, das Rückschlüsse auf einen Plan zulässt.

00:32:45: Ein Plan, der an Gehr und Boshaftigkeit kaum zu ertragen ist.

00:32:51: Im Juli-Ninzehnhundertneunundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundundund.

00:33:13: Der Prozess findet im Saal K. eins statt, einem der größten des Gerichts, wo sich kurz vor Beginn dutzende Besucherinnen versammelt haben.

00:33:21: Die Hohenrichterinnen sind schon anwesend und auf der Anklagebank findet sich der Mann wieder, dessen Gesicht inzwischen in allen Zeitungen abgebildet ist.

00:33:29: Der Hauseigentümer Lothar Dresen.

00:33:31: Der mittlerweile vierzigjährigen wird sechsfacher Mord, zweifacher Versuchter Mord und das Herbeiführen einer Sprengstoffexklusion vorgeworfen.

00:33:39: Eine ungeheuerliche Tat.

00:33:42: Doch noch erschütternder ist das Motiv, von dem die Staatsanwaltschaft ausgeht.

00:33:46: Dresen soll aus Habt gehandelt haben.

00:33:49: Wegen Geld.

00:33:50: Zwei Jahre lang haben die ermittelnden Beweise gesammelt und zu einer Akte verdichtet, die fünftausend Einhundertseiten umfasst.

00:33:57: Zweiundzwanzig dicke Ordner, die zu dem Ergebnis kommen, dass Dresen sein eigenes Haus in die Luft gesprengt haben soll.

00:34:03: Einzig, um mehr finanziellen Profit daraus schlagen zu können.

00:34:07: Er wollte die Miete erhöhen, koste es, was es wolle.

00:34:10: Die Menschen, die in jener Nacht in der Kraßstraße Acht umgekommen sind, waren ihm bei der Umsetzung seines Plans offenbar gleichgültig.

00:34:17: So legte es jedenfalls die Anklage nah.

00:34:19: Und als wäre das nicht schrecklich genug, sollen sogar zwei Menschen in die Tat eingeweiht gewesen sein.

00:34:25: Ein viertigjähriger und eine einundreißigjährige Frau sollen dem Hauseigentümer geholfen haben.

00:34:30: In welchem Umfang?

00:34:31: Das muss das Gericht nun klären.

00:34:34: Theresa und Nikolai haben sich entschieden, im Prozess die Nebenklage anzunehmen.

00:34:39: Auch sie sitzen heute im Saalka-Eins des Düsseldorfer Landgerichts.

00:34:42: Beide nehmen ihren Anwältinnen.

00:34:44: An Teresa's Seite sitzt außerdem eine Dollmatcherin, die alles, was vor Gericht gesagt wird, für die mittlerweile Sechzigjährige ins Polnische übersetzt und ihre Hand hält, wenn Teresa nicht mehr kann.

00:34:55: Theresa leidet körperlich noch immer unter den Verletzungen der Explosion.

00:34:58: Sie muss ein Korsett tragen, weil ihre verletzten Knochen nie ganz geheilt sind.

00:35:03: Viel schlimmer ist für sie aber die psychische Belastung, mit der sie seit zwei Jahren leben muss.

00:35:08: Der Fakt, dass ihre Tochter nicht mehr da ist, dass sie selbst überlebt hat, während Mariola von den Trümmern entdrückt wurde.

00:35:15: Die Vorstellung daran ist für Theresa kaum ertragbar.

00:35:18: Und Nikolaj geht es ähnlich.

00:35:21: Sein Herz schmerzt, wann immer er an die letzte Verabschiedung von Galina zurückdenkt.

00:35:25: Niemals hätte er geglaubt, dass er sie da zum letzten Mal in den Arm nehmen würde.

00:35:30: Das ist das letzte Mal sein könnte, dass sie sich sehen.

00:35:33: Nikolaj hat Galina tatsächlich nie wieder gesehen, denn ihr Körper war nach der Explosion so schlimm zugerichtet, dass der Anblick für den Wittfer so schlimm gewesen wäre.

00:35:42: Oh Gott.

00:35:44: Heute, noch zwei Jahren, vermisst der Galina noch immer an jedem Tag.

00:35:48: Und Schuld daran soll ein Mann sein, den er seit vielen Jahren kannte, dem er monatlich Geld überwiesen hat.

00:35:54: In Nikolais Augen genügend Geld, aber offenbar zu wenig für seinen Vermieter, dem Nikolai jetzt vor Gericht gegenüber sitzt.

00:36:02: Dabei waren weder Nikolai noch Theresa sehr überrascht, als man Lothar Dresen vor zwei Jahren festnahm.

00:36:09: Im Gegenteil, seine Geldgier war für sie kein Geheimnis.

00:36:13: Nur, dass es ihm offenbar komplett an Menschlichkeit fehlt, ist ihnen erst klar geworden, als es schon viel zu spät war.

00:36:21: Rückblick.

00:36:22: Direkt nach der Gasexplosion im Juli, die Polizei Nikolai und Theresa befragt, nach ihrem Vermieter Lothar Dresen.

00:36:30: Sie und die anderen Bewohnerinnen, die noch leben, erzählen übereinstimmt, dass Dresen das Gebäude modernisieren wollte.

00:36:36: Die Kraßstraße Acht war vor der Explosion nämlich stark renovierungsbedürftig.

00:36:40: Putz blätterte von den Wänden, Fenster waren undicht, die Leitungen waren alt.

00:36:45: Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Haus erneuert werden sollte.

00:36:49: Denn Dresen ist nicht nur hauseigentümer, sondern auch wohlhabender Bauunternehmer, dem ein Stuckerteurbetrieb gehört.

00:36:55: Er hat sich auf Renovierungsarbeiten spezialisiert und macht einen Umsatz von bis zu zwei Komma fünf Millionen Mark im Jahr.

00:37:01: Von seinem Gewinn hat er sich in den Jahren vor der Explosion gleich mehrere Häuser in der Krarstraße gekauft.

00:37:07: Seitdem gehörte ihm nicht nur das violette Haus mit der Nummer acht, sondern auch die drei Nachbarhäuser mit den Nummern zwei, vier und sechs.

00:37:14: Und die wurden in den Jahren vor der Explosion bereits umfangreich von seiner Firma renoviert.

00:37:19: Was dazu geführt hat, dass die Wohnungen schöner wurden, aber auch die Mieten der Häuser anschließend so stark angestiegen sind, dass einige Bewohner ihnen ausziehen mussten, weil sie sich die neuen Preise nicht mehr leisten konnten.

00:37:31: Das selbe war für Hausnummer acht geplant.

00:37:34: Den MieterInnen hatte Dresen in dem Zusammenhang angeboten, dass sie während der Renovierungsarbeiten in einem seiner anderen Häuser unterkommen können.

00:37:41: Aber das haben die BewohnerInnen, darunter auch Nikolai und Theresa, mehrheitlich verweigert.

00:37:47: Nicht weil sie die Modernisierung nicht gewollt hätten, sondern weil sie bereits wussten, dass anschließend enorme Mieterhöhungen auf sie zukommen würden, die sie nicht bezahlen könnten.

00:37:56: Dresen war deshalb verärgert und die Mieterinnen rechneten damit, dass er gerichtlich gegen sie vorgehen würde.

00:38:01: Als Hauseigentümer saß er da vermutlich am längeren Hebel und am Ende hätten sie die Renovierung vermutlich gar nichts verhindern können.

00:38:08: Aber Luther Dresen hat stattdessen zu anderen Methoden gegriffen, berichten Nikolai Theresa und die anderen der Polizei.

00:38:14: So hat er mehrfach für mehrere Stunden das Wasser im Haus abgestellt, offenbar um die Mieterinnen zu verärgern.

00:38:20: Die Tortur ging so lange, bis sich einer der HausbewohnerInnen an den Mietervereien gewendet hat.

00:38:25: Erst dann hatte die Karlstraße Acht wieder eine verlässliche Wasser zuvor.

00:38:29: Danach war einige Zeit Ruhe im Haus, bis ein Vorfall ein gutes Jahr vor der Explosion alle HausbewohnerInnen in Angst versetzte.

00:38:38: Ein Mieter hatte damals einen fremden Mann dabei erwischt, wie dieser versuchte, im hölzernen Treppenhaus einen Brand zu legen.

00:38:44: Noch bevor das Holz Feuer fangen konnte, war der Mann geflohen, aber er muss es wiederversucht haben.

00:38:49: Denn einige Zeit später hat es im Treppenhaus tatsächlich gebrannt.

00:38:53: Glücklicherweise haben die Mieser in den Rauch schnell bemerkt.

00:38:56: Sie konnten das Feuer, das noch recht klein war, löschen und kam mit einem Schrecken davon.

00:39:01: Was blieb, war eine dunkle Vorahnung, die sie schon damals hatten, aber erst jetzt nach der Explosion mit der Polizei teilen.

00:39:08: Nämlich, dass ihr eigener Vermieter hinter dem Brand im Treppenhaus stecken könnte.

00:39:13: Zwei Jahre später im Gerichtssaal bestätigt sich dieser Verdacht.

00:39:17: Lothar Dresen selbst steckte hinter dem Brand in seinem Haus.

00:39:21: Die Polizei hat durch ihre Ermittlungen den Mann aufgespürt, den der Hauseigentümer mit dem Brand beauftragt hatte, erzählt ein Beamter vor Gericht.

00:39:28: Und was die Ermittlungen noch ergeben haben, ruft Fassungslosigkeit unter den Prozessbeteiligten hervor.

00:39:34: Dresen habe dem Brandleger vierzigtausend Mark geboten, um das Holzerne Treppenhaus sichtbar zu beschädigen.

00:39:41: Beim ersten Versuch sei der Mann überrascht worden und geflohen, beim zweiten habe er ein Feuer entfachen können.

00:39:47: Nur sei deshalb niemand aus Haus Acht ausgezogen.

00:39:50: Wer hätte ahnen können, dass Dresen mutmaßlich zu viel drastischeren Methoden greifen würde?

00:39:56: Niemand hat das kommen sehen.

00:39:58: Selbst nach der Explosion, als die Polizei erstmals von der Brandlegung erfuhr, wollten die Ermittlerinnen zunächst nicht glauben, dass ein Vermieter so viel kriminelle Energie in sich hat, dass er eine Gasexplosion entfachen würde, nur um seine Mieterinnen loszuwerden.

00:40:11: Doch genau so soll es gewesen sein.

00:40:14: Davon geht die Staatsanwaltschaft jedenfalls in ihrer Anklage aus.

00:40:18: Denn als die Polizei Dresens Haus durchsucht hat, hat man in seiner Garage die Zange gefunden, mit der die Gasleitung offenbar geöffnet wurde.

00:40:26: Es handelt sich um eine schwere Wasserrohrzange mit blauem Griff.

00:40:30: An den Riffelungen der gezahnten Greifflächen hat man Fasern gefunden, die mit denen der fehlenden Verschlusskappe der geöffneten Gasleitung übereinstimmen.

00:40:38: Damit hat Dresen nicht nur ein Motiv, die lange geplante Entmietung seines Hauses, sondern auch das Tatwerkzeug in seinem Besitz.

00:40:46: Ob er sein Haus wirklich in die Luft springen oder mit einer Erschütterung nur unbewohnbar machen wollte, bleibt offen.

00:40:52: Aber er muss einen Komplizen gehabt haben, vermutet die Staatsanwaltschaft.

00:40:56: Denn es gibt zwei Zeugen, einen Zeitungsausträger und einen Mann, der mit seinen Hunden unterwegs war, die vor der Polizei angegeben haben, in der Tat Nacht zwei Männer vor dem Haus mit der Nummer acht gesehen zu haben.

00:41:08: Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass es sich um Lothar Dresen und seinen Kumpel Hartmut Lüders handelt.

00:41:14: Lüders, der von Beruf Dachdecker ist, ist derjenige, der mit Dresen in Südfrankreich verhaftet wurde.

00:41:19: Er hat Verbindung ins Rotlichtmilieu und bereits mehrere Vorstrafen auf dem Kerbholz.

00:41:24: Aus den Ermittlungen geht hervor, dass die beiden Männer auch schon bei den Renovierungen von Dresens anderen Häusern zusammengearbeitet haben.

00:41:31: Womöglich hat der Dachdecker also mit einem neuen Auftrag gerechnet, wenn die Kralstraße erst leer stehen würde, mutmaß die Staatsanwaltschaft.

00:41:39: Mit Sicherheit feststellen kann sie das allerdings nicht, denn weder Dresen noch Lüders haben bei der Polizei ein Geständnis abgelegt.

00:41:47: Im Gegenteil, die beiden Kumpel leugnen die Tatvorwürfe vehement.

00:41:51: Beide behaupten, sie hätten Alibis und doch sitzen beide auf der Anklagebank.

00:41:57: Lüders, der forty-jährige Dachdecker, ist im Prozess als Mittäter angeklagt.

00:42:01: Zum einen, weil sich sein Alibi schnell als Unwahr herausgestellt hat.

00:42:05: Kurz nach seiner Verhaftung hatte er angegeben, zur Tatzeit bei einer Bekannten gewesen zu sein.

00:42:09: Doch diese Bekannte hat noch vor der Hauptverhandlung erklärt, dass Lüders gar nicht bei ihr war.

00:42:14: Damit platzt Lüders Alibi und dazu kommt eine weitere Aussage, die ihn schwer belastet.

00:42:19: Die seiner Ex-Freundin Michelle, der Dritten Angeklagten im Prozess.

00:42:24: Sie hat bei der Polizei gestanden, ihren Ex-Hartmut Blüders und seinen Kumpel Lothar Dresen in der Tat nach Zockrarstraße Acht befahren zu haben, womit sie sich laut der Anklage als Mittäterin schuldig gemacht hat.

00:42:35: Michelle, eine blonde Frau, Ende dreißig, erklärt in ihrer Einlassung vor Gericht, sie habe am Abend vor der Explosion ihren Geburtstag gefeiert.

00:42:42: Ihr damaliger Lebensgefährte Hartmut und dessen Kumpel Lothar seien zu Gast gewesen, hätten viel getrunken und sich lange unterhalten.

00:42:49: Hartmut sei am Ende stark betrunken gewesen, außerdem hätten sie Sie, also Michelle und Hartmut, sich wegen Geldsorgen gestritten.

00:42:56: Doch Hartmut habe behauptet, er habe eine Lösung.

00:42:59: Er könne einen Auftrag für seinen Kumpel Lothar übernehmen, der ihm dafür Geld versprochen habe.

00:43:04: Anschließend habe Hartmut Michelle gebeten, ihn und Lothar zur Krausstraße zu fahren.

00:43:09: Da beide Männer zu betrunken gewesen seien, um selbst zu fahren, habe sie eingewilligt.

00:43:13: Vor dem Haus mit der Nummer acht hätte sie angehalten, die Männer seien hineingegangen und nach einiger Zeit zurückgekehrt.

00:43:19: Dann seien sie zu dritt weitergefahren.

00:43:22: Räumt also ein Ja, sie war die Fahrerin, aber sie betont zugleich, dass sie nichts von den Plänen der Männer gewusst habe.

00:43:29: Wäre ihr klar gewesen, dass sie eine Explosion verursachen würden, hätte sie sie niemals gefahren.

00:43:34: Außerdem stellt sie klar, sie habe beide Männer zur Krarstraße gebracht, Hartmut und Lothart zusammen.

00:43:40: Und damit widerspricht sie Lothartresen, denn der hatte ja behauptet, in der Tat Nacht nicht vor Ort gewesen zu sein.

00:43:47: Seine Darstellung nach habe Hartmut Blüders allein im Keller entschieden, die Kappe vollständig abzuschrauben, obwohl angeblich nur verabredet war, sie leicht zu öffnen.

00:43:56: Wenn es stimmt, was Michelle vor Gericht sagt, verändert das alles.

00:43:59: Denn dann hätte Dresen seinen kumpel Hartmut davon abhalten können, die Kappe ganz abzudrehen.

00:44:04: Oder Dresen könnte selbst derjenige gewesen sein, der sie aufgedreht und damit eine Explosion unumgänglich gemacht hat.

00:44:12: Aber Vermieter Dresen besteht darauf, dass er, während das Gas ausströmte, tief und fest geschlafen hat.

00:44:18: Und eine Zeugin bestätigt das, seine Lebensgefährtin.

00:44:22: Sie sagt im Prozess aus, dass sie nach dem Geburtstag von Michelle mit Lothar nach Hause gegangen sei.

00:44:27: Und dass sie die ganze Nacht seelenruhig jemandem geschlafen hätten, bevor Lothar am Morgen zu seiner Geschäftsreise aufgebrochen sei.

00:44:34: Auf Nachfrage des Vorsitzenden, wieso sie sich da so sicher sei und ob ihr Lebensgefährte nicht vielleicht in der Nacht unbemerkt aufgestanden sein könnte, entgegnet sie, nein, das sei nicht möglich.

00:44:45: Die Begründung.

00:44:46: Sie haben ein Wasserbett.

00:44:47: Wenn Lothar in der Nacht aufgestanden wäre, würde sie das aufgrund der unruhigen Oberfläche des Bettes mit Sicherheit bemerkt haben.

00:44:55: Hä?

00:44:57: Also, wie wenig Wasser soll denn da drin gewesen sein?

00:45:00: Was ist das denn, ja?

00:45:01: Ich weiß nicht, wie das bei dir ist, aber

00:45:04: ich habe kein Wasserbett.

00:45:05: Ich weiß.

00:45:06: Aber

00:45:06: früher waren doch Wasserbetten.

00:45:08: Was ist ... Sie sind schlecht gealtert, ne?

00:45:10: Das macht doch heute keiner mehr.

00:45:11: Nee, aber

00:45:12: ich wollte unbedingt eins, und ich fand das so cool.

00:45:15: Du nicht?

00:45:15: Ja doch, aber nicht aus einem plausiblen Grund, sondern einfach nur, weil alle in der Zeit Wasserbetten gehypt haben.

00:45:21: Ja,

00:45:22: die Eltern von meinem Ex-Freund hatten ein Wasserbett und wenn die im Urlaub waren, haben wir immer eine Wasserbett

00:45:26: geschlafen.

00:45:31: Aber ich weiß nicht, wie das generell bei dir ist, wenn du nicht alleine in einem Bett schläfst, weil ich merke oft nicht, wenn mein Mann nachts aufsteht.

00:45:40: oder wenn er morgen schon früher aufsteht, dann höre ich sogar nicht mal seinen Wecker.

00:45:45: Also ich finde es schon ein Stretch, dass Lotas Lebensgefährtin sich hier so sicher sein möchte, ne?

00:45:52: Ja, also ich würde mal sagen, sicher sein kann man nie.

00:45:55: Das kommt sicherlich nämlich auch schon auf eine welcher Schlafphase, du dich gerade befindest.

00:45:59: Aber ich habe ja schon einen leichten Schlaf.

00:46:01: Und man muss natürlich sagen, dass ein Wasserbett, wenn das nicht prei gefüllt ist, empfindlicher Aufbewegung reagiert, als wenn man jetzt beispielsweise zwei Matratzen hätte.

00:46:11: Aber dass man das ganz sicher sagen könnte, würde ich wirklich bei den wenigsten Menschen vermuten.

00:46:17: Ja, aber abgesehen davon, dass dieses Alibi an sich irgendwie ein bisschen schwach ist, ist es natürlich auch deshalb schwach, weil es von der Lebensgefährtin kommt.

00:46:27: Ja, klar, genau.

00:46:29: Und darüber, dass das Alibi schwach ist, da sind sich auch alle vor Gericht einig.

00:46:34: Verstärkt wird er verdacht, dass Dresen und seine Freundin Lügen überdies noch durch die Aussage eines Zeitungsausträgers, der in der Tat Nacht kurz vor der Explosion in der Krarstraße unterwegs war.

00:46:45: Die Staatsanwaltschaft hat ihn als Zeugen geladen und der junge Mann gibt nun an vor dem Haus mit der Nummer acht zwei Männer gesehen zu haben.

00:46:53: Ob es die beiden angeklackten waren, kann er allerdings nicht sagen.

00:46:56: Er stand weit entfernt, sagt der Zeuge.

00:46:58: Außerdem war es dunkel.

00:47:00: Die Gesichter habe er nicht erkennen können.

00:47:02: Seine Aussage reicht also nicht, um die Anwesenheit der Angeklagten am Tatort tatsächlich nachzuweisen.

00:47:08: Für Teresa sind die Tage im Gerichtssaal kaum auszuhalten.

00:47:12: Immer wieder weint sie, manchmal so heftig, dass sie den Saal verlassen muss.

00:47:17: Am schwersten fällt ihr das Schweigen der Angeklagten.

00:47:19: Warum sagen die beiden Männer nichts?

00:47:21: Warum erzählen sie nicht einfach, was passiert ist?

00:47:24: fragt sie.

00:47:25: Ihr Anwalt Johannes Pausch erklärt ihr, dass die Angeklagten das Recht haben zu schweigen, dass sie womöglich darauf warten, ob das Gericht ihnen ihre Schuld nachweisen kann.

00:47:34: Und da es im Moment nicht eindeutig nach einer Verurteilung aussieht, ist es nachvollziehbar, dass sie lieber nichts sagen.

00:47:40: Es gibt keine Augenzeuginnen, die die Tat an sich beobachtet haben und auch keine Fingerabdrücke oder sonstige, denen Arschpuren am Tatort.

00:47:48: Aber genau die wären für eine Verurteilung so wichtig.

00:47:52: Am Ende sitzt Teresa ganze zwei Jahre, immer wieder im Saalka-Eins des Südorfer Landgerichts.

00:47:57: Knapp hundertzwanzig Verhandlungstage übersteht sie, von denen jeder einzelne körperlich und seelisch anstrengend für sie ist.

00:48:05: Denn am Ende eines jeden Tages bleibt sie mit Fragen zurück, die unbeantwortet bleiben und sie nicht zur Ruhe kommen lassen.

00:48:11: Teresa hält durch, weil sie bis zum Schluss dabei sein will, für ihre Tochter Mariola.

00:48:16: und auch für ihren Enkel Philipp, der mittlerweile sechzehn Jahre alt ist und ohne seine Mutter aufwachsen muss.

00:48:23: Theresa möchte später einmal seine Fragen beantworten können und sie hofft inständig, dass das, was der Prozess zu Tage gefördert hat, am Ende reicht, dass die Indizien ausreichen, um ihren ehemaligen Vermieter und seinen Kumpel des Mordes schuldig zu sprechen, so dass Theresa endlich zur Ruhe kommen kann.

00:48:40: Am sechzehnten August, mehr als vier Jahre nach der Explosion liegt eine angespannte Stille im Saalka-Eins des Düsseldorfer Landgerichts.

00:48:49: Dann erhebt sich der Vorsitzende Richter und verkündet das Urteil.

00:48:53: Luther Dresen und Hartmut Lüders werden wegen Herbeiführends einer Sprengstoffexpulsion mit Todesfolge in Tarteinheit mit sechsfach vollendetem und zweifachem versuchten Mord zu lebenssanger Freiheitsstrafe verurteilt.

00:49:06: Zudem stellt das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest, die härteste Strafe, die das Deutsche Recht kennt.

00:49:13: Für das Gericht steht nach diesem langen und zehn Prozess fest, Lothar Dresen und Hartmut Lüders sind in der Tat Nacht gemeinsam in den Keller der Krarstraße Acht gegangen und haben sich dort gemeinsam an der Gasleitung zu schaffen gemacht.

00:49:25: Wer letztendlich die Kappe abgedreht hat, ist für die Kammer irrelevant.

00:49:30: Nur eine Person auf der Anklagebank kommt mit einem Freispruch davon, Michelle.

00:49:34: Das Gericht glaubt der ehemaligen Lebensgefährtin des Dachdeckers, dass sie nicht von dem tödlichen Plan der Männer wusste.

00:49:41: Für die beiden verurteilten dagegen wiegt das Motiv schwer.

00:49:44: Dresen wollte sich laut dem Gericht an seinem eigenen Haus bereichern, Lüders seine Geldsorgen loswerden.

00:49:50: Dafür nahmen sie den Tod der unschuldigen Mieterinnen laut Gericht zumindest billigend in Kauf.

00:49:55: Jetzt zum Ende der Verhandlungen nehmen die beiden das Urteil genauso Wort aus entgegen, wie sie den ganzen Prozess überwahlen.

00:50:01: Theresa sieht ihn dabei in die Augen und findet nichts.

00:50:05: Keine Anzeichen von Erschütterung, aber auch kein Ausdruck von Reue.

00:50:09: Zwei Jahre lang hat sie gehofft, dass wenigstens ein Wort des Bedauerns über ihre Lippen kommt.

00:50:13: Oder eine Erklärung dafür, wie man auf die Idee kommt, ein ganzes Haus in die Luft zu springen, nur um eine Renovierung voranzutreiben.

00:50:20: Doch sie bleiben verschlossen.

00:50:22: Und trotzdem, als Theresa an diesem Tag den Verhandlungssaal verlässt, fällt ihr ein Stein vom Herzen.

00:50:27: Die Mörder ihrer Tochter sind verurteilt.

00:50:29: Sie werden sehr, sehr viele Jahre hinter Gittern verbringen, für das, was sie angerichtet haben.

00:50:34: So sieht es zumindest zunächst aus.

00:50:38: Doch es kommt

00:50:38: anders.

00:50:39: Denn sowohl hauseigentümer Dresen als auch Dachdecker Lüders gehen in Revision, und zwar wegen eines Formfehlers, der Lüders geplatztes Alibi betrifft.

00:50:47: Wir erinnern uns, er hatte behauptet, in der Tat Nacht bei einer Bekannten gewesen zu sein.

00:50:52: Die hat das aber nicht bestätigt.

00:50:53: Das Problem ist jetzt aber, dass die Frau nie vor Gerichtangaben gemacht hat, sondern nur vor dem Prozess, vor einem Ermittlungsrichter.

00:51:01: Und das... ohne dass die Verteidigung darüber in Kenntnis gesetzt wurde.

00:51:06: Und genau da liegt der Hund begraben.

00:51:09: Denn das ist laut Strafprozessordnung und europäischer Menschenrechtskonvention nicht rechtens.

00:51:15: Thérésas Anwald, Johannes Pausch, hat uns im Interview erklärt, warum.

00:51:19: Das war eine Zeugin aus dem Umfeld des zweiten Angeklagten, der, so weiß ich das noch aus meiner Erinnerung, wie sagt man, Schutz zugesichert worden war, also Anonymität zugesichert worden war.

00:51:31: Die echten Personalien sind also nicht bekannt geworden.

00:51:35: Und in solchen Fällen, wo unklar ist, bleibt die Zeugin als Zeugin zur Verfügung, wenn die Hauptverhandlung beginnt.

00:51:41: Wir haben das Unmittelbarkeitsprinzip.

00:51:43: Das heißt, jeder Zeuge muss da noch mal vor Ort vernommen werden.

00:51:47: Wenn das unklar ist, ob das wirklich gewährleistet ist, dann wird ein solcher Zeug gerichterlich vernommen.

00:51:53: Und da gibt es aber ganz strenge Vorschriften.

00:51:55: dass natürlich der Angeklagte mit seinen Rechten benachrichtigt wird und seine Verteidiger an solchen Vernehmungen teilnehmen dürfen.

00:52:01: Es sei denn die Anwesenheit der Verteidiger führt dazu, dass die Zeugin dann doch wieder nichts sagt.

00:52:06: Dann muss aber ein Beschluss gemacht werden, warum die Verteidiger nicht teilnehmen dürfen.

00:52:10: Und das alles ist hier so nicht geschehen.

00:52:13: Das ist ja auch verständlich, dass das die Regel ist, denn wenn mich jemand wegen irgendwas belastet, dann muss ich in einem Rechtsstaat natürlich auch die Gelegenheit haben, diese Person mit ihren Behauptungen zu konfrontieren.

00:52:26: Alles andere wäre ja schlicht unfair, weil wie soll ich mich dann überhaupt gegen Vorwürfe wehren?

00:52:32: Johannes Pausch hat uns ja noch erzählt, dass man den Ermittlungsrichter bei seiner Aussage vor Gericht gefragt hat, warum er die Verteidigung nicht in Kenntnis gesetzt hat.

00:52:39: Und er hat geantwortet, dass das Verfahren damals als er die Zeugeln befragt hatte, noch gegen unbekannt geführt worden war.

00:52:45: Das bedeutet, er habe noch gar nicht gewusst, wer die Angeklagten geschweige, denn deren Verteidigerinnen sind.

00:52:51: Das hätte aber zur Folge haben müssen, dass die Aussage der Zeugen vor Gericht nicht ins Urteil hätte einfließen dürfen.

00:52:58: Und darauf hätte sogar die Nebenklage noch während des laufenden Prozesses hingewiesen.

00:53:03: Die Nebenklagevertreterinnen haben nämlich schon kommen sehen, dass sich damit eine Revision rechtfertigen ließe und befürchtet, dass der BGH das Urteil dann kassieren könnte.

00:53:12: Aber das Gericht hat dann unbeirrt weitergemacht und die Aussage schließlich trotz des Verfahrens-Fehlers verwertet und deshalb ist Dresens Revision in Karlsruhe am Ende auch erfolgreich.

00:53:22: Nach zwei Jahren Beratungszeit beschließt der BGH, wegen des Formfehlers muss neu verhandelt werden.

00:53:29: Aber nur im Fall des Vermieters Dresen.

00:53:31: Zwar hat sowohl er als auch der zweite angeklagte Lüders Revision eingelegt, doch nur Dresens Revision geht vor dem BGH durch.

00:53:38: Das heißt, seiner Verteidigung ist es gelungen, den Formfehler formal korrekt zu rügen.

00:53:43: Beim BGH gelten da nämlich strenge Anforderungen und wer sie nicht erfüllt, dessen Revision wird dann auch schlicht als unzulässig verworfen, selbst wenn der Fehler tatsächlich vorliegt und so ergeht das Lüders.

00:53:54: Sein Urteil wegen Mordes wird also rechtskräftig, weil seine Revision Salop gesagt, nicht gut genug war.

00:54:01: Im Fall von Vermieter Dresen hingegen geht der ganze Prozess mit Samt seiner umfangreichen Beweiswürdigung wieder von vorne los.

00:54:08: Also was ist das denn, ja?

00:54:11: Also wie sauer kann man auf seinen Anwalt oder seine Anwältin dann sein, wenn die Person das nicht richtig hinbekommt, die Revision zu formulieren, ja?

00:54:19: Ja.

00:54:19: Und aber vor allem halt im Vergleich, weil das bei der anderen Person dann klappt.

00:54:23: Ja.

00:54:24: Das ist ja der Pain hier, ja?

00:54:26: Ja.

00:54:27: Für Theresa ist das zumindest auch alles kaum zu fassen, denn sie muss ja jetzt nochmal ein Prozess durchstehen, der genauso lang dauern könnte wie der erste.

00:54:36: Also nochmal muss sie dem Mann gegenüber treten, der für den Tod ihrer Tochter verantwortlich sein soll.

00:54:41: Noch einmal beginnt ihr Kampf um Gerechtigkeit von vorne.

00:54:44: Ihr Anwalt Johannes Pausch sagt ihr, dass sie die Nebenklage auch niederlegen kann.

00:54:48: Also sie muss das nicht nochmal ertragen.

00:54:50: Oder sie muss zumindest nicht vor Gericht dabei sein.

00:54:52: Er könne ihr ja auch am Ende eines jeden Tages die wichtigsten Punkte telefonisch übermitteln.

00:54:58: Aber das kommt für Theresa nicht infrage.

00:54:59: Sie weiß, dass sie Lothar Driesen auch im zweiten Prozess in die Augen sehen will.

00:55:03: Sie muss zu Ende bringen, was sie als Nebenklägerin begonnen hat.

00:55:07: Es ist dieser Antrieb, der Theresa auch im Februar, wie der Foster Söder Walland gericht, führt.

00:55:12: Fast sieben Jahre sind seit der verheerenden Explosion vergangen.

00:55:16: Theresa ist heute vierundsechzig.

00:55:18: Ihr Enkel Philipp, dessen schulische Leistung nach dem Tod seiner Mutter abgestürzt sind, ist inzwischen neunzehn und macht gerade seinen Realschulabschluss.

00:55:26: Er hat sich zwar dagegen entschieden, am Prozess teilzunehmen, aber er fragt seine Großmutter immer wieder nach seiner Mutter Mariola und nach den Entwicklungen des Rechtsstreits, den Theresa für sie beide führt.

00:55:35: Theresa erzählt ihm davon, meist unterdrehen, weil es sie noch immer tief traurig macht, dass das ihre und vor allem Phillips Realität ist.

00:55:44: Auch um seine Fragen weiterhin beantworten zu können, sitzt Theresa zum Start des zweiten Prozesses wieder auf einem der Plätze, die für die Nebenklägerinnen vorbereitet sind.

00:55:52: Wieder neben Herrn Pausch, neben ihrer Dolmetscherin und auch in der Nähe von Nikolaj, der die Nebenklage ebenfalls erneut angenommen hat.

00:56:00: Gemeinsam werden sie heute wieder dem Mann gegenübertreten, der ihnen ihre Liebsten genommen haben soll.

00:56:05: Haus Eigentümer Dresen, der beim zweiten Prozess also alleine auf der Anklagebank sitzt.

00:56:11: Gleich zu Beginn machen seine Anwältinnen deutlich, dass er auch diesmal keine Angaben machen wird.

00:56:16: Und damit leuten sie einen zweiten langwierigen Indizienprozess ein.

00:56:21: Mehr als hundert Verhandlungstage sind auch diesmal angesetzt, bei denen der Ausgang tatsächlich wieder völlig offen ist, wie uns Johannes Pausch erklärt hat.

00:56:29: Nachdem der Bundesgerichtshof das erste Urteil komplett aufgehoben hatte, also auch mit allen Feststellungen, waren natürlich alle Prozessbeteiligten gespannt darauf, was das zweite Verfahren bringen würde.

00:56:41: Die Besonderheit war, dass das zweite Gericht überhaupt nicht gebunden war an die Feststellungen des ersten Durchlaufes, dass die Verteidigerbank gewechselt hatte.

00:56:50: Es wurde ein männlicher Verteidiger für den Hauptangeklagten hinzugezogen.

00:56:54: Er war ja nun der einzige Angeklagte.

00:56:56: Die bisherigen Mitangeklagten standen als Zeugen zur Verfügung, wurden gehört und mussten aussagen.

00:57:03: Also der Ausgang des Prozesses war total ungewiss.

00:57:06: Und wie unterschiedlich die neue Kammer den Fall einschätzt, wird den Prozess beteiligten bewusst, als es vor Gericht erneut umlotert, Resens Ali B. geht.

00:57:14: Denn der Vorsitzende Richter hätte es für plausibel, dass Dresen in der Tat Nacht neben seiner Freundin auf dem Wasserbett geschlafen haben könnte.

00:57:22: Jedenfalls könne man ihm das Gegenteil, also dass er im Keller der Grahstraße Acht war, nicht nachweisen, macht der Vorsitzende Richter noch im laufenden Prozess deutlich.

00:57:32: und auch nicht, dass er sein Haus in die Luft sprengen wollte.

00:57:35: Die Kammer im ersten Prozess war ja davon ausgegangen, dass Dresen mit im Keller gewesen war und dass er als Bauunternehmer gewusst haben muss, dass so viel ausströmendes Gas zu einer tödlichen Explosion führen könnte.

00:57:46: Deshalb hatte der Vorsitzende Richter damals diesen bedingten Tötungsvorsatz bestätigt.

00:57:51: Die Kammer im zweiten Prozess sieht das aber anders.

00:57:55: Man könne dem Angeklagten weder nachweisen, dass er in der Tat Nacht im Keller war, noch dass er das Ausmaß der Explosion voraus sieht.

00:58:01: hätte können.

00:58:03: Der Vorsitzende Richter stellt deshalb den Tötungsvorsatz in Frage.

00:58:06: Und das könnte alles verändern, denn ohne Tötungsvorsatz kann Lothar Dresen nicht wegen Mordes verurteilt werden und seine Haftstrafe könnte deutlich geringer ausfallen.

00:58:16: Während

00:58:18: nun im Gericht tagelang über Dresens Tötungsvorsatz verhandelt wird, sitzt er meist teilnahmslos da, den Blick gesenkt auf den Tisch vor sich.

00:58:26: Wenn er ihn hebt, wirken seine Augen scheu, fast ausweichend.

00:58:29: Lesen lässt sich daran nichts.

00:58:32: Theresa dagegen kann ihre Gefühle nicht verbergen.

00:58:35: Tränen laufen ihr über die Wangen, als ihr bewusst wird, dass der Mann, den sie für den Tod ihrer Tochter verantwortlich macht, nun vielleicht nicht einmal wegen Mordes verurteilt wird.

00:58:44: Und manchmal überfallen sie Weinkrämpfe, wenn es konkret um ihre Tochter geht.

00:58:48: Für alle im Saal ist das Leid sichtbar, über das hier verhandelt wird.

00:58:52: Der Tod von sechs Menschen, die schlafend und nichts ahnt unter Tonnen von Steinen begraben wurden.

00:58:58: Und der Schmerz ihrer Angehörigen, den Theresa, ein Gesicht gibt.

00:59:02: Und doch hat sie oft das Gefühl, dass es im Gericht sei gar nicht um sie und die Verstorbenen geht, sondern vor allem um den Angeklagten und um Leiden, die in ihren Augen keines sind.

00:59:11: Mehrfach bringen Dresens verteidiger Innen vor, ihr Mandant sei nicht mehr verhandlungsfähig, sein Gesundheitszustand sei zu schlecht.

00:59:18: Er würde langsam erblinden und hätte mit Ohnmachtsanfällen zu kämpfen.

00:59:23: Theresa erlassen diese Anträge fassungslos zurück.

00:59:25: Was soll ich denn sagen?

00:59:27: fragt sie in Anwalt Herr Pausch.

00:59:29: Sie selbst kämpft bis heute mit den Folgen ihrer Verletzungen, trägt immer noch ein Korsett, um überhaupt sitzen zu können.

00:59:35: Ganz zu schweigen von den psychischen Beschwerden, die sie seit Jahren begleiten.

00:59:39: Die nie endende Trauer um ihre Tochter, der Schmerz, den sie nie überwunden hat.

00:59:44: Das Gericht erkennt resens angebliche Verhandlungsunfähigkeit nicht an.

00:59:48: Ein Arzt bescheinigt, dass der angeklagte Kern gesund ist.

00:59:52: Doch gegen Ende des Prozesses stellt seine Verteidigung einen neuen Antrag ein, der Theresa noch mehr schockiert.

00:59:59: Die Verteidigung verlangt, ihren Mandanten aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

01:00:03: Dresden sitzt seit seiner Festnahme in Frankreich dort, also jetzt schon mittlerweile acht Jahren, und nun berufen sich seine Anwälte auf die Europäische Menschenrechtskonvention und das sogenannte Beschleunigungsgebot.

01:00:15: Das bezieht sich darauf, dass eine angeklagte Person nicht unverhältnismäßig lange in Untersuchungshafts setzen darf, wenn sich ein Verfahren über Jahre hinzieht.

01:00:24: Und das Bundesverfassungsgericht gibt ihn tatsächlich auch recht.

01:00:28: Es verweist auf die lange Dauer bis zur Anklage, die immerhin neun Monate auf sich warten ließ, auf die Verzögerungen im zweiten Prozess und auf den Rechtsfehler im ersten Verfahren.

01:00:38: Nichts davon dürfe auf dem Rücken des Angeklagten ausgetragen werden, heißt es in der Begründung.

01:00:43: Und so kommt Lothar Driesen noch vor dem Ende des zweiten Prozesses frei.

01:00:48: Als Theresa das erfährt, ist sie tief erschüttert.

01:00:52: Sie versteht nicht, wie der Mann, der in erster Instanz wegen Mordes verurteilt wurde, nun entschädigt wird für ein Verfahren, das sich auch aufgrund seines Schweigens und seiner Verteidigung in die Länge zieht.

01:01:02: Sie selbst sitzt ja auch hier seit Jahren und muss den Prozess ertragen.

01:01:06: Es ist ihr Leben, das vor über acht Jahren aus den Fugen geraten ist und nie wieder dasselbe sein wird, auch seine wegen.

01:01:13: Viele Male spricht Theresa mit ihrem Anwalt Herr Pausch darüber.

01:01:17: Er erklärt ihr immer wieder, warum das Recht in diesem Fall auf der Seite des Angeklagten steht.

01:01:22: Irgendwann versteht Theresa die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, aber akzeptieren kann sie sie nicht.

01:01:28: Theresa

01:01:29: hofft inständig, dass das Urteil im zweiten Prozess dafür sorgen wird, dass Lothar Dresen wieder zurück in Haft kommt.

01:01:36: Und so sitzt sie wieder einmal angespannt auf dem Stuhl im Düsseldorfer Landgericht, als es zur Urteilsverkündung kommt.

01:01:41: Die Stille im Saal ist greifbar, als der vorsitzende Richter schließlich sagt.

01:01:46: Die von uns getroffenen Feststellungen reichen für eine Verurteilung wegen Mordes nicht

01:01:51: aus.

01:01:51: Wir haben im Zweifel für den Angeklagten entschieden.

01:01:55: Für Theresa wird damit ihre schlimmste Befürchtung wahr.

01:01:58: Lothar Dresen wird an zweiter Instanz nicht mehr wegen Mordes verurteilt, sondern nur noch wegen des Herbeiführends einer Sprengstoff-Explosion und fahrlässiger Tötung.

01:02:07: Ein Tötungsvorsatz wird nicht mehr festgestellt, weil man den Dresen laut der Kammer nicht nachweisen kann.

01:02:14: Tiresas Anwalt Johannes Pausch hat uns erklärt, warum.

01:02:17: Das Gericht hat bestellt, dass der Hauptangeklagte, der einzige, keinen Tötungsvorsatz, auch keinen bedingten Tötungsvorsatz hatte und hat es daran festgemacht, dass er ja das Haus nicht zerstören wollte.

01:02:32: Und wenn er es schon nicht zerstören wollte, dann konnte er auch nicht in Kauf nehmen, dass dabei bei dieser Verpuffung Tote zu beklagen sein werden.

01:02:41: Man kann zitieren, dass das Urteil explizit festgestellt hatte, wenn der Angeklagte die Zerstörung nicht wollte, wie will man dann annehmen können, er habe gewollt, dass Menschen in diesem Haus sterben.

01:02:53: Also eine sehr einseitige Auslegung dieses sehr komplizierten Sachverhaltes des bedingten Vorsatzes.

01:03:00: Das neue Strafmaß, dreizehn Jahre und sechs Monate Haft.

01:03:04: Und selbst diese Strafe muss er nicht sofort antreten.

01:03:07: Bis das Urteil rechtskräftig ist, bleibt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestehen.

01:03:12: Und der verurteilte Walter auf freiem Fuß.

01:03:14: Was für Lothar Dresen ein Etappensieg sein dürfte, sorgt bei fast allen anderen Prozessbeteiligten für Empörung.

01:03:21: Vor der Presse sagt der leitende Staatsanwalt, es sei lebensfremd ein Wohnhaus in die Luft zu jagen und davon auszugehen, dass niemand zu Schaden komme.

01:03:28: Das war ja keine kontrollierte Exklusion von einem professionellen Sprengmeister, erklärt er.

01:03:34: Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft liegt deshalb sehr wohl ein bedingter Tötungsvorsatz vor.

01:03:38: Und derselben Meinung ist auch die Nebenklage.

01:03:41: Für Theresa steht sofort fest, sie wird das Urteil nicht hinnehmen.

01:03:45: Noch am selben Tag kündigen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die nebenklage Revision an.

01:03:50: Auch Nikolai tritt am Tag der Urteilsverkündung vor die Presse.

01:03:53: Mit bebener Stimme, sagt der sechsundfünfzigjährige, nur wenige Worte.

01:03:57: Für mich war es Mord.

01:03:59: Mehr bringt er kaum heraus.

01:04:01: Der Nikolai ist fassungslos und zugleich müde.

01:04:04: Müde von all den Jahren vor Gericht, von den endlosen Verhandlungen und vom Schweigen des Angeklagten.

01:04:11: Der sechsundfünfzigjährige vermisst Galina.

01:04:13: Er vermisst den Traum, den sie gemeinsam hatten.

01:04:15: Ein Traum, der in jener Nacht zerstört wurde, als Galina in der Krarstraße starb.

01:04:20: Jetzt nach dem zweiten Prozess kehrt Nikolaj dorthin zurück, gemeinsam mit seiner Anwältin und einer Journalistin.

01:04:26: Er will der Presse noch einmal erzählen, was damals geschah.

01:04:29: Doch als er vor Ort ankommt, nimmt ihn der Anblick völlig gefangen.

01:04:33: Das Geröll ist längst weggeräumt.

01:04:35: Vor der Hausnummer Acht stehen wieder Autos, Menschen spazieren vorbei.

01:04:39: Nur das Haus ist ein anderes.

01:04:40: Es gehört einem anderen Besitzer und es ist nicht mehr violett wie früher, sondern hellgelb.

01:04:45: Vier Stockwerke, zehn Parteien, weiße Fenster.

01:04:48: Ein mehr Familienhaus, aber nicht seins.

01:04:51: Nicht das Haus, in dem er mit Galina lebte.

01:04:53: Und das trifft ihn mitten ins Herz.

01:04:56: Dass in der Krarstraße wieder Alltag eingekehrt ist, nur eben ohne sie, macht ihn traurig und verdeutlicht für ihn einmal mehr.

01:05:03: Er muss es schaffen, abzuschließen.

01:05:05: Er muss nach vorne schauen.

01:05:07: Auf eine Zukunft ohne Galina.

01:05:10: Umso erleichterter ist Nikolaj, als er von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfährt.

01:05:14: Nach all den Jahren der Verhandlungen, nach all den endlosen Beweisanträgen und Rückschlägen gibt es nun eine klare Ansage aus Karlsruhe.

01:05:22: Die Revision der Nebenklage wird angenommen.

01:05:24: Und nicht nur das, der BGH rügt ausdrücklich, dass das Landgericht Düsseldorf im zweiten Verfahren keinen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat.

01:05:32: Genau in diesem Punkt muss neu verhandelt werden, heißt es und zwar nur in diesem.

01:05:38: Die Beweisführung soll bestehen bleiben.

01:05:40: Für Nikolaj Teresa und die anderen Angehörigen bedeutet das, bei der dritten Verhandlung, die diesmal in Duisburg stattfinden wird, geht es ausschließlich um den Schuldspruch.

01:05:49: Kein langes Wiederaufrollen der gesamten Indizinkette, keine quälenden Beweisanträge mehr.

01:05:54: Überschaubare vier Verhandlungstage sind angesetzt.

01:05:57: Nikolaj fällt ein Stein vom Herzen.

01:06:00: Zum ersten Mal seit Langem hat er das Gefühl, dass sich der jahrelange Kampf vielleicht doch noch lohnt und dass der Bundesgerichtshof ein Machtwort für die Opfer der Explosion gesprochen hat.

01:06:10: Kann es sein, dass jetzt nach so langer Zeit wirklich ein Ende des Rechtsstreits in Sicht

01:06:28: ist?

01:06:34: Dann, kurz nach Beginn des ersten Prozesttages, die Überraschung.

01:06:38: Die Verteidigung kündigt an, dass sich Lothar Dresen diesmal einlassen will.

01:06:42: Er wird zwar selbst nichts sagen, aber er hat eine schriftliche Einlassung vorbereitet, wie seine Verteidigerin vorliest und der Theresa von ihrem Platz aus aufmerksam folgt.

01:06:52: Lothar Dresen räumt ein, gemeinsam mit Hartmut Lüders nach einer Möglichkeit gesucht zu haben, die MieterInnen zum Auszug zu bewegen.

01:06:59: Sein Dachdeckerkumpel Lüders habe eine Gasverpuffung vorgeschlagen, also keine Gasexplosion, sondern eine Art Erschütterung, bei der die Wände des Hauses wackeln würden und die MieterInnen Angst bekommen und ausziehen würden.

01:07:11: Dem habe er, der Vermieter, zugestimmt.

01:07:14: Sie hätten vereinbart, dass Lüders die Kappe der Gasleitung nur ein Stück weit aufdrehen würde, sodass nicht zu viel Gas ausströmen würde.

01:07:22: Wann er das machen würde, hätten sie nicht festgelegt.

01:07:25: Dresen gibt also an, dass er nicht gewusst habe, dass Lüders schon in der folgenden Nacht nach dem Geburtstag von Michel aktiv werden würde.

01:07:32: Und vor allem habe er nicht gewusst, dass Lüders die Kappe ganz abdrehen würde.

01:07:37: So sei das nie vereinbart gewesen, behauptet Dresen.

01:07:40: Das hätte er niemals zugelassen, wenn er in der Nacht im Keller gewesen wäre.

01:07:44: Aber da war er nicht, gibt er Angeklagte an.

01:07:47: Erst am nächsten Tag habe er von der Explosion erfahren und sei so seine Worte in eine, Zitat, tiefe geistige Umnachtung gefallen.

01:07:55: Es sei niemals geplant gewesen, das Haus einstürzen zu lassen, sagt der Angeklagte.

01:08:00: Man habe den Mieter in lediglich die Notwendigkeit einer Sanierung vor Augen führen wollen.

01:08:05: Ja, genau.

01:08:06: Total normal.

01:08:08: So.

01:08:08: Macht man das halt auch, ne?

01:08:10: Ja, vor allem, nachdem das auch so lange nicht geklappt

01:08:12: hat.

01:08:12: Weißt du?

01:08:13: Also es ist halt so... Ich hasse solche Leute, die das nicht akzeptieren können, wenn das nicht so läuft, wie sie möchten.

01:08:22: Ja.

01:08:22: Und

01:08:22: dann, ne?

01:08:23: Auch im Zweifel, was mit Gewalt durchdrücken wollen.

01:08:27: Wo ich

01:08:27: aber schon gleich eine Red Flag auch gesehen habe hier beim Lotard-Resen, ist dieses Wasser abstellen.

01:08:33: Wie

01:08:33: zeigst du, wo musst du sein, dein Mieter in das Wasser abzustellen?

01:08:37: Ja.

01:08:38: Und vor allen Dingen ja, also es ist sein Haus und wenn er die richtigen richtigen Schritte eingegangen wäre, und natürlich hätte das wahrscheinlich sehr lange gedauert, dann hätte er auch irgendwann diese bescheuerte Renovierung machen können und auch höhere Mieten verlangen können, aber offenbar konnte er nicht warten.

01:08:56: Also ganz ehrlich, ich weiß nicht, ich will mich da immer nicht so weit aus dem Fenster lehnen oder so, ne?

01:09:01: Durch einen Erbsfall bin ich ja auch Vermieterin und ich habe diese Miete.

01:09:05: Und der Mieter wohnt da bestimmt schon mindestens sieben Jahre drin, noch nie erhöht.

01:09:09: Ich habe jetzt auch nur eine Wohnung und der hat wie bei Monopoly vier Grundstücke.

01:09:14: Und ich meine, ich wäre jetzt auch nicht auf eine kleine Mieterhöhung angewiesen.

01:09:18: Weil ich gehe davon aus, dass der Typ das auch nicht wäre, weißt du?

01:09:21: Nee, weil er ja zwei Komma fünf Millionen Umsatz gemacht hat.

01:09:25: Ja, und er hat ja die ganzen anderen Wohnungen auch schon saniert und da dann höhere Mieten bekommen.

01:09:29: Und

01:09:29: ich finde es halt krass, weil also wenn vor mir jemand stehen würde und sagen würde, Ey, wenn du die Miete erhöhst, kann ich mir das nicht mehr leisten, hier zu wohnen?

01:09:38: Ich könnte das nicht.

01:09:39: Aber ich habe so ein Thema mit dem bezahlbaren Wohnraum.

01:09:43: Also ich kann das nicht ertragen.

01:09:44: Bei mir weiß auch nicht, warum ich das Thema so anfasse.

01:09:48: Aber ich finde das einfach wahnsinnig schlimm.

01:09:51: Dass einfach so viele Leute sich keine Wohnung mehr leisten können und dann wegziehen müssen und so.

01:09:55: Genau.

01:09:56: Aus irgendwie einem Kiez, wo die, wie jetzt manche Mieter in dem Fall hier, fünfzehn Jahre gewohnt haben.

01:10:02: Ja, genau.

01:10:04: Theresa ist enttäuscht von Lothar Dresens Einlassung.

01:10:07: Keine Entschuldigung, keine Übernahme der Verantwortung für den Tod von sechs Menschen, darunter der von Mariola.

01:10:14: Dresen hat die Erklärung nicht einmal selbst vorgetragen.

01:10:17: Theresa hätte nach so vielen Jahren gehofft, wenigstens einmal seine Stimme zu hören.

01:10:21: Eine Stimme, die ihr erklärt, warum ihre Tochter sterben musste.

01:10:26: Doch auch diese Hoffnung erfüllt sich nicht.

01:10:28: Dresen bleibt stumm, hebt die Augen kaum und sagt nur ein paar leise, kaum hörbare Worte in sich hinein.

01:10:34: Und sein passives Verhalten ändert sich auch über die restlichen Prozester hinweg nicht.

01:10:38: Wenn er morgens in den Saal kommt und wenn er ihn abends verlässt, noch immer als freier Mann wohlgemerkt, trägt er eine Sonnenbrille, eine Mütze und einen hohen Kragen, um sich dem Blitzlichtgewitter vor dem Saal zu entziehen.

01:10:49: Dresen zeigt sich unnahbar, fast so, als könne ihm niemand etwas.

01:10:55: Doch am vierzehnten Mai, zwei tausendzehn.

01:10:57: Belehrt die Justiz ihn eines Besseren.

01:11:00: Die Richterinnen sind überzeugt, selbst wenn es so gewesen sein sollte, wie der Angeklagte sagt, also, dass er nur eine Erschütterung und keine Explosionen auslösen wollte, weil das muss man ja auch mal kurz festhalten.

01:11:12: Er wollte ja sein Haus renovieren und dann höhere Mieten verlangen.

01:11:17: Und wenn sein Haus dabei einstürzt, dann... Hätte er das ja auch nicht machen

01:11:21: können, ne?

01:11:22: Aber selbst wenn es so gewesen wäre, habe er den Tod seiner Mieterin billigend in Kauf genommen.

01:11:28: Denn auch wenn in Anführungszeichen nur die Wände hätten wackeln sollen, hätten herabfallende Gegenstände die Bewohnerinnen erschlagen können.

01:11:36: Noch dazu geschah das Ganze in der Nacht, zu einer Zeit in der alle arg und wehrlos in ihren Betten lagen.

01:11:42: Ob Luther Dresen in der Nacht mit seinem Kumpel im Keller war oder im Wasserbett geschlafen hat, bleibt bis zuletzt unklar.

01:11:48: Fest steht für das Duisburger Gericht aber, dass man ihn zumindest einen bedingten Tötungsvorsatz nachweisen kann, weil auch bei einer Erschötterung, die er ja geplant hatte, Menschen hätten sterben können.

01:11:59: Darüber hinaus werden gleich drei Mordmerkmale festgestellt.

01:12:03: Lauter Kamar handelte Lothar Dresen aus sonstigen niedrigen Beweggründen, heimtückisch und mittels eines gemeingefährlichen Mittels.

01:12:11: Der Angeklagte wird deswegen sechsfache Mord, zweifache Mordversuch, zweifacher gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführung einer Sprengstoff-Explosion zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

01:12:22: Seine Schuld wiegt besonders schwer.

01:12:24: Das Gericht verhängt genau wie das erste Gericht, die Höchststrafe gegen ihn und die Nebenklingerinnen atmen auf.

01:12:31: Erleichterung macht sich in Theresas Brust breit.

01:12:34: Zum ersten Mal seit Jahren.

01:12:36: Doch schon im nächsten Moment folgt der Dämpfer.

01:12:38: Weil sich das Verfahren über Jahre hingezogen hat, wo es zu Rechtsstaatswidrigen Verzögerungen gekommen ist, gelten vier Jahre von Dresens Strafe bereits als verstreckt.

01:12:47: Außerdem wird ihm die Untersuchungshaft angerechnet, die er ja schon über acht Jahre lang abgesessen hat.

01:12:53: Das heißt, elf Jahre der Strafe gelten bereits als verbüßt.

01:12:57: Wie lange er tatsächlich noch im Gefängnis sitzen muss, ist damit unklar.

01:13:00: Denn bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld gibt es keine feste Anzahl an Ja- Jahren.

01:13:06: Zwanzig Jahre und mehr gelten als Richtwert.

01:13:09: Aber egal, wie lange er letztlich noch hinter Gitter sitzen muss, für Teresa wirkt es, als würde ihr ehemaliger Vermieter schon wieder von den Fehlern der Justiz profitieren, während sie und all die anderen Überlebenden und Angehörigen nur wortlos akzeptieren können, was das Recht vorgibt.

01:13:24: Teresas einzige Entschädigung für all das, was sie durchstehen musste, ist ein Schmerzensgeld in Höhe von vierzigtausend Euro, das ihr in allen drei Prozessen zugesprochen wurde.

01:13:34: Nach dem finalen Urteil hofft sie, dass ihr wenigstens dieses Geld erhält.

01:13:38: Stattdessen muss sie eine weitere Enttäuschung verbuchen.

01:13:41: Der jahrelange Prozess hat das gesamte Vermögen des Täters verschlungen.

01:13:45: Lotatresen ist nicht in der Lage, das Schmerzensgeld zu zahlen.

01:13:49: Und auch sonst kommt jemand dafür auf.

01:13:51: Theresa geht leer aus.

01:13:53: In ihren Augen ein weiteres Anzeichen dafür, dass in diesem Fall die Rechte der Opfer viel zu kurz gekommen sind.

01:14:01: Auch Nikolaj erhält kein Schmerzensgeld, aber der mittlerweile neunfünfzigjährige ist in erster Linie nur froh, dass der Prozess vorbei ist.

01:14:09: Dass der Mann, den er von Anfang an für den Haupttäter gehalten hat, wegen Mordes verurteilt wurde.

01:14:14: Und er ist froh darüber, dass die Verteidigung diesmal nicht mehr in Revision geht und dass das Urteil damit schließlich rechtskräftig wird.

01:14:22: Dass endlich nach über zehn Jahren Ruhe in sein Leben einkehren kann.

01:14:26: Früher, vor der Explosion, hat er sich immer vorgestellt, wie er diese Ruhe mit seiner Ehefrau verbringt.

01:14:31: Wenn Nikolaj jetzt nach der Explosion und dem schier endlosen Rechtsstreit in seine Zukunft spblickt, dann ist Galina kein Teil mehr davon.

01:14:39: Zumindest kein Aktiver.

01:14:40: Aber den Traum, den er und Galina hatten, möchte David war trotzdem nicht aufgeben, denn er hat mittlerweile einen Entschluss gefasst, den er nach dem Prozess in die Tat umsetzt.

01:14:49: Nikolaj zieht allein zurück nach Serbien, wo er sich in einem Haus zur Ruhe setzt.

01:14:54: Er lebt den Traum, den und Galina hatten.

01:14:57: Alleine, aber für sie beide.

01:14:58: Oh, ich will das so schwimmen.

01:15:01: Mariola's Traum war es, ihren Sohn Philipp aufwachsen zu sehen.

01:15:04: Doch der wurde ihr genommen.

01:15:06: Und der Schmerz darüber wird Philipps Großmutter Teresa ihr Leben lang begleiten, genau wie die Trauer um ihre Tochter.

01:15:12: Mariola wäre heute zweiundsechzig Jahre alt.

01:15:15: Teresa hat dafür gesorgt, dass sie in ihrer Heimat Polen begraben wurde.

01:15:19: Dort lebt auch Teresa inzwischen wieder.

01:15:21: Sie ist mittlerweile fast neunzig Jahre alt.

01:15:24: Und wir haben in der Recherche zu dieser Folge mit ihr gesprochen.

01:15:27: Leider können wir hier keinen Ton von ihr abspielen, weil sie nur Polne spricht, aber sie hat uns gesagt, dass sie auch heute noch jeden Tag an ihre Tochter Mariola denkt.

01:15:36: Ein Familienfreund hat man zu ihr gesagt, dass wenn Gott Engel auf die Erde geschickt hätte, dann wäre Mariola einer von ihnen.

01:15:43: Ein Engel, der viel zu früh gehen musste.

01:15:47: Übersetzt hat bei unserem Gespräch mit Theresa übrigens ihr Enkel Philipp, der ja glücklicherweise in der Nacht nicht bei seiner Mutter geschlafen hat, sondern als kleiner Junge, die Jackie Chan-Filme geschaut hat.

01:15:59: Philipp ist inzwischen vierzig Jahre alt und hat selbst eine kleine Tochter, die mit zweitem Namen Marie heißt.

01:16:06: Eine Abwandlung von Mariola im Gedenken an seine Mutter.

01:16:10: Philipp hat uns erzählt, dass er damals nach seinem Jackie Chan Filmabend im Juli, am nächsten Morgen zu seiner Mutter in die Krarstraße gefahren ist.

01:16:19: Vor Ort war er aber natürlich schon alles weiträumig abgesperrt und Philipp ist gar nicht bis zu dem Haus mit der Nummer acht gekommen.

01:16:26: Er erinnert sich aber an ein ganz bestimmtes Detail, wie er uns erzählt hat.

01:16:30: Ich kann mich noch daran erinnern, was ich gefühlt habe an dem Tag.

01:16:33: Das ist etwas, was ich nicht vergessen werde.

01:16:36: Ich hatte direkt ein mulmiges Gefühl.

01:16:40: Ich weiß, dass mir die Tränen in den Augen standen, weil ich irgendwie intuitiv wusste, da muss was Schreckliches passiert sein an Ort und Stelle.

01:16:47: Ich bin dann einfach wieder zurück in die Wohnung meines Vaters, der ja zu den Zeiten noch in Kassel gewesen ist.

01:16:53: Und ein paar Stunden später kam dann unser Nachbar aus dem dritten Stockwerk zu mir nach oben, klingelte an der Tür und sagte Philipp, die Polizei hat bei mir angerufen und sich nach dir erkundigt, ob du noch lebst.

01:17:06: Philipp hat damals ja schon fest bei seinem Vater gewohnt und nach dem Tod seiner Mutter hat sein Vater natürlich versucht, ihn soweit es ging von dem Prozess und von den Medien fernzuhalten.

01:17:15: Also Philipp sollte eine normale Kindheit haben, so normal wie es eben ging, nachdem ihm seine Mutter vom einen auf den anderen Tag genommen wurde und sein Leben in Trümmern vor ihm lag.

01:17:25: Als Jugendlicher war er deshalb in Therapie, hat er uns erzählt.

01:17:29: Philipp wusste einfach nicht, wie er mit dem Verlust umgehen sollte, denn das Vermissen kam in Wellen.

01:17:34: Ganz besonders war es am Anfang so, wenn ich Frauen von hinten gesehen habe, die ihr ähnlich sahen, sei es die Frisur, sei es der Kleidungsstil, sei es die Figur, dann war das schon sehr, sehr schwer für mich.

01:17:48: Ich erinnere mich an eine Situation an Düsseldorfer Hauptbahnhof in der U-Bahn-Station, dass da eine Frau gerade die Rolltrippe runtergefahren ist und ich bin tatsächlich dann vorgeprescht.

01:17:59: Ich bin um sie herum, um sie mal von vorne zu sehen, um mich zu vergewissern, dass das nicht meine Mutter ist.

01:18:04: Wenn er sich heute an seine Mutter erinnert, dann an eine sehr liebenswürdige, gutherzige Frau.

01:18:10: Eine Frau, die ihn komplett verhättelt hat und mit der er am liebsten zusammen Musik gehört hat.

01:18:15: Das war ihr gemeinsames Ding.

01:18:17: Seine Mutter hat am liebsten Genesis, The Police und Sting gehört.

01:18:21: Alles Künstler, die Philippe heute selbst gerne hört.

01:18:24: Und er erinnert sich gerne daran, wie sie ihm etwas auf der Gitarre vorgespielt hat.

01:18:29: Das fand er als kleiner Junge ganz toll.

01:18:32: Heute spielt Philipp selbst Gitarre und manchmal spielt er auch seiner kleinen Tochter etwas vor.

01:18:37: Dann erzählt er ihr von ihrer Oma, die sie leider niemals kennenlernen wird, aber die sie mit Sicherheit sehr geliebt hätte, so wie sie ihn geliebt hat.

01:18:50: So schlimm, dass man einfach so ein Zuhause von so vielen Menschen zerstört wegen so einer Scheiße.

01:18:57: Ja.

01:18:57: und damit auch deren Leben.

01:18:59: Also es ist ja nicht nur so, dass die das zu Hause zerstört haben, sondern die halt getötet haben.

01:19:04: Ja,

01:19:04: und

01:19:06: also dieser Nikolai, der da jetzt alleine diesen Traum weiterlebt von sich und seiner Frau.

01:19:12: Was das für ein Schmerz ist, ja, also ich glaube, das ist ja nicht auszuhalten.

01:19:18: Also als ich zum ersten Mal von dieser Geschichte gehört habe und gehört habe, was das Motiv war, da habe ich gedacht, das kann doch nicht.

01:19:25: der Ernst von diesen Menschen gewesen sein.

01:19:28: Und zu dem, zu dieser irren Tat an sich, kommt dann noch dieser jahrelange Rechtsstreit, mit dem sich die Angehörigen und die Opfer da noch beschäftigen müssen.

01:19:39: Was für eine riesige Katastrophe.

01:19:42: Wie viel ist so Strafmaß?

01:19:43: Also, das ist eigentlich eine gute Frage.

01:19:47: Weil, ne, man konnte ihm ja nicht nachweisen.

01:19:51: dass er in der Nacht mit im Keller war.

01:19:54: Das heißt, man konnte ihm nicht nachweisen, dass er gesehen hat, wie diese Kappe ganz abgedreht wurde.

01:20:00: Aber durch sein Schweigen die ganze Zeit vor Gericht und dadurch, dass er auch nie ein Funken Reue gezeigt hat oder sich mal entschuldigt hat oder sowas.

01:20:12: finde ich eigentlich das Strafmaß angemessen in Anbetracht dessen, dass er ja auch schon ganz schön viel angerechnet bekommen hat jetzt.

01:20:18: Ja, aber du darfst natürlich seinen Schweigen nicht mit Reimwerten so.

01:20:24: Aber da hatte ich nämlich auch an dem Punkt meine Bedenken, also, dass man seine Anwesenheit am Tatort sozusagen nicht nachweisen konnte trotz dieser gefundenen Tatwaffe.

01:20:34: Also, da hätte man dann ja auch denken können, oh, das geht vielleicht nicht gut aus und mit gut meinig, dass das, was ich als gefühlte Gerechtigkeit sehen würde, nämlich ein sehr, sehr hohes Strafmaß, sich dann nicht decken würde mit dem Urteilsspruch, obwohl man die Argumentation dann ja auch eventuell verstanden hätte.

01:20:52: Also, dass das jetzt am... Ende durchgegangen ist, zu sagen, wir wissen gar nicht, ob er dabei war und gesehen hat, dass die Kappe auf oder abgedreht wurde.

01:21:02: Aber allein, dass er wollte, dass die Wände wackeln, reicht aus, um hier einen bedingten Tötungsvorsatz anzunehmen, da habe ich dann richtig aufgeatmet.

01:21:11: Ich sage mal, es wäre ja einfacher nachzuweisen, dass er den Tod belegend in Kauf genommen hat, wenn man ihm hätte nachweisen können, dass er im Keller war.

01:21:20: Ja.

01:21:21: Und dieser bedingte Tötungsvorsatz, und eben, dass er das nachweislich ja wegen des Geldes gemacht hat, in Kombination mit den anderen Mordmerkmalen, haben ja dann auch diese krass hohe Strafe ermöglicht.

01:21:30: Und das ist ja auch was, was Theresa und Nikolaj so wichtig war.

01:21:35: Ja, und vielleicht können Sie jetzt dieses Urteil halt eben auch als gerecht empfinden.

01:21:40: Ja.

01:21:41: So, nächste Woche geht's hier um einen sehr aktuellen grausamen Fall, der zeigt, wie weit Verzweiflung Menschen treiben kann.

01:21:49: Und es ist auch ein Fall, den sich sehr, sehr viele Hörerinnen gewünscht haben.

01:22:11: Tschüss!

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.